Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.lvrihnachto" vor Paris Aber Vater, fügte Karl, wo denkst du denn hin! Eenen, der lahm is, tan" Man soll sich grnndsätzlicherweisc nie ans die Seite eines Sohnes stellen, der Es blieb also dabei: Paul sah mehr wie "e Mädel" ans als Julius, und Das große Haus, wo Karl und Zeisig lagen, war, obgleich es mehr wie der Vermutlich -- bestimmt können wirs nicht sagen -- war das Grundstück in Wenn im ersten Stock des Hauptgebäudes drei Dnmmiche über den Korridor lvrihnachto» vor Paris Aber Vater, fügte Karl, wo denkst du denn hin! Eenen, der lahm is, tan» Man soll sich grnndsätzlicherweisc nie ans die Seite eines Sohnes stellen, der Es blieb also dabei: Paul sah mehr wie „e Mädel" ans als Julius, und Das große Haus, wo Karl und Zeisig lagen, war, obgleich es mehr wie der Vermutlich — bestimmt können wirs nicht sagen — war das Grundstück in Wenn im ersten Stock des Hauptgebäudes drei Dnmmiche über den Korridor <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0680" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236502"/> <fw type="header" place="top"> lvrihnachto» vor Paris</fw><lb/> <p xml:id="ID_2581"> Aber Vater, fügte Karl, wo denkst du denn hin! Eenen, der lahm is, tan»<lb/> doch unser Obcrscht nich branche», um 's gloobts uns ja ouch keener, der Panln<lb/> sieht: wie e Mädel sieht der dach wahrhaftigen Gattes nich ans.</p><lb/> <p xml:id="ID_2582"> Man soll sich grnndsätzlicherweisc nie ans die Seite eines Sohnes stellen, der<lb/> seine»! Vater widerspricht, aber unter uns gesagt das atlerallereinzigste mal<lb/> hatte Karl doch Recht: wie ein verkleidetes Mädchen sah Paul nicht ans: nur allein<lb/> die beiden uns der Schindelmühle in Aktion getretner Fäuste. Welche Großmagd<lb/> hätte etwas so ausgesprochen Männliches anzuweisen vermocht? Und nnn gar ein<lb/> Fräulein Pauline, eine Bäckermeisterstvchterfrenndin? Aber so sind »um einmal<lb/> Väter und ältere Hähne; sie denken, Söhnen und jünger» Leuten gegenüber<lb/> müssen sie Recht haben, und deshalb sah auch - Vater Hahn wollte das Karl<lb/> in allen, Ernst gesagt haben, und dabei sollte es ohne Widerrede bleiben — Punt<lb/> vielmehr wie „e Mndel" ans als Julius. Karl schwieg, und der neben ihm her¬<lb/> gehende Zeisig taumelte etwas zur Seite, weil er ans den „Gungs," den ihm der<lb/> Sohn des Recht behaltenden Vaters versetzt hatte, nicht vorbereitet gewesen war.</p><lb/> <p xml:id="ID_2583"> Es blieb also dabei: Paul sah mehr wie „e Mädel" ans als Julius, und<lb/> mau trat in das Haus, wo Karl und Zeisig in Quartier lagen, Vater und<lb/> Schwester Rosa wurden dem Stabskoch Herrn Hunger übergeben, und die übrige<lb/> Rasselbande eilte im Zotteltrabe davon, um von Claye alles, was Vater Hahn<lb/> mitgebracht hatte, „rüberzuschaffcn," ganz besonders aber die Stollen. Vielleicht<lb/> fand man dort auch eine Spur von Fräulein Pauline.</p><lb/> <p xml:id="ID_2584"> Das große Haus, wo Karl und Zeisig lagen, war, obgleich es mehr wie der<lb/> fürstliche Sitz einer gutartigen Zigcuuerhorde aussah, das Regimeutsstabsquartier,<lb/> und wer uns von denen, die darin verkehrt haben oder da eingnnrtiert gewesen<lb/> sind, einen topographisch much nur annähernd richtigen Grundplan seiner ver¬<lb/> schied um Stockwerke zu geben imstande wäre, dem würden wir nicht bloß herzlich<lb/> dankbar sein, sondern wir würden ihm sogar eine Prämie für hervorragenden<lb/> Ortssinn