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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Verfasser muß von der vorgeschlagnen Zusammenlegung auch gleich einen großen
Teil der bestehenden Körperschaften aufnehmen, nämlich die Betriebs-, Bau-,
Innungs- und Knappschaftskrankenkassen mit gewiß einem Drittel aller Ver¬
sicherten, Eine große und reiche Fabrik will ihren Arbeitern mehr Zuwendungen
machen, als die zentralisierte Kasse kann, sie hat schon ein Vermögen dazu
angesammelt. Darin darf sie nicht gestört werden. Zur Vereinigung bleiben
an einem gegebnen Orte übrig die Einzahl der Gemeindekrankenkasse und die
Vielzahl der Ortskrankenkassen, Der Verfasser ist nicht der Ansicht, daß die
Gemeindckrankenkasse die andern aufschlucken sollte. Er tadelt an ihr erstens
die Unzulänglichkeit der Leistungen und zweitens den Grundsatz, daß ihr Defizit
aus dem Gemcindeetat gedeckt wird.

Die Gemcindekmnkeukassen sind in vielen rein ländlichen Gegenden ge¬
wühlt worden, und zwar wegen ihrer geringen Leistungen, und weil das geringe
Interesse der Arbeitgeber und der Arbeiter die Verwaltungsmühen gern den vor-
handnen Gemeindebehörden überließ, Ihre Nachteile scheinen dort als Vorteile
gegolten zu haben.

Der Plan geht vielmehr dahin, daß die Gemeindeversicherung in der
großen gemeinsamen Ortskrankenkasse aufgehn soll. Aber die Verfassung der
Ortskrankenkasscn soll zu diesem Zwecke umgeändert werden. Diesen .Kassen, wie
sie jetzt sind, beherrscht von einer Arbeitermajorität, die es liebt, Arzte, Ver¬
sicherte und Lieferanten zu terrorisieren, will die Regierung offenbar die ver¬
mehrte Macht nicht anvertrauen.

Es sollen darum erstens die Arbeitgeber ebensoviel Stimmrechte haben
wie die Arbeiter, und damit sie das mit gutem Genüssen dürfen, sollen auch
ihre Leistungen mit den Beiträgen der Arbeiter auf gleiche Höhe gebracht
werden. Zweitens soll der Vorsitzende der Kasse nicht mehr gewählt, sondern
aus der Zahl der Gemeindebeamten ernannt werden und soll die Verwaltung
durch andre Gemeindebeamte nebenamtlich ausführen lassen. Im übrigen soll
die Generalversammlung dieselben Befugnisse haben wie früher, nämlich über
Art und Maß der Unterstützung zu beschließen.

Um diese Änderung wird der lebhafteste Streit geführt werden. Die Be¬
hörden werden froh sein, wenn sie die sozialdemokratischen Kassen nicht mehr
zu sehen brauchen; die Versichcrungsnmter werden in den neuen Kassen zuver¬
lässigere und willigere Mitarbeiter in statistische!? und hygienischen Fragen
haben, und die Ärzte haben nicht mehr mit herrschsüchtigen kleinen Leuten zu
thun, sondern mit Beamten, von denen sie an höhere Beamte appellieren
können. Die Kassenbeamten aber erreichen ihren Wunsch, daß sie zu mittel¬
baren Staatsbeamten erhoben werden.

Die Arbeiter allein werden damit unzufrieden sein, und mit einigem
Rechte. Denn sie werden ziemlich weit entfernt von der Verwaltung der
Gelder, die sie zu einem Teile selbst gezahlt haben, und die zum andern Teil
von Gesetzes wegen für ihre Interessen bestimmt sind. Es ist klar, daß die
Arbeitgeber bei der Verwaltung der Gelder niemals dasselbe thätige Interesse
haben können wie die Arbeiter; denn obwohl sie einen Teil der Gelder ge-


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Verfasser muß von der vorgeschlagnen Zusammenlegung auch gleich einen großen
Teil der bestehenden Körperschaften aufnehmen, nämlich die Betriebs-, Bau-,
Innungs- und Knappschaftskrankenkassen mit gewiß einem Drittel aller Ver¬
sicherten, Eine große und reiche Fabrik will ihren Arbeitern mehr Zuwendungen
machen, als die zentralisierte Kasse kann, sie hat schon ein Vermögen dazu
angesammelt. Darin darf sie nicht gestört werden. Zur Vereinigung bleiben
an einem gegebnen Orte übrig die Einzahl der Gemeindekrankenkasse und die
Vielzahl der Ortskrankenkassen, Der Verfasser ist nicht der Ansicht, daß die
Gemeindckrankenkasse die andern aufschlucken sollte. Er tadelt an ihr erstens
die Unzulänglichkeit der Leistungen und zweitens den Grundsatz, daß ihr Defizit
aus dem Gemcindeetat gedeckt wird.

Die Gemcindekmnkeukassen sind in vielen rein ländlichen Gegenden ge¬
wühlt worden, und zwar wegen ihrer geringen Leistungen, und weil das geringe
Interesse der Arbeitgeber und der Arbeiter die Verwaltungsmühen gern den vor-
handnen Gemeindebehörden überließ, Ihre Nachteile scheinen dort als Vorteile
gegolten zu haben.

Der Plan geht vielmehr dahin, daß die Gemeindeversicherung in der
großen gemeinsamen Ortskrankenkasse aufgehn soll. Aber die Verfassung der
Ortskrankenkasscn soll zu diesem Zwecke umgeändert werden. Diesen .Kassen, wie
sie jetzt sind, beherrscht von einer Arbeitermajorität, die es liebt, Arzte, Ver¬
sicherte und Lieferanten zu terrorisieren, will die Regierung offenbar die ver¬
mehrte Macht nicht anvertrauen.

