Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.Übor das Krankt:nversich>!ruttgsi;esvtz Unsicherheit giebt, daS hakige von der Menge der Arbeitsgelegenheit im I" der Politik ist alles Gute des Besten Feind; alles mir Nützliche des Übor das Krankt:nversich>!ruttgsi;esvtz Unsicherheit giebt, daS hakige von der Menge der Arbeitsgelegenheit im I» der Politik ist alles Gute des Besten Feind; alles mir Nützliche des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0390" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236212"/> <fw type="header" place="top"> Übor das Krankt:nversich>!ruttgsi;esvtz</fw><lb/> <p xml:id="ID_1489" prev="#ID_1488"> Unsicherheit giebt, daS hakige von der Menge der Arbeitsgelegenheit im<lb/> Deutschen Reiche ab. Bleibt die Arbeitsgelegenheit so Annehmend reichlich,<lb/> wie sie jetzt ist, so wird der Verdienst des Arbeiters noch weiter über das not¬<lb/> dürftige Mindestmaß hinaufsteigen, als er jetzt schon steht. Wie reichlich sie<lb/> ist, das hängt von den Leistungen der deutschen Unternehmerschaft ab, der man<lb/> das beste zutrauen kaun, und von der Handels- und Gewerbepolitik, uicht aber<lb/> von der Sozialpolitik, Dem Arbeiter geht es bellte gut. Das beweisen auch<lb/> die enormen Summen, die er neben der Zwnngsversichernng noch für politische<lb/> und Gewerkschaftszwecke aufbringt, ohne darum in seinen Vergnügungen sehr<lb/> enthaltsam zu sein. Ist er auch heute unzufrieden, und stellt er dem Staate<lb/> seine sozialdemokratische Partei entgegen, so geschieht das nicht, weil es ihm<lb/> schlecht geht, sondern weil es ihm gut geht, weil sich die Arbeiter als Stand<lb/> fühlen, sich ihres Werth und ihrer Macht bewußt sind und sich eben mich an<lb/> den: Männerspiel der Politik beteiligen wolle». Das wäre ja an sich auch<lb/> ganz natürlich und durchaus lobenswert; es wird erst gefährlich, wenn sie in<lb/> ihrer Anmaßung so weit gehn, daß sie ihre Interessen, die Interessen der ge¬<lb/> werblichen Arbeiter mit denen des deutsche» Volks verwechseln und das deutsche<lb/> Volk nach ihrem Dogma regiere» wollen. Soweit sind wir noch nicht; aber<lb/> jedenfalls sind die deutschen Arbeiter keine in Not und Sorge erschöpften,<lb/> hilflosen Proletarier mehr. Damit ist im großen und ganzen das sozialpolitische<lb/> Ziel erreicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1490" next="#ID_1491"> I» der Politik ist alles Gute des Besten Feind; alles mir Nützliche des<lb/> Notwendige» Feind. Nur eins ist not, heißt es in jedem Augenblick der<lb/> Weltgeschichte. Am kleinen bescheidnen Erdendasein gemessen sind die Angen-<lb/> blicke der Weltgeschichte eine lange Zeit, ein Jahr vielleicht, oder auch fünf.<lb/> Aber in Wahrheit sind es doch Augenblicke, ein Ausschauen nnr, und schon ist<lb/> der Augenblick, wo man handeln konnte, handeln mußte, verloren. Ein Reichs¬<lb/> tag wird einberufen: darüber vergeht ein Vierteljahr. Er fängt an zu beraten:<lb/> wieder ist ein Vierteljahr herum. Er bewilligt allerlei nützliche Dinge: noch<lb/> ein Vierteljahr herum. Er fängt an über das Allernotwendigste zu reden, er<lb/> einigt sich nicht und geht nach Hause: ein Jahr ist herum. Wenn die Sonne<lb/> im nächsten Jahre wieder so hoch steht, kann ungeheuer viel in der Welt ge¬<lb/> schehn sein. Der Augenblick, wo ihr handeln wolltet und müßtet, gehört nnn<lb/> ewig der Vergangenheit an. Zum Beispiel in den Jahren 1848 bis 1850:<lb/> welche Jagd der Stimmungen, Pläne und Entschlüsse von der Wiener Revo¬<lb/> lution, dem schwarzrotgoldnen Preußen, der Paulskirche, der deutschen Kaiser¬<lb/> krone bis zum badischen Feldzug und der Reaktion! Oder in den Jahren von<lb/> 1806 bis 1815: in wie wenig Jahren kan» el» Volk aus der Ruhe des<lb/> Glücks in Schande und Elend, durch wirtschaftlichem Bankrott bis an sein<lb/> offnes Grab und durch schwere Kriege wieder hinauf auf eine gefährliche Hohe<lb/> gejagt werden. Wir Enkel freilich haben dreißig Jahre politischer Ruhe hinter<lb/> uns, wir glauben, daß die Zeit stille steht, und daß sie auf uns wartet. Wir<lb/> haben keine Vorstellung mehr davon, daß in der Politik die Jahre wie im<lb/> Angenblick verrauschen. Was uns gefällt, unsre Liebhabereien, die treiben</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0390]