und ausgezeichnete Orientierungsgabe zu verschaffen suchen. Es war ein<lb/> Karawanserai, das mit seinen Gängen, Fluren, Treppen, Flügeln, Ställen, Schuppen<lb/> und Winkelgelassen jeder Beschreibung spottete und wie ein guter Schwamm viel,<lb/> viel mehr faßte, als man auf den ersten Blick geglaubt hätte. Wenn man sich er¬<lb/> kundigte, wohnte eigentlich immer jedermann dort, auch die Bankette des Offizier¬<lb/> korps, zu denen bisweilen auch als sehr beliebte Gäste die befreundete» Bomben-<lb/> schmeißer erschienen, wurden da abgehalten, in Lokalen, die wir immer nach der<lb/> einen Seite hin für absolut endlos gehalten haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2585"> Vermutlich — bestimmt können wirs nicht sagen — war das Grundstück in<lb/> guter alter Zeit ein Einkehr- und Ausspanuungshaus ,,im großen Stile" gewesen;<lb/> es lag an der Heerstraße und mochte zu Markt- und Wallfahrtszeiten „gerappelt"<lb/> voll gewesen sein, mehr noch als an diesen: 24. Dezember, wo doch einzelne<lb/> Offiziere, der Oberst an der Spitze, jeder sein eignes Zimmer darin hatten. Wen,<lb/> es uni deu Beweis zu thun gewesen wäre, daß es bei gewissen von der Vorsehung<lb/> im Punkte der Führung außerordentlich begnadigte» Truppen Hcrzensdisziplin<lb/> giebt, ohne daß für deren Einführung oder Erhaltung von irgend einer Seite<lb/> much n»r die mindeste Anstrengung gemacht wird, der hätte dieses seltene Erzeugnis<lb/> wahrhaft herzerfrischender Beziehungen zwischen Haupt und Gliedern in der alten<lb/> Ricsenspelnnke finden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_2586" next="#ID_2587"> Wenn im ersten Stock des Hauptgebäudes drei Dnmmiche über den Korridor<lb/> rasten, weil A irgendetwas mit B und C aufzutragen hatte, und diese es vor¬<lb/> gezogen hatten, den Austrag nicht abzuwarten, so konnte man dnrans rechnen, daß<lb/> der vernünftigste der drei, wen» sich die Jagd »»Versehens einer gewissen Thür<lb/> näherte, den beiden andern vorwurfsvoll zurufen würde: Ihr dummen L. .. . sah,<lb/> lcepst doch nich so, wo er drinne sitzt un liest. Er war dann niemand Geringeres<lb/> als der Oberst, „unser alter Obcrscht," und er saß auch wahrscheinlich „drinne"</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0680]
lvrihnachto» vor Paris
Aber Vater, fügte Karl, wo denkst du denn hin! Eenen, der lahm is, tan»
doch unser Obcrscht nich branche», um 's gloobts uns ja ouch keener, der Panln
sieht: wie e Mädel sieht der dach wahrhaftigen Gattes nich ans.
Man soll sich grnndsätzlicherweisc nie ans die Seite eines Sohnes stellen, der
seine»! Vater widerspricht, aber unter uns gesagt das atlerallereinzigste mal
hatte Karl doch Recht: wie ein verkleidetes Mädchen sah Paul nicht ans: nur allein
die beiden uns der Schindelmühle in Aktion getretner Fäuste. Welche Großmagd
hätte etwas so ausgesprochen Männliches anzuweisen vermocht? Und nnn gar ein
Fräulein Pauline, eine Bäckermeisterstvchterfrenndin? Aber so sind »um einmal
Väter und ältere Hähne; sie denken, Söhnen und jünger» Leuten gegenüber
müssen sie Recht haben, und deshalb sah auch - Vater Hahn wollte das Karl
in allen, Ernst gesagt haben, und dabei sollte es ohne Widerrede bleiben — Punt
vielmehr wie „e Mndel" ans als Julius. Karl schwieg, und der neben ihm her¬
gehende Zeisig taumelte etwas zur Seite, weil er ans den „Gungs," den ihm der
Sohn des Recht behaltenden Vaters versetzt hatte, nicht vorbereitet gewesen war.
