Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.Die PapyrilsschAtze Ägyptens Masse der Papyri am besten in zwei Teile, in die litterarischen Texte und in Für den Historiker sind besonders die Urkunden von Bedeutung, die sich Die PapyrilsschAtze Ägyptens Masse der Papyri am besten in zwei Teile, in die litterarischen Texte und in Für den Historiker sind besonders die Urkunden von Bedeutung, die sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0155" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236679"/> <fw type="header" place="top"> Die PapyrilsschAtze Ägyptens</fw><lb/> <p xml:id="ID_518" prev="#ID_517"> Masse der Papyri am besten in zwei Teile, in die litterarischen Texte und in<lb/> solche, die das praktische und das gesellschaftliche Leben der Ptolemüerzeit und<lb/> der römischen Kaiserzeit betreffen. Werfen wir zunächst einen Blick auf die<lb/> zweite, der Zahl nach natürlich weitaus am stärksten vertretne Klasse. In<lb/> alle Lebensverhältnisse dieser durch Schriftsteller verhältnismäßig weniger be¬<lb/> kannt gewordnen Zeiten, von den naiven Äußerungen der Kinderstube und der<lb/> Elementarschule bis hinauf zu den Staats- und Reichsgesetzen und den Kund¬<lb/> gebungen wichtiger historischer Persönlichkeiten weihen uns die Schriftstücke,<lb/> gleichsam als lebendige Zeugen jener Jahrhunderte, ein. Zunächst enthalten<lb/> die Sammlungen der englischen Gelehrten — aus diesen ist die Mehrzahl der<lb/> im folgenden angeführten Beispiele entnommen — eine Reihe von Briefen<lb/> und andern Gelegenheitsschriften. Einige sind recht heitern Inhalts. So ein<lb/> von einem Knaben geschriebner Brief, worin der Verfasser seinem Vater bittere<lb/> Vorwürfe macht, daß er ihn nicht mit auf die Reise nach Alexandria genommen<lb/> habe. Wenn du mir nicht wenigstens etwas Schönes schickst, so droht der<lb/> Schlingel, der mit Grammatik und Rechtschreibung offenbar auf gespanntem<lb/> Fuße steht, „dann schreibe ich dich nicht und spreche nicht mehr mit dich."<lb/> Von einem Knaben rührt auch ein Schriftstück her, das nach dem Diktat des<lb/> Lehrers geschrieben zu sein scheint und ebenfalls voll von ergötzlichen Schülcr-<lb/> fehlern ist. Auch verschiedne Einladungskarten zu Gastmählern kommen vor,<lb/> aus denen man ersieht, daß derartige Festlichkeiten in Oxyrhynchas schon um drei<lb/> Uhr nachmittags zu beginnen pflegten. Ein weiterer Brief enthält Ermahnungen<lb/> einer Mutter ein ihren Sohn, und wieder in einem andern beklagt sich ein<lb/> Bater seinem Sohne gegenüber, daß er die Steuer für eine Zisterne nicht er¬<lb/> schwingen könne. Ein höherer Offizier, der ein Kommando nach Arabien<lb/> zum Einfangen wilder Tiere erhalten hat, bedankt sich bei seinen: Vorgesetzten<lb/> für ein Geschenk, das ihm in der Wüste zu den Saturnalien sehr willkommen<lb/> gewesen ist, und sendet zugleich ein Gegengabe. Geschichtlich interessant ist<lb/> ein Schreiben aus dem zweiten Jahrhundert, denn es ist als die Kopie eines<lb/> Briefs des Kaisers Hndrian an Antoninus festgestellt worden. Der Kaiser er¬<lb/> geht sich darin in Betrachtungen über sein bevorstehendes Lebensende (er starb<lb/> ^38), dem er mit Ergebung entgegensieht, indem er unter anderm die Länge<lb/> seines eignen Lebens mit der kurzen Lebensdauer seiner Eltern vergleicht.<lb/> Andre Briefe und Schriftstücke aus dem Familien- und Geschäftsleben der<lb/> Ptolemüerzeit, den Flinders Peerie-Papyris entnommen, teilt U. v. Wilamowitz<lb/> w seinen kürzlich erschienenen Reden und Vorträgen Seite 224 ff. in Über¬<lb/> setzung mit.</p><lb/> <p xml:id="ID_519" next="#ID_520"> Für den Historiker sind besonders die Urkunden von Bedeutung, die sich<lb/> auf die Staats-, die Gemeinde- und die Tempelverwaltung beziehn. So lehren<lb/> uns, wie U, Wilcken festgestellt hat, die erhaltnen Tagebücher der römischen<lb/> Prüfekten, Epistmtegen und Strategen, wie die offiziellen Amtsakten der<lb/> römischen Beamten geführt wurden, wie z. B. bei Besichtigungsreisen die Amts¬<lb/> handlungen jedes Tages genau gebucht wurden. Eine Reihe andrer Urkunden<lb/> bringt den Nachweis, daß in Ägypten wohl seit der Zeit des Augustus aller<lb/> vierzehn Jahre eine Volkszählung stattfand, die einmal Rekrutiernngszwecken</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0155]