Es sollen darum erstens die Arbeitgeber ebensoviel Stimmrechte haben
wie die Arbeiter, und damit sie das mit gutem Genüssen dürfen, sollen auch
ihre Leistungen mit den Beiträgen der Arbeiter auf gleiche Höhe gebracht
werden. Zweitens soll der Vorsitzende der Kasse nicht mehr gewählt, sondern
aus der Zahl der Gemeindebeamten ernannt werden und soll die Verwaltung
durch andre Gemeindebeamte nebenamtlich ausführen lassen. Im übrigen soll
die Generalversammlung dieselben Befugnisse haben wie früher, nämlich über
Art und Maß der Unterstützung zu beschließen.

Um diese Änderung wird der lebhafteste Streit geführt werden. Die Be¬
hörden werden froh sein, wenn sie die sozialdemokratischen Kassen nicht mehr
zu sehen brauchen; die Versichcrungsnmter werden in den neuen Kassen zuver¬
lässigere und willigere Mitarbeiter in statistische!? und hygienischen Fragen
haben, und die Ärzte haben nicht mehr mit herrschsüchtigen kleinen Leuten zu
thun, sondern mit Beamten, von denen sie an höhere Beamte appellieren
können. Die Kassenbeamten aber erreichen ihren Wunsch, daß sie zu mittel¬
baren Staatsbeamten erhoben werden.

Die Arbeiter allein werden damit unzufrieden sein, und mit einigem
Rechte. Denn sie werden ziemlich weit entfernt von der Verwaltung der
Gelder, die sie zu einem Teile selbst gezahlt haben, und die zum andern Teil
von Gesetzes wegen für ihre Interessen bestimmt sind. Es ist klar, daß die
Arbeitgeber bei der Verwaltung der Gelder niemals dasselbe thätige Interesse
haben können wie die Arbeiter; denn obwohl sie einen Teil der Gelder ge-


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[0383] teuer tap Kia>>k>!nversicheri!ngsgl!s('dz Verfasser muß von der vorgeschlagnen Zusammenlegung auch gleich einen großen Teil der bestehenden Körperschaften aufnehmen, nämlich die Betriebs-, Bau-, Innungs- und Knappschaftskrankenkassen mit gewiß einem Drittel aller Ver¬ sicherten, Eine große und reiche Fabrik will ihren Arbeitern mehr Zuwendungen machen, als die zentralisierte Kasse kann, sie hat schon ein Vermögen dazu angesammelt. Darin darf sie nicht gestört werden. Zur Vereinigung bleiben an einem gegebnen Orte übrig die Einzahl der Gemeindekrankenkasse und die Vielzahl der Ortskrankenkassen, Der Verfasser ist nicht der Ansicht, daß die Gemeindckrankenkasse die andern aufschlucken sollte. Er tadelt an ihr erstens die Unzulänglichkeit der Leistungen und zweitens den Grundsatz, daß ihr Defizit aus dem Gemcindeetat gedeckt wird. Die Gemcindekmnkeukassen sind in vielen rein ländlichen Gegenden ge¬ wühlt worden, und zwar wegen ihrer geringen Leistungen, und weil das geringe Interesse der Arbeitgeber und der Arbeiter die Verwaltungsmühen gern den vor- handnen Gemeindebehörden überließ, Ihre Nachteile scheinen dort als Vorteile gegolten zu haben. Der Plan geht vielmehr dahin, daß die Gemeindeversicherung in der großen gemeinsamen Ortskrankenkasse aufgehn soll. Aber die Verfassung der Ortskrankenkasscn soll zu diesem Zwecke umgeändert werden. Diesen .Kassen, wie sie jetzt sind, beherrscht von einer Arbeitermajorität, die es liebt, Arzte, Ver¬ sicherte und Lieferanten zu terrorisieren, will die Regierung offenbar die ver¬ mehrte Macht nicht anvertrauen. Es sollen darum erstens die Arbeitgeber ebensoviel Stimmrechte haben wie die Arbeiter, und damit sie das mit gutem Genüssen dürfen, sollen auch ihre Leistungen mit den Beiträgen der Arbeiter auf gleiche Höhe gebracht werden. Zweitens soll der Vorsitzende der Kasse nicht mehr gewählt, sondern aus der Zahl der Gemeindebeamten ernannt werden und soll die Verwaltung durch andre Gemeindebeamte nebenamtlich ausführen lassen. Im übrigen soll die Generalversammlung dieselben Befugnisse haben wie früher, nämlich über Art und Maß der Unterstützung zu beschließen. Um diese Änderung wird der lebhafteste Streit geführt werden. Die Be¬ hörden werden froh sein, wenn sie die sozialdemokratischen Kassen nicht mehr zu sehen brauchen; die Versichcrungsnmter werden in den neuen Kassen zuver¬ lässigere und willigere Mitarbeiter in statistische!? und hygienischen Fragen haben, und die Ärzte haben nicht mehr mit herrschsüchtigen kleinen Leuten zu thun, sondern mit Beamten, von denen sie an höhere Beamte appellieren können. Die Kassenbeamten aber erreichen ihren Wunsch, daß sie zu mittel¬ baren Staatsbeamten erhoben werden. Die Arbeiter allein werden damit unzufrieden sein, und mit einigem Rechte. Denn sie werden ziemlich weit entfernt von der Verwaltung der Gelder, die sie zu einem Teile selbst gezahlt haben, und die zum andern Teil von Gesetzes wegen für ihre Interessen bestimmt sind. Es ist klar, daß die Arbeitgeber bei der Verwaltung der Gelder niemals dasselbe thätige Interesse haben können wie die Arbeiter; denn obwohl sie einen Teil der Gelder ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/383>, abgerufen am 27.07.2024.