Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.vom ehemaligen Königreich Hannover bloß gegangen, sondern unter den Umständen sogar das beste gewesen. Aber vom ehemaligen Königreich Hannover bloß gegangen, sondern unter den Umständen sogar das beste gewesen. Aber <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0416" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236940"/> <fw type="header" place="top"> vom ehemaligen Königreich Hannover</fw><lb/> <p xml:id="ID_1607" prev="#ID_1606" next="#ID_1608"> bloß gegangen, sondern unter den Umständen sogar das beste gewesen. Aber<lb/> davon konnte bei dem Selbständigkeitsgefühl Georgs V. keine Rede sein. Er<lb/> kümmerte sich eher um zu vieles, er war sehr fleißig und nichts weniger als<lb/> ein Figurant. Seine Minister hatten es nicht leicht, und was schlimmer war,<lb/> zwischen sie und den blinden König stellten sich mehr und mehr allerlei unter¬<lb/> geordnete Personen, die sein Vertrauen gewannen und zum Unheil des Landes<lb/> gebrauchten: Nebenregiernngen, die den Ministern viel zu schaffen machten,<lb/> und die in wichtigen Zeitpunkten verhängnisvoll gewirkt haben. Einflußreich<lb/> und in allen politischen Dingen gewandt war der schon unter Ernst August<lb/> in das Land gerufne Zimmermann aus Gotha, der unter Georg V. 1858 zum<lb/> Staatsrat befördert seine Überzeugung nach den Gelegenheiten wechselte und<lb/> sich 1866 Preußen zur Verfügung stellte. Noch verderblicher wirkte der<lb/> berüchtigte Generalpolizeidirektor Wermuth, ein Duzbruder des Ministers<lb/> von Borries, und Hand in Hand mit ihm im Überwachen und Ausspionieren<lb/> ging ein früherer Gendarmerieoffizier, der am Königsgebnrtstag 1857 zum<lb/> Generalpostdirektor ernannt wurde, von Brandes, der Schwager des Kriegs¬<lb/> ministers. Um dieselbe Zeit trat der Friseur Lübrecht in des Königs Gunst<lb/> und Vertrauen, und 1859 wurde der schon genannte Oskar Meding aus<lb/> Preußen gerufen, dessen Einfluß auf den König bis lange über 1866 hinaus<lb/> dauerte. Dagegen hat der durch seine sogenannte Geschichte Friedrichs des<lb/> Großen (1360) in weitern Kreisen bekannt gewordne Ouro Klopp keine<lb/> eigentliche Vertrauensstellung bei dem König gehabt. Er war Gymnasial¬<lb/> lehrer in Osnabrück gewesen, durch Windthorst bei dem österreichischen Ge¬<lb/> sandten eingeführt und auf dessen Verwendung in Hannover zunächst beschäftigt<lb/> und dann im Hausministerium angestellt worden. Er veröffentlichte eine zwei¬<lb/> bändige Ehrenrettung Tillys und wirkte in der Presse für den politischen An¬<lb/> schluß an Österreich. Ein Glück war es, daß wenigstens der Kabinettsrat<lb/> Lex, dessen sich der König für alle schriftlichen Ausfertigungen bediente, ein<lb/> streng rechtlicher und wie das Grab verschwiegner Beamter war. Außer jenen<lb/> Männern wußten noch viele andre mehr vorübergehend und für bestimmte Ge¬<lb/> legenheiten über die amtlichen Stellen hinweg persönlich des Königs Ohr zu<lb/> gewinnen, und daß die Flügeladjutanten, die seine steten Begleiter waren, bei<lb/> Paraden sein Pferd führten und ihm das Auge ersetzen mußten, einen weit<lb/> über ihre Befugnis hinausgehenden Einfluß namentlich in militärischen Dingen<lb/> ausübten, war selbstverständlich. Die Günstlingswirtschaft, die den Inhabern<lb/> der leitenden Stellen das Gefühl der Sicherheit nahm, hatte zur Folge, daß<lb/> schließlich in dem entscheidenden Jahre 1866 der Personenappnrat völlig ver¬<lb/> sagte und kaum noch ein geeigneter Mann um seinem richtigen Platze stand.<lb/> Von seinen vielen Ministern hatte damals der König noch zwei, die alle<lb/> Veründrungen in den Ministerien überdauert hatten, übrig, sie folgten ihm,<lb/> als er sich zu dem Heere nach Göttingen begab. Es waren der völlig un¬<lb/> brauchbare und beinahe zu einer lächerlichen Person gewordne Kriegsminister<lb/> von Brandes, der noch aus des Königs Georgs V. erstem Ministerium (Sehele)<lb/> stammte, und Graf Platen aus dem dritten (Borries, seit 1855), ein Minister<lb/> des Auswärtigen, der niemals orientiert war, dessen Voraussetzungen meistens</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0416]
