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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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wie Feuer in seiner Hand. Er wußte, wie unbarmherzig diese Menschen ihn ver¬
folgen würden, er ahnte, wie sie ihre Beute jahrelang langsam hinmartern würden.
Er kannte ihre Zähigkeit, und iwch einmal überlegte er den Kampf nach allen
Seiten. Aber es dauerte nicht lange, das; er wieder einiges Hornvieh aufgriff,
und zwar diesesmal eine größere Anzahl als zuerst. Das wiederholte sich wieder
und wieder. Jeden Tag hatte er das Hans voll fremder Tiere, die die Eigen¬
tümer nicht abholen wollten, und Sören mußte sich an den Dorfschulzen wende",
daß die Auslösung vor sich ging. Alle nur möglichen Kniffe und Schliche wurden
""gewandt, der Krieg war nun ans den Dünen im vollen Gang, und die Er¬
bitterung nahm zu.

Aber das Gesetz und der Schultheiß verlangten unerbittlich immer mehr Geld;
die Betrage liefen in die Höhe. Es mußte schließlich doch auf das Vieh auf¬
gepaßt werden, und so trat eine Art Waffenstillstand ein. Jede neue Festnahme
eines Stückes Vieh hatte wie ein Schlag gewirkt. Man stutzte, daß Sören es
wirklich wagte, allen die Spitze z" bieten. Aber jeder Schlag wirkte auch wie ein
Hieb ans einen Keil, der Sören von dem Kreise trennte, wo er doch von Rechts
wegen zu Hause war. Ohne daß man es ihm mitteilte, wurden in der Schnlfrage
Sitzungen abgehalten, und von da an wurde er vollständig von jeder Gemeinschaft
mit den Dunenbewohnern ausgeschlossen. Mit feindseligen und verleumderischen
Reden, die in jedermanns Munde waren, wurde er als ein Aussätziger gebrand¬
markt, den niemand berühren konnte, ohne selbst unrein zu werden. Den größten
Teil des Jahres glimmte die Feindseligkeit nur wie unter der Asche weiter, aber jeden
Herbst, sobald die letzte Garbe eingebracht war, flammte sie aufs neue empor.

Sören Branders Aussehen wurde ernst und wachsam, wie das eines Menschen,
der auf allen Seiten drohende Waffen auf sich gerichtet sieht, und aus den wenigen
Worten, die er sprach, klang allmählich mich seine düstere Seelenstimmung heraus.
Aber sicherer und fester nur bestand er ans seinem Recht, und mit jedem Tage
stählte sich sein Wille. Zuweilen überfielen ihn aber doch anch Zweifel. Trotz
all seiner Sorgfalt wollten die Bäume nicht recht gedeihen. Die Seenebel hüllten
sie in eisige Kälte, sodaß sie in dem kalten, nassen Sande schauderten; Trockenheit
sog ihnen den Saft aus, und scharfe Winde und Nachtfröste machten die Blätter
zusammenschrumpfen zur Zeit des Frühlingssprießens. Und all diese Feinde des
Wachstums verheerten auch das bischen Korn und Gras, das doch zum Lebens¬
unterhalt dienen sollte. Daß er überhaupt diese Acker noch bebauen mochte, deren
spärliche Halme Jahr um Jahr seine Ohnmacht verkündigten! Und alle seine Ver¬
besserungen und brodlosen Künste! Ach hätte er nur einen Fleck der fetten Erde
da drinnen im Lande, dann hätte er einen Boden, der es wert war, seine Kräfte
dafür einzusetzen -- aber dieser tote Dünensand, den man nun und nimmer zum
Leben erwecken konnte! Sollte denn alle seine Mühe in dieser endlosen Wüste
versickern? Sollte er nie über den unfruchtbaren, widerspenstigen Boden Herr
werden? Sollte sein Kampf mit einer Niederlage enden, und er schließlich dem
Spott der Menge preisgegeben werden?

Wenn seine Augen über die matt herabhängenden Zweige und die sonnver¬
brannter Weidestrecken hiuschweiften, schienen sie ihm das Zeichen des Todes an
s'es zu tragen und dem Untergang geweiht zu sein. In diesem Falle würde sicherlich
vieles andre auch mit untergehn, denn daran, das fühlte er, knüpften sich noch ganz
untre Werte als gewöhnlicher Verlust oder Gewinn. Hinter seinen Hecken und
Dämmen ging Sören ruhelos auf und ub, wie der Gefangne hinter seinem Gitter.