Übor das Krankt:nversich>!ruttgsi;esvtz
Unsicherheit giebt, daS hakige von der Menge der Arbeitsgelegenheit im
Deutschen Reiche ab. Bleibt die Arbeitsgelegenheit so Annehmend reichlich,
wie sie jetzt ist, so wird der Verdienst des Arbeiters noch weiter über das not¬
dürftige Mindestmaß hinaufsteigen, als er jetzt schon steht. Wie reichlich sie
ist, das hängt von den Leistungen der deutschen Unternehmerschaft ab, der man
das beste zutrauen kaun, und von der Handels- und Gewerbepolitik, uicht aber
von der Sozialpolitik, Dem Arbeiter geht es bellte gut. Das beweisen auch
die enormen Summen, die er neben der Zwnngsversichernng noch für politische
und Gewerkschaftszwecke aufbringt, ohne darum in seinen Vergnügungen sehr
enthaltsam zu sein. Ist er auch heute unzufrieden, und stellt er dem Staate
seine sozialdemokratische Partei entgegen, so geschieht das nicht, weil es ihm
schlecht geht, sondern weil es ihm gut geht, weil sich die Arbeiter als Stand
fühlen, sich ihres Werth und ihrer Macht bewußt sind und sich eben mich an
den: Männerspiel der Politik beteiligen wolle». Das wäre ja an sich auch
ganz natürlich und durchaus lobenswert; es wird erst gefährlich, wenn sie in
ihrer Anmaßung so weit gehn, daß sie ihre Interessen, die Interessen der ge¬
werblichen Arbeiter mit denen des deutsche» Volks verwechseln und das deutsche
Volk nach ihrem Dogma regiere» wollen. Soweit sind wir noch nicht; aber
jedenfalls sind die deutschen Arbeiter keine in Not und Sorge erschöpften,
hilflosen Proletarier mehr. Damit ist im großen und ganzen das sozialpolitische
Ziel erreicht.
I» der Politik ist alles Gute des Besten Feind; alles mir Nützliche des
Notwendige» Feind. Nur eins ist not, heißt es in jedem Augenblick der
Weltgeschichte. Am kleinen bescheidnen Erdendasein gemessen sind die Angen-
blicke der Weltgeschichte eine lange Zeit, ein Jahr vielleicht, oder auch fünf.
Aber in Wahrheit sind es doch Augenblicke, ein Ausschauen nnr, und schon ist
der Augenblick, wo man handeln konnte, handeln mußte, verloren. Ein Reichs¬
tag wird einberufen: darüber vergeht ein Vierteljahr. Er fängt an zu beraten:
wieder ist ein Vierteljahr herum. Er bewilligt allerlei nützliche Dinge: noch
ein Vierteljahr herum. Er fängt an über das Allernotwendigste zu reden, er
einigt sich nicht und geht nach Hause: ein Jahr ist herum. Wenn die Sonne
im nächsten Jahre wieder so hoch steht, kann ungeheuer viel in der Welt ge¬
schehn sein. Der Augenblick, wo ihr handeln wolltet und müßtet, gehört nnn
ewig der Vergangenheit an. Zum Beispiel in den Jahren 1848 bis 1850:
welche Jagd der Stimmungen, Pläne und Entschlüsse von der Wiener Revo¬
lution, dem schwarzrotgoldnen Preußen, der Paulskirche, der deutschen Kaiser¬
krone bis zum badischen Feldzug und der Reaktion! Oder in den Jahren von
1806 bis 1815: in wie wenig Jahren kan» el» Volk aus der Ruhe des
Glücks in Schande und Elend, durch wirtschaftlichem Bankrott bis an sein
offnes Grab und durch schwere Kriege wieder hinauf auf eine gefährliche Hohe
gejagt werden. Wir Enkel freilich haben dreißig Jahre politischer Ruhe hinter
uns, wir glauben, daß die Zeit stille steht, und daß sie auf uns wartet. Wir
haben keine Vorstellung mehr davon, daß in der Politik die Jahre wie im
Angenblick verrauschen. Was uns gefällt, unsre Liebhabereien, die treiben
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