Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.Böckttn richtige Stelle, in richtige Funktion und wirksamen Zusammenhang setzt, keine Daher kommt es doch, daß dem Uneingeweihten immer die Landschaft Böckttn richtige Stelle, in richtige Funktion und wirksamen Zusammenhang setzt, keine Daher kommt es doch, daß dem Uneingeweihten immer die Landschaft <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0488" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236310"/> <fw type="header" place="top"> Böckttn</fw><lb/> <p xml:id="ID_1838" prev="#ID_1837"> richtige Stelle, in richtige Funktion und wirksamen Zusammenhang setzt, keine<lb/> Perspektive, wenn er, wie wenig andre, dem Raum und der Form durch die<lb/> Farbe Ausdruck zu verleihen weiß, keine Komposition, wenn er Farben und<lb/> Tonmassen gegeneinander und zum Ganzen abwägt? Zeichnen sollte eigentlich<lb/> nichts weiter bedeuten als Projizieren der Form und des Raumes auf die<lb/> Fläche, mit dem dnrch die Kunstgewöhuung erleichterten Scheine des Runden,<lb/> Räumlichen, und wenn das Licht an seiner rechten Stelle sitzt, so ist das<lb/> Terrain — bei Vöcklin — auch ohne vorlaute Linienführung verständlich, aber<lb/> was die Schulmeister Zeichnen nennen, ist Prunken mit akademischer Nichtig¬<lb/> keit, die sich jeder Lnngweiler aneignen kann, „die mein Pudel auch lernen<lb/> kann," sagt Böcklin. Das mag ja alles seine Nichtigkeit haben, bis auf den<lb/> Pudel selbstverständlich, ändert aber kaum etwas daran, daß Böcklin als Fi¬<lb/> gurenzeichner nicht bloß unter Schulmeistern, sondern auch unter ganz unbe¬<lb/> fangnen Beobachtern, z. V. Freunden und Kennern der Tierwelt, anstößiger em¬<lb/> pfunden wird als mancher andre bedeutende Maler, d. h. als mancher von<lb/> denen, die nicht nur „Umrisse machten" und kolorierten, wie die „Nenaissance-<lb/> onkel," sondern die auch uach seiner Meinung wirklich zu malen verstanden,<lb/> wie die Holländer oder Rubens.</p><lb/> <p xml:id="ID_1839"> Daher kommt es doch, daß dem Uneingeweihten immer die Landschaft<lb/> (und das Meer!) das Liebste an Vöcklin ist, daß aber dann die Figuren, sobald<lb/> sie über den Wert und das Maß der Staffage hinausgehn, nicht selten heraus¬<lb/> fallen, durch Form und Stellung auffallen, ihn befremden, bis der Böcklin-<lb/> missionar kommt und ihm predigt, gerade so und nicht anders erfüllten sie die<lb/> Aufgabe, die ihnen der Meister zugedacht habe. Die große Menge in Floerkes<lb/> Sinne, zu der wir alle gehören, hat gegenüber der Gestaltenwelt Böcklins im<lb/> ganzen, d. h. wo er nicht ganz bestimmt andre Typen gewählt hat, die Em¬<lb/> pfindung von etwas Italienischem oder Antiken, das häufig in das reine Griechisch<lb/> umschlügt. Sie sagt sich dann wohl, das ist erklärlich bei einem Künstler,<lb/> der meist im Süden lebte, und weil man dort viel griechische Kunst sieht, anch<lb/> auf diese hingeführt wurde, aber sie wird diesen äußerlich Antikisierenden doch<lb/> nicht gerade innerlich als nordischen, germanischen Geist begreifen und begrüßen.<lb/> Im Kreise seiner Verehrer giebt man sich zwar neuerdings immer wieder die<lb/> größte Mühe, ihn auf seinen Bildern „so durchaus deutsch" zu finden, sinnend<lb/> und Sehnsucht weckend, er pflegt Todesgedanken, geht dem Schauerlichen<lb/> nach usw., aber diese Art von Romantik, die teils allgemein modern, teils nicht<lb/> einmal den alten italienischen Malern fremd ist, klingt doch nur selten bei ihm<lb/> ganz scharf durch. Deswegen und weil das Italienische für den Eindruck eines<lb/> Unbefangnen, der weniger denkt als sieht, bei ihm durchaus den Ton angiebt<lb/> und die Haltung bestimmt, hat man ja im Gegenteil schon oft auf Böcklin die<lb/> Formel „Renaissance der Renaissance" angewandt, ohne allen Vorwitz und nur<lb/> zur Erläuterung für die Unmündigen, um ihnen zu sagen, daß seine Kunst ohne<lb/> die Italiens und die der Alten nicht denkbar und eigentlich doch auch wohl<lb/> nur für solche, die Renaissance und Antike kennen, verständlich sei.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0488]