Eines Tages, als ihn diese Zweifel an seinem Lebenswerke wieder überfallen
hatten, setzte er sich in seiner Pflanzung auf eine Bank und sagte zu Ane, die
"eben ihm stand: Ach! -- ich bin so müde, so müde! - Ane traten die Thränen
in die Augen, als sie den leidenden Ausdruck seines Gesichts sah. Sie lehnte sich an
>h". Und als ihr Gesicht so dicht an dem seinigen war, da sah auch er, wie verblüht


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wie Feuer in seiner Hand. Er wußte, wie unbarmherzig diese Menschen ihn ver¬
folgen würden, er ahnte, wie sie ihre Beute jahrelang langsam hinmartern würden.
Er kannte ihre Zähigkeit, und iwch einmal überlegte er den Kampf nach allen
Seiten. Aber es dauerte nicht lange, das; er wieder einiges Hornvieh aufgriff,
und zwar diesesmal eine größere Anzahl als zuerst. Das wiederholte sich wieder
und wieder. Jeden Tag hatte er das Hans voll fremder Tiere, die die Eigen¬
tümer nicht abholen wollten, und Sören mußte sich an den Dorfschulzen wende»,
daß die Auslösung vor sich ging. Alle nur möglichen Kniffe und Schliche wurden
"«gewandt, der Krieg war nun ans den Dünen im vollen Gang, und die Er¬
bitterung nahm zu.

Aber das Gesetz und der Schultheiß verlangten unerbittlich immer mehr Geld;
die Betrage liefen in die Höhe. Es mußte schließlich doch auf das Vieh auf¬
gepaßt werden, und so trat eine Art Waffenstillstand ein. Jede neue Festnahme
eines Stückes Vieh hatte wie ein Schlag gewirkt. Man stutzte, daß Sören es
wirklich wagte, allen die Spitze z» bieten. Aber jeder Schlag wirkte auch wie ein
Hieb ans einen Keil, der Sören von dem Kreise trennte, wo er doch von Rechts
wegen zu Hause war. Ohne daß man es ihm mitteilte, wurden in der Schnlfrage
Sitzungen abgehalten, und von da an wurde er vollständig von jeder Gemeinschaft
mit den Dunenbewohnern ausgeschlossen. Mit feindseligen und verleumderischen
Reden, die in jedermanns Munde waren, wurde er als ein Aussätziger gebrand¬
markt, den niemand berühren konnte, ohne selbst unrein zu werden. Den größten
Teil des Jahres glimmte die Feindseligkeit nur wie unter der Asche weiter, aber jeden
Herbst, sobald die letzte Garbe eingebracht war, flammte sie aufs neue empor.

Sören Branders Aussehen wurde ernst und wachsam, wie das eines Menschen,
der auf allen Seiten drohende Waffen auf sich gerichtet sieht, und aus den wenigen
Worten, die er sprach, klang allmählich mich seine düstere Seelenstimmung heraus.
Aber sicherer und fester nur bestand er ans seinem Recht, und mit jedem Tage
stählte sich sein Wille. Zuweilen überfielen ihn aber doch anch Zweifel. Trotz
all seiner Sorgfalt wollten die Bäume nicht recht gedeihen. Die Seenebel hüllten
sie in eisige Kälte, sodaß sie in dem kalten, nassen Sande schauderten; Trockenheit
sog ihnen den Saft aus, und scharfe Winde und Nachtfröste machten die Blätter
zusammenschrumpfen zur Zeit des Frühlingssprießens. Und all diese Feinde des
Wachstums verheerten auch das bischen Korn und Gras, das doch zum Lebens¬
unterhalt dienen sollte. Daß er überhaupt diese Acker noch bebauen mochte, deren
spärliche Halme Jahr um Jahr seine Ohnmacht verkündigten! Und alle seine Ver¬
besserungen und brodlosen Künste! Ach hätte er nur einen Fleck der fetten Erde
da drinnen im Lande, dann hätte er einen Boden, der es wert war, seine Kräfte
dafür einzusetzen — aber dieser tote Dünensand, den man nun und nimmer zum
Leben erwecken konnte! Sollte denn alle seine Mühe in dieser endlosen Wüste
versickern? Sollte er nie über den unfruchtbaren, widerspenstigen Boden Herr
werden? Sollte sein Kampf mit einer Niederlage enden, und er schließlich dem
Spott der Menge preisgegeben werden?

Wenn seine Augen über die matt herabhängenden Zweige und die sonnver¬
brannter Weidestrecken hiuschweiften, schienen sie ihm das Zeichen des Todes an
s'es zu tragen und dem Untergang geweiht zu sein. In diesem Falle würde sicherlich
vieles andre auch mit untergehn, denn daran, das fühlte er, knüpften sich noch ganz
untre Werte als gewöhnlicher Verlust oder Gewinn. Hinter seinen Hecken und
Dämmen ging Sören ruhelos auf und ub, wie der Gefangne hinter seinem Gitter.

Eines Tages, als ihn diese Zweifel an seinem Lebenswerke wieder überfallen
hatten, setzte er sich in seiner Pflanzung auf eine Bank und sagte zu Ane, die
»eben ihm stand: Ach! — ich bin so müde, so müde! - Ane traten die Thränen
in die Augen, als sie den leidenden Ausdruck seines Gesichts sah. Sie lehnte sich an
>h». Und als ihr Gesicht so dicht an dem seinigen war, da sah auch er, wie verblüht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/617>, abgerufen am 27.07.2024.