Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Umgestaltung der Wasserwirtschaft

müssen. Es liegt nun der Gedanke nahe, die Errichtung solcher Nutzwasser¬
becken von Fall zu Fall durch Zusammenschließnng der Beteiligten zu freien
"der Zwangsgenossenschaften anzustreben. Man hat nach dieser Richtung z. B.
einige Vorgänge in den schon erwähnten in Rheinland und Westfalen in den
letzten zehn Jahren entstandnen Thalsperranlagen, zu deren Erleichtereng
unterm 19. Mai 1891, zunächst für die Wupper, ein Svndergesetz im Anschlllß
an das preußische Wassergenossenschaftsgesetz vom 1. April 1879 erlassen wurde.
Dieses Gesetz ist später durch ein besondres Gesetz unverändert auf einzelne
weitere Flußgebiete übertragen wordeu. Es ist jedoch sehr zweifelhaft, ob sich
dieses Soudcrgesetz in seiner Verallgemeinerung überall bewähren würde. Ein
sehr wesentlicher Umstand ist darin durchaus nicht zureichend berücksichtigt
worden, nämlich die Finanzierbarkeit der Gcnossenschaftsunternehnitingeu. Wohl
mag die Erkenntnis der Verbesserungsfähigkeit eines Wasserlaufs bei allen
Anliegern durchgedrungen sein und sie für die Bildung einer Genossenschaft
zur Anlegung und Nutzbarmachung größerer Nückstanwerkc geneigt machen,
die Ausführung kann aber doch ganz unmöglich sein, weil den Ufer- und
Triebwcrkbesitzern in der Regel größere Finanzmittel fast gänzlich fehlen. Die
hier in Frage kommenden Unternehmungen beanspruchen schon in der Vor¬
bereitung große Summen, die zunächst unverzinst bleiben. Die schließliche
Durchführung der genehmigten Projekte erfordert aber noch viel größere
Kapitalien, die sich meistens ans mehrere Millionen Mark belaufen, und die
regelmäßig auf mehrere Jahre während des Baus und der Einrichtung der
Betriebsanlagen gleichfalls zinslos sind. Um über die Schwierigkeiten der
Geldbeschaffung hinwegzukommen, erscheint es nnumgünglich, die Ausnahme
fiuanzkräftiger Bau- und Betriebsgesellschafteu in die Genossenschaften zu er¬
lauben.")

Die Wafsergenossenschaftsgesetze nud auch das preußische Soudcrgesetz vom
19. Mai 1891 sehe" einen Beitrittszwang gegen widersprechende Eigentümer
der bei dem Unternehmen zu beteiligenden gewerblichen Anlagen vor; es könnte
deshalb eingewandt werden, daß durch die Zulassung von Aktiengesellschaften
als Genossen insofern Hörten entstehn würden, als die rechnnngsmäßig aus
diese Gesellschaften entfallenden Vorteile die der einzelnen unbeteiligten Mühlen
und sonstigen Triebwerke bei weitem übersteigen würden, und daß somit der
Einfluß dieser durch den der Gesellschaft zu sehr eingeengt würde. Dieser Ein¬
Wurf ist gewiß der größten Beachtung wert. Allerdings ist nach dieser Rich¬
tung hin eine nicht zu unterschätzende Sicherheit dadurch geboten, daß jede
Genossenschaft nur auf ein Wohl erwognes, amtlich eingehend geprüftes Statut
begründet werden kann, worin der Beteiligungsmaßstab und das Stimmver¬
hältnis klar vereinbart sein müssen, und das zugleich einen genauen Ban- und



*) Vergl. den vom Verfasser im Jahre 1897 bearbeiteten Gesetzentwurf wegen Abänderung
und Ergänzung des! preußischen Gesetzes betreffend Bildung von Wnssergenossenschaften nebst
Begründung.