Böckttn
richtige Stelle, in richtige Funktion und wirksamen Zusammenhang setzt, keine
Perspektive, wenn er, wie wenig andre, dem Raum und der Form durch die
Farbe Ausdruck zu verleihen weiß, keine Komposition, wenn er Farben und
Tonmassen gegeneinander und zum Ganzen abwägt? Zeichnen sollte eigentlich
nichts weiter bedeuten als Projizieren der Form und des Raumes auf die
Fläche, mit dem dnrch die Kunstgewöhuung erleichterten Scheine des Runden,
Räumlichen, und wenn das Licht an seiner rechten Stelle sitzt, so ist das
Terrain — bei Vöcklin — auch ohne vorlaute Linienführung verständlich, aber
was die Schulmeister Zeichnen nennen, ist Prunken mit akademischer Nichtig¬
keit, die sich jeder Lnngweiler aneignen kann, „die mein Pudel auch lernen
kann," sagt Böcklin. Das mag ja alles seine Nichtigkeit haben, bis auf den
Pudel selbstverständlich, ändert aber kaum etwas daran, daß Böcklin als Fi¬
gurenzeichner nicht bloß unter Schulmeistern, sondern auch unter ganz unbe¬
fangnen Beobachtern, z. V. Freunden und Kennern der Tierwelt, anstößiger em¬
pfunden wird als mancher andre bedeutende Maler, d. h. als mancher von
denen, die nicht nur „Umrisse machten" und kolorierten, wie die „Nenaissance-
onkel," sondern die auch uach seiner Meinung wirklich zu malen verstanden,
wie die Holländer oder Rubens.
Daher kommt es doch, daß dem Uneingeweihten immer die Landschaft
(und das Meer!) das Liebste an Vöcklin ist, daß aber dann die Figuren, sobald
sie über den Wert und das Maß der Staffage hinausgehn, nicht selten heraus¬
fallen, durch Form und Stellung auffallen, ihn befremden, bis der Böcklin-
missionar kommt und ihm predigt, gerade so und nicht anders erfüllten sie die
Aufgabe, die ihnen der Meister zugedacht habe. Die große Menge in Floerkes
Sinne, zu der wir alle gehören, hat gegenüber der Gestaltenwelt Böcklins im
ganzen, d. h. wo er nicht ganz bestimmt andre Typen gewählt hat, die Em¬
pfindung von etwas Italienischem oder Antiken, das häufig in das reine Griechisch
umschlügt. Sie sagt sich dann wohl, das ist erklärlich bei einem Künstler,
der meist im Süden lebte, und weil man dort viel griechische Kunst sieht, anch
auf diese hingeführt wurde, aber sie wird diesen äußerlich Antikisierenden doch
nicht gerade innerlich als nordischen, germanischen Geist begreifen und begrüßen.
Im Kreise seiner Verehrer giebt man sich zwar neuerdings immer wieder die
größte Mühe, ihn auf seinen Bildern „so durchaus deutsch" zu finden, sinnend
und Sehnsucht weckend, er pflegt Todesgedanken, geht dem Schauerlichen
nach usw., aber diese Art von Romantik, die teils allgemein modern, teils nicht
einmal den alten italienischen Malern fremd ist, klingt doch nur selten bei ihm
ganz scharf durch. Deswegen und weil das Italienische für den Eindruck eines
Unbefangnen, der weniger denkt als sieht, bei ihm durchaus den Ton angiebt
und die Haltung bestimmt, hat man ja im Gegenteil schon oft auf Böcklin die
Formel „Renaissance der Renaissance" angewandt, ohne allen Vorwitz und nur
zur Erläuterung für die Unmündigen, um ihnen zu sagen, daß seine Kunst ohne
die Italiens und die der Alten nicht denkbar und eigentlich doch auch wohl
nur für solche, die Renaissance und Antike kennen, verständlich sei.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |