Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.Zeitgenossen, und es war ein Ton echter Trauer, wenn ein unbekannter Sänger In Vielen "Tagungen" mit andern Fürsten und fürstlichen Räten war Es kamen nun bewegte Zeiten für Schloß und Heide: am Tage erscholl Grenzboten 1 1902
Zeitgenossen, und es war ein Ton echter Trauer, wenn ein unbekannter Sänger In Vielen „Tagungen" mit andern Fürsten und fürstlichen Räten war Es kamen nun bewegte Zeiten für Schloß und Heide: am Tage erscholl Grenzboten 1 1902
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236909"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1437" prev="#ID_1436"> Zeitgenossen, und es war ein Ton echter Trauer, wenn ein unbekannter Sänger<lb/> bei seinem Tode in die Worte ausbrach:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_6" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1438"> In Vielen „Tagungen" mit andern Fürsten und fürstlichen Räten war<lb/> Moritz seit dem Jahre 1550 bemüht, gegen Karls V. Tyrannei, gegen die den<lb/> Deutschen auferlegte „viehische serviert" „viel gute Leute an den Tag zu<lb/> bringen." Aber er mußte mit der äußersten Vorsicht zu Werke gehn; Zusammen¬<lb/> künfte mit den Ernestinern in Naumburg, mit Markgraf Hans von Küstrin<lb/> und andern Fürsten in Torgau Mai 1551) Ware» am kaiserlichen Hofe nicht<lb/> unbemerkt geblieben. So kam es für ihn darauf an, einen möglichst entlegnen<lb/> und verschwiegnen Ort zu finden, wo das werdende Einverständnis der Fürsten<lb/> übereinander und mit dem Auslande, namentlich mit Frankreich, zum Offensiv-<lb/> bündnis verdichtet werden könnte. Dazu wählte er die Lochau. So ritten<lb/> denn im September 1551 die beteiligten Fürsten und Räte, als ob es sich<lb/> »in die gewöhnliche Herbstjagd handle, ohne alles Gepränge in Lochau ein;<lb/> es waren außer dem Kurfürsten Moritz der Markgraf Hans von Küstrin, zu¬<lb/> gleich mit deu Vollmachten Albrechts von Preußen und Heinrichs von Mecklen¬<lb/> burg, ferner die Räte Schachten und Bing für den Landgrafen Wilhelm von<lb/> Hessen und endlich als Bevollmächtigter Heinrichs II. vou Frankreich Johann<lb/> de Fresse (Fraxincus), Bischof von Bayonne. Er kam sicherlich unter falschem<lb/> Namen und in irgend einer Verkleidung; denn daß der Kurfürst einen Ab¬<lb/> gesandten des französischen Königs beherberge, das durften weder die Hof¬<lb/> dienerschaft noch die Bürger des Städtchens erfahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1439" next="#ID_1440"> Es kamen nun bewegte Zeiten für Schloß und Heide: am Tage erscholl<lb/> - das Hifthorn und das Kläffen der Meute um die alten Mauer.,, am Abend<lb/> aber sahen sie die geheimen Beratungen in ihrem Innern. Stürmisch genug<lb/> gings dabei her. wenn der Wein die Köpfe erhitzte, zumal zwischen dem Kur¬<lb/> fürsten Moritz und den. Markgrafen Hans: der Geist der neuen und der Geist<lb/> der alten Zeit standen sich in diesen beiden gegenüber. Moritz, der hnmamstisch<lb/> "ut - im guten Sinne des Wortes - macchiavellistisch gebildete Politiker<lb/> der die beengenden Fesseln mittelalterlicher Vasallentreue und tue Emsigkeit<lb/> eines rein religiöse,. Standpunkts überwunden hatte, stellte die Erledigung<lb/> seines gefangnen Schwiegervaters, die fürstliche Libertät und die nationale<lb/> Freiheit in den Vordergrund, der andre, ausgestattet in,t all der Biederkeit,<lb/> aber