Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.Die Haltung der Prinzessin von Preußen in den Jcihren ^3^3 und ^3^9 lagen. So kam es, daß sie sich bei der liberalen Partei im Lande bald So trafen die Pariser Februarereignisse, der Sturz des Bürgerkönigs, Die Haltung der Prinzessin von Preußen in den Jcihren ^3^3 und ^3^9 lagen. So kam es, daß sie sich bei der liberalen Partei im Lande bald So trafen die Pariser Februarereignisse, der Sturz des Bürgerkönigs, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0419" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236241"/> <fw type="header" place="top"> Die Haltung der Prinzessin von Preußen in den Jcihren ^3^3 und ^3^9</fw><lb/> <p xml:id="ID_1588" prev="#ID_1587"> lagen. So kam es, daß sie sich bei der liberalen Partei im Lande bald<lb/> großer Popularität erfreute, ein Umstand, der dem König Ernst August von<lb/> Hannover Veranlassung gab, sie gelegentlich die „kleine Jakobinerin" zu<lb/> nennen. So widerwärtig und verabscheuungswürdig der gereiften Frau auch<lb/> alles erscheinen mußte, was an Revolution erinnerte, so entging doch ihrem<lb/> historisch geschulten Blicke keineswegs die der deutschen Bewegung anhaftende<lb/> nationale Tendenz. „Der Gedanke an Deutschlands Einheit, Freiheit und<lb/> Herrlichkeit erfüllte die ganze Seele Augustas mit glühender Leidenschaft."<lb/> Aber hiermit fand sie nur bei Wenigen verständnisvolles Entgegenkommen. Der<lb/> kühlen, besonnenen Denkungsart ihres Gemahls erschien diese Gesinnung zu¬<lb/> weilen sogar gefährlich, obwohl beide in der Beurteilung der durch das heillose<lb/> Schwanken der Negierung unhaltbar gewordnen politischen Lage einig waren.<lb/> Die schlimme Krisis, die über das alte Preußen hereinbrechen sollte, sah<lb/> Augusta mit prophetischem Blicke voraus. Aber ihrer Besorgnisse achtete niemand,<lb/> ja man lächelte wohl überlegen und mitleidig über die „Kassandra." Und doch<lb/> durfte die charaktervolle Frau nach Goethes Ausspruch „mitreden, denn sie<lb/> hatte etwas gelernt."</p><lb/> <p xml:id="ID_1589" next="#ID_1590"> So trafen die Pariser Februarereignisse, der Sturz des Bürgerkönigs,<lb/> die Berliner Mürzrevvlution die Prinzessin nicht unvorbereitet. Sie gehörte<lb/> zu den wenigen Persönlichkeiten, die in den furchtbaren Tagen uicht völlig<lb/> den Kopf verloren. Als das Menschengewühl in den Nnchnnttngsstunden des<lb/> 18. März auf den Straßen Berlins immer dichter und beängstigender wurde,<lb/> teilte sie ihrem Sohne und dessen anwesenden Lehrer, dem Mathematiker<lb/> Schellbach, in freudiger Erregung mit, der König habe eine Deputation em¬<lb/> pfangen, eine Verfassung versprochen, und alles werde noch gut werdeu. Bald<lb/> darauf eilte sie aus ihrem Palais „Unter den Linden" ins Schloß, wo Deputa¬<lb/> tionen aus Deputationen kamen und gingen. Auch als am 19. März wegen des<lb/> Abmarsches der Truppen beraten wurde, der ohne Frage auf eine von Arnim<lb/> veranlaßte, aber wohl mißverstandne oder unklare und dann von Bodelschwingh<lb/> in unbedachten, verhängnisvollen Eifer verbreitete Äußerung des Königs zurück¬<lb/> geführt werden muß, war sie zugegen. In der Mittagsstunde waren die Truppen<lb/> bis auf zwei im Schlosse als Besatzung zurückgebliebne Bataillone nicht nur von<lb/> den Straßen und Plätzen zurückgezogen, sondern hatten auch die Hauptstadt schon<lb/> verlassen. Tiefe Niedergeschlagenheit befiel alle Gemüter. Es fehlte in diesem<lb/> verhängnisvollen Augenblicke der große Mann, der tapfer zugriff, wo selbst der<lb/> König, körperlich und geistig erschöpft, versagte, der energisch und mit Umsicht<lb/> handelte, wo alle Welt verzagte. Da faßte sich endlich der junge Flügel-<lb/> ndjutant Rittmeister Edwin von Manteuffel ein Herz und riet dein gebeugten<lb/> König, unter dem Schutze der beiden Bataillone aus Berlin zu zieh». Der<lb/> Augenblick sei günstig, der Weg „Unter den Linden" zum Brandenburger Thor<lb/> sei frei, die überraschten Volksmassen ohne einheitliche Leitung, die Regimenter<lb/> noch in der nächsten Nähe und bereit, auf den ersten Alarmruf zum Schutze<lb/> de's gefährdeten Hoff herbeizueilen. In der That trafen der König und seine<lb/> Umgebung Anstalten, dem angesichts der nicht ungefährlichen Lage vielleicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0419]
Die Haltung der Prinzessin von Preußen in den Jcihren ^3^3 und ^3^9
lagen. So kam es, daß sie sich bei der liberalen Partei im Lande bald
großer Popularität erfreute, ein Umstand, der dem König Ernst August von
Hannover Veranlassung gab, sie gelegentlich die „kleine Jakobinerin" zu
nennen. So widerwärtig und verabscheuungswürdig der gereiften Frau auch
alles erscheinen mußte, was an Revolution erinnerte, so entging doch ihrem
historisch geschulten Blicke keineswegs die der deutschen Bewegung anhaftende
nationale Tendenz. „Der Gedanke an Deutschlands Einheit, Freiheit und
Herrlichkeit erfüllte die ganze Seele Augustas mit glühender Leidenschaft."