Zur Umgestaltung der Wasserwirtschaft

müssen. Es liegt nun der Gedanke nahe, die Errichtung solcher Nutzwasser¬
becken von Fall zu Fall durch Zusammenschließnng der Beteiligten zu freien
»der Zwangsgenossenschaften anzustreben. Man hat nach dieser Richtung z. B.
einige Vorgänge in den schon erwähnten in Rheinland und Westfalen in den
letzten zehn Jahren entstandnen Thalsperranlagen, zu deren Erleichtereng
unterm 19. Mai 1891, zunächst für die Wupper, ein Svndergesetz im Anschlllß
an das preußische Wassergenossenschaftsgesetz vom 1. April 1879 erlassen wurde.
Dieses Gesetz ist später durch ein besondres Gesetz unverändert auf einzelne
weitere Flußgebiete übertragen wordeu. Es ist jedoch sehr zweifelhaft, ob sich
dieses Soudcrgesetz in seiner Verallgemeinerung überall bewähren würde. Ein
sehr wesentlicher Umstand ist darin durchaus nicht zureichend berücksichtigt
worden, nämlich die Finanzierbarkeit der Gcnossenschaftsunternehnitingeu. Wohl
mag die Erkenntnis der Verbesserungsfähigkeit eines Wasserlaufs bei allen
Anliegern durchgedrungen sein und sie für die Bildung einer Genossenschaft
zur Anlegung und Nutzbarmachung größerer Nückstanwerkc geneigt machen,
die Ausführung kann aber doch ganz unmöglich sein, weil den Ufer- und
Triebwcrkbesitzern in der Regel größere Finanzmittel fast gänzlich fehlen. Die
hier in Frage kommenden Unternehmungen beanspruchen schon in der Vor¬
bereitung große Summen, die zunächst unverzinst bleiben. Die schließliche
Durchführung der genehmigten Projekte erfordert aber noch viel größere
Kapitalien, die sich meistens ans mehrere Millionen Mark belaufen, und die
regelmäßig auf mehrere Jahre während des Baus und der Einrichtung der
Betriebsanlagen gleichfalls zinslos sind. Um über die Schwierigkeiten der
Geldbeschaffung hinwegzukommen, erscheint es nnumgünglich, die Ausnahme
fiuanzkräftiger Bau- und Betriebsgesellschafteu in die Genossenschaften zu er¬
lauben.")

Die Wafsergenossenschaftsgesetze nud auch das preußische Soudcrgesetz vom
19. Mai 1891 sehe» einen Beitrittszwang gegen widersprechende Eigentümer
der bei dem Unternehmen zu beteiligenden gewerblichen Anlagen vor; es könnte
deshalb eingewandt werden, daß durch die Zulassung von Aktiengesellschaften
als Genossen insofern Hörten entstehn würden, als die rechnnngsmäßig aus
diese Gesellschaften entfallenden Vorteile die der einzelnen unbeteiligten Mühlen
und sonstigen Triebwerke bei weitem übersteigen würden, und daß somit der
Einfluß dieser durch den der Gesellschaft zu sehr eingeengt würde. Dieser Ein¬
Wurf ist gewiß der größten Beachtung wert. Allerdings ist nach dieser Rich¬
tung hin eine nicht zu unterschätzende Sicherheit dadurch geboten, daß jede
Genossenschaft nur auf ein Wohl erwognes, amtlich eingehend geprüftes Statut
begründet werden kann, worin der Beteiligungsmaßstab und das Stimmver¬
hältnis klar vereinbart sein müssen, und das zugleich einen genauen Ban- und



*) Vergl. den vom Verfasser im Jahre 1897 bearbeiteten Gesetzentwurf wegen Abänderung
und Ergänzung des! preußischen Gesetzes betreffend Bildung von Wnssergenossenschaften nebst
Begründung.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0086" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235908"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Umgestaltung der Wasserwirtschaft</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_270" prev="#ID_269"> müssen. Es liegt nun der Gedanke nahe, die Errichtung solcher Nutzwasser¬<lb/>
becken von Fall zu Fall durch Zusammenschließnng der Beteiligten zu freien<lb/>
»der Zwangsgenossenschaften anzustreben. Man hat nach dieser Richtung z. B.<lb/>
einige Vorgänge in den schon erwähnten in Rheinland und Westfalen in den<lb/>
letzten zehn Jahren entstandnen Thalsperranlagen, zu deren Erleichtereng<lb/>
unterm 19. Mai 1891, zunächst für die Wupper, ein Svndergesetz im Anschlllß<lb/>
an das preußische Wassergenossenschaftsgesetz vom 1. April 1879 erlassen wurde.<lb/>
Dieses Gesetz ist später durch ein besondres Gesetz unverändert auf einzelne<lb/>
weitere Flußgebiete übertragen wordeu. Es ist jedoch sehr zweifelhaft, ob sich<lb/>
dieses Soudcrgesetz in seiner Verallgemeinerung überall bewähren würde. Ein<lb/>
sehr wesentlicher Umstand ist darin durchaus nicht zureichend berücksichtigt<lb/>
worden, nämlich die Finanzierbarkeit der Gcnossenschaftsunternehnitingeu. Wohl<lb/>
mag die Erkenntnis der Verbesserungsfähigkeit eines Wasserlaufs bei allen<lb/>
Anliegern durchgedrungen sein und sie für die Bildung einer Genossenschaft<lb/>
zur Anlegung und Nutzbarmachung größerer Nückstanwerkc geneigt machen,<lb/>
die Ausführung kann aber doch ganz unmöglich sein, weil den Ufer- und<lb/>
Triebwcrkbesitzern in der Regel größere Finanzmittel fast gänzlich fehlen. Die<lb/>
hier in Frage kommenden Unternehmungen beanspruchen schon in der Vor¬<lb/>
bereitung große Summen, die zunächst unverzinst bleiben. Die schließliche<lb/>
Durchführung der genehmigten Projekte erfordert aber noch viel größere<lb/>
Kapitalien, die sich meistens ans mehrere Millionen Mark belaufen, und die<lb/>
regelmäßig auf mehrere Jahre während des Baus und der Einrichtung der<lb/>
Betriebsanlagen gleichfalls zinslos sind. Um über die Schwierigkeiten der<lb/>
Geldbeschaffung hinwegzukommen, erscheint es nnumgünglich, die Ausnahme<lb/>
fiuanzkräftiger Bau- und Betriebsgesellschafteu in die Genossenschaften zu er¬<lb/>
lauben.")</p><lb/>
          <p xml:id="ID_271" next="#ID_272"> Die Wafsergenossenschaftsgesetze nud auch das preußische Soudcrgesetz vom<lb/>
19. Mai 1891 sehe» einen Beitrittszwang gegen widersprechende Eigentümer<lb/>
der bei dem Unternehmen zu beteiligenden gewerblichen Anlagen vor; es könnte<lb/>
deshalb eingewandt werden, daß durch die Zulassung von Aktiengesellschaften<lb/>
als Genossen insofern Hörten entstehn würden, als die rechnnngsmäßig aus<lb/>
diese Gesellschaften entfallenden Vorteile die der einzelnen unbeteiligten Mühlen<lb/>
und sonstigen Triebwerke bei weitem übersteigen würden, und daß somit der<lb/>
Einfluß dieser durch den der Gesellschaft zu sehr eingeengt würde. Dieser Ein¬<lb/>
Wurf ist gewiß der größten Beachtung wert. Allerdings ist nach dieser Rich¬<lb/>
tung hin eine nicht zu unterschätzende Sicherheit dadurch geboten, daß jede<lb/>
Genossenschaft nur auf ein Wohl erwognes, amtlich eingehend geprüftes Statut<lb/>
begründet werden kann, worin der Beteiligungsmaßstab und das Stimmver¬<lb/>
hältnis klar vereinbart sein müssen, und das zugleich einen genauen Ban- und</p><lb/>
          <note xml:id="FID_17" place="foot"> *) Vergl. den vom Verfasser im Jahre 1897 bearbeiteten Gesetzentwurf wegen Abänderung<lb/>
und Ergänzung des! preußischen Gesetzes betreffend Bildung von Wnssergenossenschaften nebst<lb/>
