Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

findung ist er ja nicht. Auch in den bildenden Künsten wird denen, die nicht vom
Malen und Meißeln leben, bekanntlich gern das Mitreden verboten, in der Musik aber
stehen den "Gelehrten," die ruhige Kreise störe", nicht blos, die Praktiker gegen¬
über, sondern hinter ihnen stehn sehr häufig Verleger, die sich durch vorgeschlagne
oder versuchte Änderungen bedroht glauben. Derselbe Widerspruch, den der Re¬
dakteur gegen Chrysander erhebt, hat gegen Spittäh Auseinandersetzungen über
das Accompagnement bei Bach, hat gegen Guglcrs Don-Juan-Aufgabe seine Dienste
leisten müssen, er ist soeben wieder gegen Indus Urteil über Mozarts v-moll-
Messe ausgespielt worden und wird auch in der Zukunft noch so lange probiert
werden, als in den Kreisen der praktischen Musiker der Handwerlsslolz großer
ist als die Einsicht. Daß der Gegensatz nu und für sich nichtig ist, zeigt sich
auch dem Blindesten, sobald man'ihn auf die neue Musik überträgt. Der Re¬
dakteur selbst würde dagegen sein, daß man einen praktischen Musiker, weil er
Clenienti gut spielt, auch' ohne weiteres als Autorität in Lisztfragen hinnimmt
oder umgekehrt. Jedes Stück Kunst setzt ein Stück besondres Wissen voraus, und
dieses Spezialwisscu wird immer mit der zeitlichen Entfernung des betreffenden
Kunstgebieth wachsen müssen, damit also für ältere Zeiten dem hauptsächlich oder
ausschließlich mit neuerer Musik beschäftigten Praktiker gar nicht abzuverlangen
sein. Wie wir nun froh sind, daß wir über das Nibelungenlied nicht auf die aus
dem Stegreif gebildeten Ansichten etwa Edwin Bormanns oder Rudolf von Gott¬
schalks angewiesen sind, sondern eine Nibelungenwisseuschaft haben, so sollten auch
die Musiker dankbar sein, daß sich bedeutende Männer der Aufgabe gewidmet
haben, ihnen die Kunst eines Händel, eines S. Bach oder sonst eines Alten zu er¬
schließen. Es ist die erste Pflicht eines Praktikers, die Aufschlüsse solcher Forscher,
die selbstverständlich allemal auch Praktiker sein werden, sich redlich zu eigen zu
wachen; sind sie ihm nicht recht, so hat er sie ans den Quellen der betreffenden
Zeit zu widerlegen, aber nicht mit Bedenken, die lediglich ans modernem Gesichts¬
kreis geschöpft sind. Er wird selbst zum "Forscher" werden müssen und dabei
Wohl auch sehen, daß die richtige Forschung unwillkürlich dazu kommt, ihre Er¬
gebnisse in praktischer Form vorzulegen. Auf deutsch: wenn ich gefunden habe,
Händelschc Musik ist so und so aufgeführt worden, und ich will mit diesem Fund
denen nützen, zu denen ich spreche, so werde ich auch zeigen, wie sie heute auf¬
geführt werden muß. Daß der Forscher bei praktische" Einrichtungen endet, ist
somit eine einfache Konsequenz, und es ist ganz besonders rühmenswert, daß sie
Chrhsandcr am Schluß seiner Händelarbeit gezogen hat. In diese ganze Händel¬
arbeit trat Chrysander vor zwei Menschenaltern als erprobter praktischer Musiker ein,
und die ihn gekannt haben, wissen, daß er bis an sein Lebensende, obwohl er weder
stündet, gab, noch Takt schlug, Musik, nicht nur alte, auch praktisch getrieben hat.
Findet dennoch ein unter obigen Voraussetzungen kompetenter Beurteiler, daß Chrysander
Fehler gemacht hat, so schmälert das den Grundwert seiner Einrichtungen nicht. That¬
sächlich sind zahlreiche Musiker auf seiue Seite getreten, die es auch als Praktiker
wohl mit unserm Redakteur und seinen Gesinnungsgenossen aufzunehmen vermöge".