auch mit allen den Fehlern der Schmalkaldner, wollte nur für den pro¬<lb/> testantischen Glanben das Schwert ziehn; der eine war für eine schnelle und schnei¬<lb/> dige Offensive, der andre für eine schwächliche Defensive. So gene en alle hoher<lb/> ^reichten Resultate währeud der zehntägigen Lochaner Verhandlungen wieder<lb/> ins Wanken, „denn der Teufel hatte, wo er gekonnt und gemocht, seine</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten 1 1902</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0385]
Zeitgenossen, und es war ein Ton echter Trauer, wenn ein unbekannter Sänger
bei seinem Tode in die Worte ausbrach:
In Vielen „Tagungen" mit andern Fürsten und fürstlichen Räten war
Moritz seit dem Jahre 1550 bemüht, gegen Karls V. Tyrannei, gegen die den
Deutschen auferlegte „viehische serviert" „viel gute Leute an den Tag zu
bringen." Aber er mußte mit der äußersten Vorsicht zu Werke gehn; Zusammen¬
künfte mit den Ernestinern in Naumburg, mit Markgraf Hans von Küstrin
und andern Fürsten in Torgau Mai 1551) Ware» am kaiserlichen Hofe nicht
unbemerkt geblieben. So kam es für ihn darauf an, einen möglichst entlegnen
und verschwiegnen Ort zu finden, wo das werdende Einverständnis der Fürsten
übereinander und mit dem Auslande, namentlich mit Frankreich, zum Offensiv-
bündnis verdichtet werden könnte. Dazu wählte er die Lochau. So ritten
denn im September 1551 die beteiligten Fürsten und Räte, als ob es sich
»in die gewöhnliche Herbstjagd handle, ohne alles Gepränge in Lochau ein;
es waren außer dem Kurfürsten Moritz der Markgraf Hans von Küstrin, zu¬
gleich mit deu Vollmachten Albrechts von Preußen und Heinrichs von Mecklen¬
burg, ferner die Räte Schachten und Bing für den Landgrafen Wilhelm von
Hessen und endlich als Bevollmächtigter Heinrichs II. vou Frankreich Johann
de Fresse (Fraxincus), Bischof von Bayonne. Er kam sicherlich unter falschem
Namen und in irgend einer Verkleidung; denn daß der Kurfürst einen Ab¬
gesandten des französischen Königs beherberge, das durften weder die Hof¬
dienerschaft noch die Bürger des Städtchens erfahren.
Es kamen nun bewegte Zeiten für Schloß und Heide: am Tage erscholl
- das Hifthorn und das Kläffen der Meute um die alten Mauer.,, am Abend
aber sahen sie die geheimen Beratungen in ihrem Innern. Stürmisch genug
gings dabei her. wenn der Wein die Köpfe erhitzte, zumal zwischen dem Kur¬
fürsten Moritz und den. Markgrafen Hans: der Geist der neuen und der Geist
der alten Zeit standen sich in diesen beiden gegenüber. Moritz, der hnmamstisch
"ut - im guten Sinne des Wortes - macchiavellistisch gebildete Politiker
der die beengenden Fesseln mittelalterlicher Vasallentreue und tue Emsigkeit
eines rein religiöse,. Standpunkts überwunden hatte, stellte die Erledigung
seines gefangnen Schwiegervaters, die fürstliche Libertät und die nationale
Freiheit in den Vordergrund, der andre, ausgestattet in,t all der Biederkeit,
aber auch mit allen den Fehlern der Schmalkaldner, wollte nur für den pro¬
testantischen Glanben das Schwert ziehn; der eine war für eine schnelle und schnei¬
dige Offensive, der andre für eine schwächliche Defensive. So gene en alle hoher
^reichten Resultate währeud der zehntägigen Lochaner Verhandlungen wieder
ins Wanken, „denn der Teufel hatte, wo er gekonnt und gemocht, seine
Grenzboten 1 1902
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