Die PapyrilsschAtze Ägyptens
Masse der Papyri am besten in zwei Teile, in die litterarischen Texte und in
solche, die das praktische und das gesellschaftliche Leben der Ptolemüerzeit und
der römischen Kaiserzeit betreffen. Werfen wir zunächst einen Blick auf die
zweite, der Zahl nach natürlich weitaus am stärksten vertretne Klasse. In
alle Lebensverhältnisse dieser durch Schriftsteller verhältnismäßig weniger be¬
kannt gewordnen Zeiten, von den naiven Äußerungen der Kinderstube und der
Elementarschule bis hinauf zu den Staats- und Reichsgesetzen und den Kund¬
gebungen wichtiger historischer Persönlichkeiten weihen uns die Schriftstücke,
gleichsam als lebendige Zeugen jener Jahrhunderte, ein. Zunächst enthalten
die Sammlungen der englischen Gelehrten — aus diesen ist die Mehrzahl der
im folgenden angeführten Beispiele entnommen — eine Reihe von Briefen
und andern Gelegenheitsschriften. Einige sind recht heitern Inhalts. So ein
von einem Knaben geschriebner Brief, worin der Verfasser seinem Vater bittere
Vorwürfe macht, daß er ihn nicht mit auf die Reise nach Alexandria genommen
habe. Wenn du mir nicht wenigstens etwas Schönes schickst, so droht der
Schlingel, der mit Grammatik und Rechtschreibung offenbar auf gespanntem
Fuße steht, „dann schreibe ich dich nicht und spreche nicht mehr mit dich."
Von einem Knaben rührt auch ein Schriftstück her, das nach dem Diktat des
Lehrers geschrieben zu sein scheint und ebenfalls voll von ergötzlichen Schülcr-
fehlern ist. Auch verschiedne Einladungskarten zu Gastmählern kommen vor,
aus denen man ersieht, daß derartige Festlichkeiten in Oxyrhynchas schon um drei
Uhr nachmittags zu beginnen pflegten. Ein weiterer Brief enthält Ermahnungen
einer Mutter ein ihren Sohn, und wieder in einem andern beklagt sich ein
Bater seinem Sohne gegenüber, daß er die Steuer für eine Zisterne nicht er¬
schwingen könne. Ein höherer Offizier, der ein Kommando nach Arabien
zum Einfangen wilder Tiere erhalten hat, bedankt sich bei seinen: Vorgesetzten
für ein Geschenk, das ihm in der Wüste zu den Saturnalien sehr willkommen
gewesen ist, und sendet zugleich ein Gegengabe. Geschichtlich interessant ist
ein Schreiben aus dem zweiten Jahrhundert, denn es ist als die Kopie eines
Briefs des Kaisers Hndrian an Antoninus festgestellt worden. Der Kaiser er¬
geht sich darin in Betrachtungen über sein bevorstehendes Lebensende (er starb
^38), dem er mit Ergebung entgegensieht, indem er unter anderm die Länge
seines eignen Lebens mit der kurzen Lebensdauer seiner Eltern vergleicht.
Andre Briefe und Schriftstücke aus dem Familien- und Geschäftsleben der
Ptolemüerzeit, den Flinders Peerie-Papyris entnommen, teilt U. v. Wilamowitz
w seinen kürzlich erschienenen Reden und Vorträgen Seite 224 ff. in Über¬
setzung mit.
Für den Historiker sind besonders die Urkunden von Bedeutung, die sich
auf die Staats-, die Gemeinde- und die Tempelverwaltung beziehn. So lehren
uns, wie U, Wilcken festgestellt hat, die erhaltnen Tagebücher der römischen
Prüfekten, Epistmtegen und Strategen, wie die offiziellen Amtsakten der
römischen Beamten geführt wurden, wie z. B. bei Besichtigungsreisen die Amts¬
handlungen jedes Tages genau gebucht wurden. Eine Reihe andrer Urkunden
bringt den Nachweis, daß in Ägypten wohl seit der Zeit des Augustus aller
vierzehn Jahre eine Volkszählung stattfand, die einmal Rekrutiernngszwecken
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