Es liegt im Interesse der deutschen Musik, daß sich die Zahl der Praktiker,
die auch eine tiefere wissenschaftliche, insbesondre geschichtliche Bildung haben, stark
vermehrt, und dazu sind angenblicklich verheißende Anfänge vorhanden. Alusbrüche
des souveränen Unverstands werde" ihnen ernstlich nicht mehr schaden können, auch
das Schicksal von Chrysauders Händeleinrichtnngen wird von ihnen kaum berührt
werden. So oft sie aber wieder auftauchen, mag betont werden, daß der Gegensatz
von praktischen Musikern und Musilforschern nur besteht, soweit es sich um Abarten
der beiden Gruppen handelt. In Wirklichkeit giebt es der alten Musik gegenüber
heute nur unterrichtete und unwissende Musiker.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

findung ist er ja nicht. Auch in den bildenden Künsten wird denen, die nicht vom
Malen und Meißeln leben, bekanntlich gern das Mitreden verboten, in der Musik aber
stehen den „Gelehrten," die ruhige Kreise störe», nicht blos, die Praktiker gegen¬
über, sondern hinter ihnen stehn sehr häufig Verleger, die sich durch vorgeschlagne
oder versuchte Änderungen bedroht glauben. Derselbe Widerspruch, den der Re¬
dakteur gegen Chrysander erhebt, hat gegen Spittäh Auseinandersetzungen über
das Accompagnement bei Bach, hat gegen Guglcrs Don-Juan-Aufgabe seine Dienste
leisten müssen, er ist soeben wieder gegen Indus Urteil über Mozarts v-moll-
Messe ausgespielt worden und wird auch in der Zukunft noch so lange probiert
werden, als in den Kreisen der praktischen Musiker der Handwerlsslolz großer
ist als die Einsicht. Daß der Gegensatz nu und für sich nichtig ist, zeigt sich
auch dem Blindesten, sobald man'ihn auf die neue Musik überträgt. Der Re¬
dakteur selbst würde dagegen sein, daß man einen praktischen Musiker, weil er
Clenienti gut spielt, auch' ohne weiteres als Autorität in Lisztfragen hinnimmt
oder umgekehrt. Jedes Stück Kunst setzt ein Stück besondres Wissen voraus, und
dieses Spezialwisscu wird immer mit der zeitlichen Entfernung des betreffenden
Kunstgebieth wachsen müssen, damit also für ältere Zeiten dem hauptsächlich oder
ausschließlich mit neuerer Musik beschäftigten Praktiker gar nicht abzuverlangen
sein. Wie wir nun froh sind, daß wir über das Nibelungenlied nicht auf die aus
dem Stegreif gebildeten Ansichten etwa Edwin Bormanns oder Rudolf von Gott¬
schalks angewiesen sind, sondern eine Nibelungenwisseuschaft haben, so sollten auch
die Musiker dankbar sein, daß sich bedeutende Männer der Aufgabe gewidmet
haben, ihnen die Kunst eines Händel, eines S. Bach oder sonst eines Alten zu er¬
schließen. Es ist die erste Pflicht eines Praktikers, die Aufschlüsse solcher Forscher,
die selbstverständlich allemal auch Praktiker sein werden, sich redlich zu eigen zu
wachen; sind sie ihm nicht recht, so hat er sie ans den Quellen der betreffenden
Zeit zu widerlegen, aber nicht mit Bedenken, die lediglich ans modernem Gesichts¬
kreis geschöpft sind. Er wird selbst zum „Forscher" werden müssen und dabei
Wohl auch sehen, daß die richtige Forschung unwillkürlich dazu kommt, ihre Er¬
gebnisse in praktischer Form vorzulegen. Auf deutsch: wenn ich gefunden habe,
Händelschc Musik ist so und so aufgeführt worden, und ich will mit diesem Fund
denen nützen, zu denen ich spreche, so werde ich auch zeigen, wie sie heute auf¬
geführt werden muß. Daß der Forscher bei praktische» Einrichtungen endet, ist
somit eine einfache Konsequenz, und es ist ganz besonders rühmenswert, daß sie
Chrhsandcr am Schluß seiner Händelarbeit gezogen hat. In diese ganze Händel¬
arbeit trat Chrysander vor zwei Menschenaltern als erprobter praktischer Musiker ein,
und die ihn gekannt haben, wissen, daß er bis an sein Lebensende, obwohl er weder
stündet, gab, noch Takt schlug, Musik, nicht nur alte, auch praktisch getrieben hat.