Es blieb also dabei: Paul sah mehr wie „e Mädel" ans als Julius, und
mau trat in das Haus, wo Karl und Zeisig in Quartier lagen, Vater und
Schwester Rosa wurden dem Stabskoch Herrn Hunger übergeben, und die übrige
Rasselbande eilte im Zotteltrabe davon, um von Claye alles, was Vater Hahn
mitgebracht hatte, „rüberzuschaffcn," ganz besonders aber die Stollen. Vielleicht
fand man dort auch eine Spur von Fräulein Pauline.
Das große Haus, wo Karl und Zeisig lagen, war, obgleich es mehr wie der
fürstliche Sitz einer gutartigen Zigcuuerhorde aussah, das Regimeutsstabsquartier,
und wer uns von denen, die darin verkehrt haben oder da eingnnrtiert gewesen
sind, einen topographisch much nur annähernd richtigen Grundplan seiner ver¬
schied um Stockwerke zu geben imstande wäre, dem würden wir nicht bloß herzlich
dankbar sein, sondern wir würden ihm sogar eine Prämie für hervorragenden
Ortssinn und ausgezeichnete Orientierungsgabe zu verschaffen suchen. Es war ein
Karawanserai, das mit seinen Gängen, Fluren, Treppen, Flügeln, Ställen, Schuppen
und Winkelgelassen jeder Beschreibung spottete und wie ein guter Schwamm viel,
viel mehr faßte, als man auf den ersten Blick geglaubt hätte. Wenn man sich er¬
kundigte, wohnte eigentlich immer jedermann dort, auch die Bankette des Offizier¬
korps, zu denen bisweilen auch als sehr beliebte Gäste die befreundete» Bomben-
schmeißer erschienen, wurden da abgehalten, in Lokalen, die wir immer nach der
einen Seite hin für absolut endlos gehalten haben.
Vermutlich — bestimmt können wirs nicht sagen — war das Grundstück in
guter alter Zeit ein Einkehr- und Ausspanuungshaus ,,im großen Stile" gewesen;
es lag an der Heerstraße und mochte zu Markt- und Wallfahrtszeiten „gerappelt"
voll gewesen sein, mehr noch als an diesen: 24. Dezember, wo doch einzelne
Offiziere, der Oberst an der Spitze, jeder sein eignes Zimmer darin hatten. Wen,
es uni deu Beweis zu thun gewesen wäre, daß es bei gewissen von der Vorsehung
im Punkte der Führung außerordentlich begnadigte» Truppen Hcrzensdisziplin
giebt, ohne daß für deren Einführung oder Erhaltung von irgend einer Seite
much n»r die mindeste Anstrengung gemacht wird, der hätte dieses seltene Erzeugnis
wahrhaft herzerfrischender Beziehungen zwischen Haupt und Gliedern in der alten
Ricsenspelnnke finden können.
Wenn im ersten Stock des Hauptgebäudes drei Dnmmiche über den Korridor
rasten, weil A irgendetwas mit B und C aufzutragen hatte, und diese es vor¬
gezogen hatten, den Austrag nicht abzuwarten, so konnte man dnrans rechnen, daß
der vernünftigste der drei, wen» sich die Jagd »»Versehens einer gewissen Thür
näherte, den beiden andern vorwurfsvoll zurufen würde: Ihr dummen L. .. . sah,
lcepst doch nich so, wo er drinne sitzt un liest. Er war dann niemand Geringeres
als der Oberst, „unser alter Obcrscht," und er saß auch wahrscheinlich „drinne"
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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