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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Miquel und Leiinigft".

beiden Mitarbeitern Vismarcks lvird sein Ehrgeiz nur von der Sache getragen.
Deshalb wird eines die Miquelsche Finanzverwaltung wie die eines Colbert
und eines Walpole, doch ohne deren Flecken durch die Jahrhunderte strahlen.
Seine Rechnung war rein, rein bis zu dem Augenblick, wo sein Kaiser ihn
entließ, und rein bis zur letzte" Stunde, wo der Tod ihn verabschiedete.

Was konnte bei dieser Gelegenheit der Freund besseres vom Freunde
sagen, als die Wahrheit, die Wahrheit, die den einen ehrt wie den andern,
und die unter edel" Menschen der Freundschaft festester Kitt ist? Miqnel hat
niemals im Banne politischer Dogmen und Formeln gestanden, so laute" die
Worte, die Rudolf von Bennigsen dem verewigten Freunde ins Grabe hinein
nachgerufen hat. Worte der Freundschaft am Grabe, aber über dieses hinaus
fallen sie um so wuchtiger auf die Nachwelt, als sie keineswegs mit der Aus¬
schließlichkeit von dem gelten, der sie gesprochen hat, und weil sie deshalb als
das vollgiltigste Zeugnis für die Ehre dessen zu halten siud, dein zum Lobe
sie gesprochen wurden. Noch fügte Bennigsen hinzu: "Dazu war sei" Wissen
zu reich, zu umfassend, die lebhafte Phantasie seines Geistes viel zu bedeutend,
um in engen Schranken wohnen zu können. Das ist ihm vielfach zum Bor
Wurf gemacht worden, auch von seinen Freunden, namentlich als er Minister
geworden war."

Daß zu diesen politischen Freunden, die mit Miquels Annahme des
Ministerposte>?s nicht einverstanden waren, seiner Zeit auch Bennigsen gehört
hat, ist außer allem Zweifel. Vom rein menschlichen Standpunkt aus be¬
trachtet war das bedauerlich, politisch war es fast wie ein nationales Unglück.
Ob freilich mit dem Zusammenhalten der beideu die Fehler, die früher schon
verschuldet worden waren, wieder hätten gut gemacht werdeu können, ist eine
andre Frage. Nichtsdestoweniger wäre damit dem Zentrum sein Einbreche"
in die entscheidende politische Stellung schwerer gemacht worden.

Von dem Augenblick an, wo die beiden in die politische Arena eintreten,
gehören sie durch eine lange Reihe von Jahre" unzertrennlich zusammen. Der
eine tritt aus den Reihen des stolzen hannoverschen Adels in die bürgerliche
Opposition über, und der andre macht mit seiner Schrift über die Ausscheidung
des hannöverschen Kammerdomiinalgnts (Leipzig, 1862) jede Aussöhnung mit
der Negierung unmöglich. Als im Jahre 1859 mit dein Frieden von Villa-
franca Preußen wie auf dem Pariser Kongreß uach der Beendigung des Krim¬
kriegs beiseite geschoben werben sollte, und damit die Frage der deutschen
Einigung abermals in dem Staube der Frankfurter Biuidestagsakten vergraben
zu werden drohte, da riefen die beiden den deutschen Nationalverein ins Leben,
der mit noch nicht dagewesener Klarheit in seinem Programm der Politik
Bismarcks vorarbeitete. In dasselbe Kapitel gehört es, wenn Bennigsen im
Mai des Jahres 1866 seinen sogenannten Urantrag auf Anschluß Hannovers
an Preußen stellte, und einige Tage später sein Freund Miquel diesen ver¬
teidigte. Während der folgenden Jahre waren sie innerhalb und außerhalb
der Parlamente die eifrigsten und einflußreichsten Förderer der Bismarckischen
Absichten, und der Ausbau der Reichsgesetzgebung trägt vorzugsweise den
Charakter ihres Geistes.