Findet dennoch ein unter obigen Voraussetzungen kompetenter Beurteiler, daß Chrysander
Fehler gemacht hat, so schmälert das den Grundwert seiner Einrichtungen nicht. That¬
sächlich sind zahlreiche Musiker auf seiue Seite getreten, die es auch als Praktiker
wohl mit unserm Redakteur und seinen Gesinnungsgenossen aufzunehmen vermöge».

Es liegt im Interesse der deutschen Musik, daß sich die Zahl der Praktiker,
die auch eine tiefere wissenschaftliche, insbesondre geschichtliche Bildung haben, stark
vermehrt, und dazu sind angenblicklich verheißende Anfänge vorhanden. Alusbrüche
des souveränen Unverstands werde» ihnen ernstlich nicht mehr schaden können, auch
das Schicksal von Chrysauders Händeleinrichtnngen wird von ihnen kaum berührt
werden. So oft sie aber wieder auftauchen, mag betont werden, daß der Gegensatz
von praktischen Musikern und Musilforschern nur besteht, soweit es sich um Abarten
der beiden Gruppen handelt. In Wirklichkeit giebt es der alten Musik gegenüber
heute nur unterrichtete und unwissende Musiker.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0631" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236453"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2394" prev="#ID_2393"> findung ist er ja nicht. Auch in den bildenden Künsten wird denen, die nicht vom<lb/>
Malen und Meißeln leben, bekanntlich gern das Mitreden verboten, in der Musik aber<lb/>
stehen den &#x201E;Gelehrten," die ruhige Kreise störe», nicht blos, die Praktiker gegen¬<lb/>
über, sondern hinter ihnen stehn sehr häufig Verleger, die sich durch vorgeschlagne<lb/>
oder versuchte Änderungen bedroht glauben. Derselbe Widerspruch, den der Re¬<lb/>
dakteur gegen Chrysander erhebt, hat gegen Spittäh Auseinandersetzungen über<lb/>
das Accompagnement bei Bach, hat gegen Guglcrs Don-Juan-Aufgabe seine Dienste<lb/>
leisten müssen, er ist soeben wieder gegen Indus Urteil über Mozarts v-moll-<lb/>
Messe ausgespielt worden und wird auch in der Zukunft noch so lange probiert<lb/>
werden, als in den Kreisen der praktischen Musiker der Handwerlsslolz großer<lb/>
ist als die Einsicht. Daß der Gegensatz nu und für sich nichtig ist, zeigt sich<lb/>
auch dem Blindesten, sobald man'ihn auf die neue Musik überträgt. Der Re¬<lb/>
dakteur selbst würde dagegen sein, daß man einen praktischen Musiker, weil er<lb/>
Clenienti gut spielt, auch' ohne weiteres als Autorität in Lisztfragen hinnimmt<lb/>
oder umgekehrt. Jedes Stück Kunst setzt ein Stück besondres Wissen voraus, und<lb/>
dieses Spezialwisscu wird immer mit der zeitlichen Entfernung des betreffenden<lb/>
Kunstgebieth wachsen müssen, damit also für ältere Zeiten dem hauptsächlich oder<lb/>
ausschließlich mit neuerer Musik beschäftigten Praktiker gar nicht abzuverlangen<lb/>
sein. Wie wir nun froh sind, daß wir über das Nibelungenlied nicht auf die aus<lb/>
dem Stegreif gebildeten Ansichten etwa Edwin Bormanns oder Rudolf von Gott¬<lb/>
schalks angewiesen sind, sondern eine Nibelungenwisseuschaft haben, so sollten auch<lb/>
die Musiker dankbar sein, daß sich bedeutende Männer der Aufgabe gewidmet<lb/>
haben, ihnen die Kunst eines Händel, eines S. Bach oder sonst eines Alten zu er¬<lb/>
schließen. Es ist die erste Pflicht eines Praktikers, die Aufschlüsse solcher Forscher,<lb/>