Aber hiermit fand sie nur bei Wenigen verständnisvolles Entgegenkommen. Der
kühlen, besonnenen Denkungsart ihres Gemahls erschien diese Gesinnung zu¬
weilen sogar gefährlich, obwohl beide in der Beurteilung der durch das heillose
Schwanken der Negierung unhaltbar gewordnen politischen Lage einig waren.
Die schlimme Krisis, die über das alte Preußen hereinbrechen sollte, sah
Augusta mit prophetischem Blicke voraus. Aber ihrer Besorgnisse achtete niemand,
ja man lächelte wohl überlegen und mitleidig über die „Kassandra." Und doch
durfte die charaktervolle Frau nach Goethes Ausspruch „mitreden, denn sie
hatte etwas gelernt."
So trafen die Pariser Februarereignisse, der Sturz des Bürgerkönigs,
die Berliner Mürzrevvlution die Prinzessin nicht unvorbereitet. Sie gehörte
zu den wenigen Persönlichkeiten, die in den furchtbaren Tagen uicht völlig
den Kopf verloren. Als das Menschengewühl in den Nnchnnttngsstunden des
18. März auf den Straßen Berlins immer dichter und beängstigender wurde,
teilte sie ihrem Sohne und dessen anwesenden Lehrer, dem Mathematiker
Schellbach, in freudiger Erregung mit, der König habe eine Deputation em¬
pfangen, eine Verfassung versprochen, und alles werde noch gut werdeu. Bald
darauf eilte sie aus ihrem Palais „Unter den Linden" ins Schloß, wo Deputa¬
tionen aus Deputationen kamen und gingen. Auch als am 19. März wegen des
Abmarsches der Truppen beraten wurde, der ohne Frage auf eine von Arnim
veranlaßte, aber wohl mißverstandne oder unklare und dann von Bodelschwingh
in unbedachten, verhängnisvollen Eifer verbreitete Äußerung des Königs zurück¬
geführt werden muß, war sie zugegen. In der Mittagsstunde waren die Truppen
bis auf zwei im Schlosse als Besatzung zurückgebliebne Bataillone nicht nur von
den Straßen und Plätzen zurückgezogen, sondern hatten auch die Hauptstadt schon
verlassen. Tiefe Niedergeschlagenheit befiel alle Gemüter. Es fehlte in diesem
verhängnisvollen Augenblicke der große Mann, der tapfer zugriff, wo selbst der
König, körperlich und geistig erschöpft, versagte, der energisch und mit Umsicht
handelte, wo alle Welt verzagte. Da faßte sich endlich der junge Flügel-
ndjutant Rittmeister Edwin von Manteuffel ein Herz und riet dein gebeugten
König, unter dem Schutze der beiden Bataillone aus Berlin zu zieh». Der
Augenblick sei günstig, der Weg „Unter den Linden" zum Brandenburger Thor
sei frei, die überraschten Volksmassen ohne einheitliche Leitung, die Regimenter
noch in der nächsten Nähe und bereit, auf den ersten Alarmruf zum Schutze
de's gefährdeten Hoff herbeizueilen. In der That trafen der König und seine
Umgebung Anstalten, dem angesichts der nicht ungefährlichen Lage vielleicht
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