vom ehemaligen Königreich Hannover
bloß gegangen, sondern unter den Umständen sogar das beste gewesen. Aber
davon konnte bei dem Selbständigkeitsgefühl Georgs V. keine Rede sein. Er
kümmerte sich eher um zu vieles, er war sehr fleißig und nichts weniger als
ein Figurant. Seine Minister hatten es nicht leicht, und was schlimmer war,
zwischen sie und den blinden König stellten sich mehr und mehr allerlei unter¬
geordnete Personen, die sein Vertrauen gewannen und zum Unheil des Landes
gebrauchten: Nebenregiernngen, die den Ministern viel zu schaffen machten,
und die in wichtigen Zeitpunkten verhängnisvoll gewirkt haben. Einflußreich
und in allen politischen Dingen gewandt war der schon unter Ernst August
in das Land gerufne Zimmermann aus Gotha, der unter Georg V. 1858 zum
Staatsrat befördert seine Überzeugung nach den Gelegenheiten wechselte und
sich 1866 Preußen zur Verfügung stellte. Noch verderblicher wirkte der
berüchtigte Generalpolizeidirektor Wermuth, ein Duzbruder des Ministers
von Borries, und Hand in Hand mit ihm im Überwachen und Ausspionieren
ging ein früherer Gendarmerieoffizier, der am Königsgebnrtstag 1857 zum
Generalpostdirektor ernannt wurde, von Brandes, der Schwager des Kriegs¬
ministers. Um dieselbe Zeit trat der Friseur Lübrecht in des Königs Gunst
und Vertrauen, und 1859 wurde der schon genannte Oskar Meding aus
Preußen gerufen, dessen Einfluß auf den König bis lange über 1866 hinaus
dauerte. Dagegen hat der durch seine sogenannte Geschichte Friedrichs des
Großen (1360) in weitern Kreisen bekannt gewordne Ouro Klopp keine
eigentliche Vertrauensstellung bei dem König gehabt. Er war Gymnasial¬
lehrer in Osnabrück gewesen, durch Windthorst bei dem österreichischen Ge¬
sandten eingeführt und auf dessen Verwendung in Hannover zunächst beschäftigt
und dann im Hausministerium angestellt worden. Er veröffentlichte eine zwei¬
bändige Ehrenrettung Tillys und wirkte in der Presse für den politischen An¬
schluß an Österreich. Ein Glück war es, daß wenigstens der Kabinettsrat
Lex, dessen sich der König für alle schriftlichen Ausfertigungen bediente, ein
streng rechtlicher und wie das Grab verschwiegner Beamter war. Außer jenen
Männern wußten noch viele andre mehr vorübergehend und für bestimmte Ge¬
legenheiten über die amtlichen Stellen hinweg persönlich des Königs Ohr zu
gewinnen, und daß die Flügeladjutanten, die seine steten Begleiter waren, bei
Paraden sein Pferd führten und ihm das Auge ersetzen mußten, einen weit
über ihre Befugnis hinausgehenden Einfluß namentlich in militärischen Dingen
ausübten, war selbstverständlich. Die Günstlingswirtschaft, die den Inhabern
der leitenden Stellen das Gefühl der Sicherheit nahm, hatte zur Folge, daß
schließlich in dem entscheidenden Jahre 1866 der Personenappnrat völlig ver¬
sagte und kaum noch ein geeigneter Mann um seinem richtigen Platze stand.
Von seinen vielen Ministern hatte damals der König noch zwei, die alle
Veründrungen in den Ministerien überdauert hatten, übrig, sie folgten ihm,
als er sich zu dem Heere nach Göttingen begab. Es waren der völlig un¬
brauchbare und beinahe zu einer lächerlichen Person gewordne Kriegsminister
von Brandes, der noch aus des Königs Georgs V. erstem Ministerium (Sehele)
stammte, und Graf Platen aus dem dritten (Borries, seit 1855), ein Minister
des Auswärtigen, der niemals orientiert war, dessen Voraussetzungen meistens
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