die selbstverständlich allemal auch Praktiker sein werden, sich redlich zu eigen zu<lb/>
wachen; sind sie ihm nicht recht, so hat er sie ans den Quellen der betreffenden<lb/>
Zeit zu widerlegen, aber nicht mit Bedenken, die lediglich ans modernem Gesichts¬<lb/>
kreis geschöpft sind. Er wird selbst zum &#x201E;Forscher" werden müssen und dabei<lb/>
Wohl auch sehen, daß die richtige Forschung unwillkürlich dazu kommt, ihre Er¬<lb/>
gebnisse in praktischer Form vorzulegen. Auf deutsch: wenn ich gefunden habe,<lb/>
Händelschc Musik ist so und so aufgeführt worden, und ich will mit diesem Fund<lb/>
denen nützen, zu denen ich spreche, so werde ich auch zeigen, wie sie heute auf¬<lb/>
geführt werden muß. Daß der Forscher bei praktische» Einrichtungen endet, ist<lb/>
somit eine einfache Konsequenz, und es ist ganz besonders rühmenswert, daß sie<lb/>
Chrhsandcr am Schluß seiner Händelarbeit gezogen hat. In diese ganze Händel¬<lb/>
arbeit trat Chrysander vor zwei Menschenaltern als erprobter praktischer Musiker ein,<lb/>
und die ihn gekannt haben, wissen, daß er bis an sein Lebensende, obwohl er weder<lb/>
stündet, gab, noch Takt schlug, Musik, nicht nur alte, auch praktisch getrieben hat.<lb/>
Findet dennoch ein unter obigen Voraussetzungen kompetenter Beurteiler, daß Chrysander<lb/>
Fehler gemacht hat, so schmälert das den Grundwert seiner Einrichtungen nicht. That¬<lb/>
sächlich sind zahlreiche Musiker auf seiue Seite getreten, die es auch als Praktiker<lb/>
wohl mit unserm Redakteur und seinen Gesinnungsgenossen aufzunehmen vermöge».</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2395"> Es liegt im Interesse der deutschen Musik, daß sich die Zahl der Praktiker,<lb/>
die auch eine tiefere wissenschaftliche, insbesondre geschichtliche Bildung haben, stark<lb/>
vermehrt, und dazu sind angenblicklich verheißende Anfänge vorhanden. Alusbrüche<lb/>
des souveränen Unverstands werde» ihnen ernstlich nicht mehr schaden können, auch<lb/>
das Schicksal von Chrysauders Händeleinrichtnngen wird von ihnen kaum berührt<lb/>
werden. So oft sie aber wieder auftauchen, mag betont werden, daß der Gegensatz<lb/>
von praktischen Musikern und Musilforschern nur besteht, soweit es sich um Abarten<lb/>
der beiden Gruppen handelt. In Wirklichkeit giebt es der alten Musik gegenüber<lb/>
heute nur unterrichtete und unwissende Musiker.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0631] Maßgebliches und Unmaßgebliches findung ist er ja nicht. Auch in den bildenden Künsten wird denen, die nicht vom Malen und Meißeln leben, bekanntlich gern das Mitreden verboten, in der Musik aber stehen den „Gelehrten," die ruhige Kreise störe», nicht blos, die Praktiker gegen¬ über, sondern hinter ihnen stehn sehr häufig Verleger, die sich durch vorgeschlagne oder versuchte Änderungen bedroht glauben. Derselbe Widerspruch, den der Re¬ dakteur gegen Chrysander erhebt, hat gegen Spittäh Auseinandersetzungen über das Accompagnement bei Bach, hat gegen Guglcrs Don-Juan-Aufgabe seine Dienste leisten müssen, er ist soeben wieder gegen Indus Urteil über Mozarts v-moll- Messe ausgespielt worden und wird auch in der Zukunft noch so lange probiert werden, als in den Kreisen der praktischen Musiker der Handwerlsslolz großer ist als die Einsicht. Daß der Gegensatz nu und für sich nichtig ist, zeigt sich auch dem Blindesten, sobald man'ihn auf die neue Musik überträgt. Der Re¬ dakteur selbst würde dagegen sein, daß man einen praktischen Musiker, weil er Clenienti gut spielt, auch' ohne weiteres als Autorität in Lisztfragen hinnimmt oder umgekehrt. Jedes Stück Kunst setzt ein Stück besondres Wissen voraus, und dieses Spezialwisscu wird immer mit der zeitlichen Entfernung des betreffenden Kunstgebieth wachsen müssen, damit also für ältere Zeiten dem hauptsächlich oder ausschließlich mit neuerer Musik beschäftigten Praktiker gar nicht abzuverlangen sein. Wie wir nun froh sind, daß wir über das Nibelungenlied nicht auf die aus dem Stegreif gebildeten Ansichten etwa Edwin Bormanns oder Rudolf von Gott¬ schalks angewiesen sind, sondern eine Nibelungenwisseuschaft haben, so sollten auch die Musiker dankbar sein, daß sich bedeutende Männer der Aufgabe gewidmet haben, ihnen die Kunst eines Händel, eines S. Bach oder sonst eines Alten zu er¬ schließen. Es ist die erste Pflicht eines Praktikers, die Aufschlüsse solcher Forscher, die selbstverständlich allemal auch Praktiker sein werden, sich redlich zu eigen zu wachen; sind sie ihm nicht recht, so hat er sie ans den Quellen der betreffenden Zeit zu widerlegen, aber nicht mit Bedenken, die lediglich ans modernem Gesichts¬ kreis geschöpft sind. Er wird selbst zum „Forscher" werden müssen und dabei Wohl auch sehen, daß die richtige Forschung unwillkürlich dazu kommt, ihre Er¬ gebnisse in praktischer Form vorzulegen. Auf deutsch: wenn ich gefunden habe, Händelschc Musik ist so und so aufgeführt worden, und ich will mit diesem Fund denen nützen, zu denen ich spreche, so werde ich auch zeigen, wie sie heute auf¬ geführt werden muß. Daß der Forscher bei praktische» Einrichtungen endet, ist somit eine einfache Konsequenz, und es ist ganz besonders rühmenswert, daß sie Chrhsandcr am Schluß seiner Händelarbeit gezogen hat. In diese ganze Händel¬ arbeit trat Chrysander vor zwei Menschenaltern als erprobter praktischer Musiker ein, und die ihn gekannt haben, wissen, daß er bis an sein Lebensende, obwohl er weder stündet, gab, noch Takt schlug, Musik, nicht nur alte, auch praktisch getrieben hat. Findet dennoch ein unter obigen Voraussetzungen kompetenter Beurteiler, daß Chrysander Fehler gemacht hat, so schmälert das den Grundwert seiner Einrichtungen nicht. That¬ sächlich sind zahlreiche Musiker auf seiue Seite getreten, die es auch als Praktiker wohl mit unserm Redakteur und seinen Gesinnungsgenossen aufzunehmen vermöge». Es liegt im Interesse der deutschen Musik, daß sich die Zahl der Praktiker, die auch eine tiefere wissenschaftliche, insbesondre geschichtliche Bildung haben, stark vermehrt, und dazu sind angenblicklich verheißende Anfänge vorhanden. Alusbrüche des souveränen Unverstands werde» ihnen ernstlich nicht mehr schaden können, auch das Schicksal von Chrysauders Händeleinrichtnngen wird von ihnen kaum berührt werden. So oft sie aber wieder auftauchen, mag betont werden, daß der Gegensatz von praktischen Musikern und Musilforschern nur besteht, soweit es sich um Abarten der beiden Gruppen handelt. In Wirklichkeit giebt es der alten Musik gegenüber heute nur unterrichtete und unwissende Musiker.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/631
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/631>, abgerufen am 27.07.2024.