Begründung.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0086] Zur Umgestaltung der Wasserwirtschaft müssen. Es liegt nun der Gedanke nahe, die Errichtung solcher Nutzwasser¬ becken von Fall zu Fall durch Zusammenschließnng der Beteiligten zu freien »der Zwangsgenossenschaften anzustreben. Man hat nach dieser Richtung z. B. einige Vorgänge in den schon erwähnten in Rheinland und Westfalen in den letzten zehn Jahren entstandnen Thalsperranlagen, zu deren Erleichtereng unterm 19. Mai 1891, zunächst für die Wupper, ein Svndergesetz im Anschlllß an das preußische Wassergenossenschaftsgesetz vom 1. April 1879 erlassen wurde. Dieses Gesetz ist später durch ein besondres Gesetz unverändert auf einzelne weitere Flußgebiete übertragen wordeu. Es ist jedoch sehr zweifelhaft, ob sich dieses Soudcrgesetz in seiner Verallgemeinerung überall bewähren würde. Ein sehr wesentlicher Umstand ist darin durchaus nicht zureichend berücksichtigt worden, nämlich die Finanzierbarkeit der Gcnossenschaftsunternehnitingeu. Wohl mag die Erkenntnis der Verbesserungsfähigkeit eines Wasserlaufs bei allen Anliegern durchgedrungen sein und sie für die Bildung einer Genossenschaft zur Anlegung und Nutzbarmachung größerer Nückstanwerkc geneigt machen, die Ausführung kann aber doch ganz unmöglich sein, weil den Ufer- und Triebwcrkbesitzern in der Regel größere Finanzmittel fast gänzlich fehlen. Die hier in Frage kommenden Unternehmungen beanspruchen schon in der Vor¬ bereitung große Summen, die zunächst unverzinst bleiben. Die schließliche Durchführung der genehmigten Projekte erfordert aber noch viel größere Kapitalien, die sich meistens ans mehrere Millionen Mark belaufen, und die regelmäßig auf mehrere Jahre während des Baus und der Einrichtung der Betriebsanlagen gleichfalls zinslos sind. Um über die Schwierigkeiten der Geldbeschaffung hinwegzukommen, erscheint es nnumgünglich, die Ausnahme fiuanzkräftiger Bau- und Betriebsgesellschafteu in die Genossenschaften zu er¬ lauben.") Die Wafsergenossenschaftsgesetze nud auch das preußische Soudcrgesetz vom 19. Mai 1891 sehe» einen Beitrittszwang gegen widersprechende Eigentümer der bei dem Unternehmen zu beteiligenden gewerblichen Anlagen vor; es könnte deshalb eingewandt werden, daß durch die Zulassung von Aktiengesellschaften als Genossen insofern Hörten entstehn würden, als die rechnnngsmäßig aus diese Gesellschaften entfallenden Vorteile die der einzelnen unbeteiligten Mühlen und sonstigen Triebwerke bei weitem übersteigen würden, und daß somit der Einfluß dieser durch den der Gesellschaft zu sehr eingeengt würde. Dieser Ein¬ Wurf ist gewiß der größten Beachtung wert. Allerdings ist nach dieser Rich¬ tung hin eine nicht zu unterschätzende Sicherheit dadurch geboten, daß jede Genossenschaft nur auf ein Wohl erwognes, amtlich eingehend geprüftes Statut begründet werden kann, worin der Beteiligungsmaßstab und das Stimmver¬ hältnis klar vereinbart sein müssen, und das zugleich einen genauen Ban- und *) Vergl. den vom Verfasser im Jahre 1897 bearbeiteten Gesetzentwurf wegen Abänderung und Ergänzung des! preußischen Gesetzes betreffend Bildung von Wnssergenossenschaften nebst Begründung.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/86
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/86>, abgerufen am 28.07.2024.