Miquel und Leiinigft».

beiden Mitarbeitern Vismarcks lvird sein Ehrgeiz nur von der Sache getragen.
Deshalb wird eines die Miquelsche Finanzverwaltung wie die eines Colbert
und eines Walpole, doch ohne deren Flecken durch die Jahrhunderte strahlen.
Seine Rechnung war rein, rein bis zu dem Augenblick, wo sein Kaiser ihn
entließ, und rein bis zur letzte« Stunde, wo der Tod ihn verabschiedete.

Was konnte bei dieser Gelegenheit der Freund besseres vom Freunde
sagen, als die Wahrheit, die Wahrheit, die den einen ehrt wie den andern,
und die unter edel» Menschen der Freundschaft festester Kitt ist? Miqnel hat
niemals im Banne politischer Dogmen und Formeln gestanden, so laute» die
Worte, die Rudolf von Bennigsen dem verewigten Freunde ins Grabe hinein
nachgerufen hat. Worte der Freundschaft am Grabe, aber über dieses hinaus
fallen sie um so wuchtiger auf die Nachwelt, als sie keineswegs mit der Aus¬
schließlichkeit von dem gelten, der sie gesprochen hat, und weil sie deshalb als
das vollgiltigste Zeugnis für die Ehre dessen zu halten siud, dein zum Lobe
sie gesprochen wurden. Noch fügte Bennigsen hinzu: „Dazu war sei» Wissen
zu reich, zu umfassend, die lebhafte Phantasie seines Geistes viel zu bedeutend,
um in engen Schranken wohnen zu können. Das ist ihm vielfach zum Bor
Wurf gemacht worden, auch von seinen Freunden, namentlich als er Minister
geworden war."

Daß zu diesen politischen Freunden, die mit Miquels Annahme des
Ministerposte>?s nicht einverstanden waren, seiner Zeit auch Bennigsen gehört
hat, ist außer allem Zweifel. Vom rein menschlichen Standpunkt aus be¬
trachtet war das bedauerlich, politisch war es fast wie ein nationales Unglück.
Ob freilich mit dem Zusammenhalten der beideu die Fehler, die früher schon
verschuldet worden waren, wieder hätten gut gemacht werdeu können, ist eine
andre Frage. Nichtsdestoweniger wäre damit dem Zentrum sein Einbreche»
in die entscheidende politische Stellung schwerer gemacht worden.

Von dem Augenblick an, wo die beiden in die politische Arena eintreten,
gehören sie durch eine lange Reihe von Jahre» unzertrennlich zusammen. Der
eine tritt aus den Reihen des stolzen hannoverschen Adels in die bürgerliche
Opposition über, und der andre macht mit seiner Schrift über die Ausscheidung
des hannöverschen Kammerdomiinalgnts (Leipzig, 1862) jede Aussöhnung mit
der Negierung unmöglich. Als im Jahre 1859 mit dein Frieden von Villa-
franca Preußen wie auf dem Pariser Kongreß uach der Beendigung des Krim¬
kriegs beiseite geschoben werben sollte, und damit die Frage der deutschen
Einigung abermals in dem Staube der Frankfurter Biuidestagsakten vergraben
zu werden drohte, da riefen die beiden den deutschen Nationalverein ins Leben,
der mit noch nicht dagewesener Klarheit in seinem Programm der Politik
Bismarcks vorarbeitete. In dasselbe Kapitel gehört es, wenn Bennigsen im
Mai des Jahres 1866 seinen sogenannten Urantrag auf Anschluß Hannovers
an Preußen stellte, und einige Tage später sein Freund Miquel diesen ver¬
teidigte. Während der folgenden Jahre waren sie innerhalb und außerhalb
der Parlamente die eifrigsten und einflußreichsten Förderer der Bismarckischen
Absichten, und der Ausbau der Reichsgesetzgebung trägt vorzugsweise den
Charakter ihres Geistes.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/640>, abgerufen am 28.07.2024.