und es könnte ein Gott sein, der in Bettlergestalt die Menschen zu prüfen er¬ schienen ist!). Wer nicht einsieht und nicht anerkennen will, daß er in diesen Szenen die wesentlichen Elemente der Humanität beisammen hat, das; er sie hier deutlicher ausgeprägt und wirksamer hat, als Bände moderner Predigten nud Abhandlungen über Ethik sie ihm bieten können, mit dem ist nicht zu streiten.
Und diese Lichtbilder heben sich nicht etwa als Allsnahmen von einem dunkeln Hintergründe ab, sondern sie treten nnr als Glanzpunkte eines im ganzen gleichartigen Kulturzustands hervor. Gleich den Göttern erzürnen sich auch die Menschen Homers leicht, versöhnen sich aber auch wie die Götter gern und sind nach kurzem Aufbrausen sofort wieder freundlich gegeneinander. Hartnäckig Zürnende werden von weisen Alten wie Nestor und Phönix mit lieblicher Rede wie mit lindernden Öl behandelt. Junige und treue Freundschaft verbindet die Männer. Die Diener und die Knechte werden freundlich und achtungsvoll behandelt, zum Teil als Kriegskameraden; Sklaverei ist ihr Verhältnis zum Herrn kaum zu nennen. Zum Teil sind sie freie Lohnarbeiter, zum Teil im Kriege erbeutete oder von Kriegsleuten und Seeräubern gekaufte Leibeigne. Sind sie als Kinder gekauft worden, so werden sie von der Herrin mit deren eignen Kindern erzogen; dem mannbaren Diener vermählt der Herr eine Frau, mit der er in ordentlicher Ehe lebt. Ankere ein Knecht, so steht ans dem Ruin ein andrer bereit, der ihn bei jeder Wendung des Pflugs mit einem Schluck Wein labt (ein Brauch, der im Mittelalter am Rhein wiederkehrt). Wohl ist die Arbeit der Magd an der Mühle schwer, aber von überlanger Dauer nnr in außergewöhnlichen Fällen, z. B. im Hause des Odhsseus, wo die zahlreichen Freier täglich schmausen; ihnen, nicht ihrer Herrschaft, wünscht die Müllerin, deren Worte Odhssens als gute Vorbedeutung auffaßt, den Untergang. Ver¬ waiste Kinder haben gleich ihren des Gatten beraubten Müttern wohl manchmal Schweres zu erdulden, aber keine unmenschlichen Grausamkeiten. Trat, der Nähe des grausamen Orients kommt in den beiden homerischen Gedichten nur eine Handlung von orientalischer Scheußlichkeit vor, die Bestrafung des Mc- lantheus; aber dieser hatte auch seinen Herrn durch Verhöhnung und körper¬ liche Mißhandlung des in Bettlergestalt Erschienenen, dnrch sein offnes Bündnis mit den Freiern und seinen an dem schon Erkannten geübten Verrat ans das höchste gereizt. Die Freier, obwohl übermütige Frevler, verüben doch an den lustigen Bettlern keinen grausamen Frevel, sondern drohen nnr, sie dem Un¬ hold Echetes zu schicken, der solche zu verüben pflege. Außer Thersites kommt kein widerlicher und häßlicher Charakter vor; die Freier sündigen aus Jugend- übermnt, und den ebenfalls noch junge" Melantheus entschuldigt die starke Versuchung einigermaßen, die darin liegen mußte, daß er, der Knecht, von den Herren als Kamerad behandelt wird.
Die Helden sind allesamt shmpathisch und mehrere von ihnen zu Vor¬ bildern der Jugend geeignet. Telemach z. B. ist ein reiner Jüngling voll Mut, hohen Strebens und Güte, der jedoch seine Gedanken, seine Wünsche
Helleueuim» und Lhnstantum
und es könnte ein Gott sein, der in Bettlergestalt die Menschen zu prüfen er¬ schienen ist!). Wer nicht einsieht und nicht anerkennen will, daß er in diesen Szenen die wesentlichen Elemente der Humanität beisammen hat, das; er sie hier deutlicher ausgeprägt und wirksamer hat, als Bände moderner Predigten nud Abhandlungen über Ethik sie ihm bieten können, mit dem ist nicht zu streiten.
Und diese Lichtbilder heben sich nicht etwa als Allsnahmen von einem dunkeln Hintergründe ab, sondern sie treten nnr als Glanzpunkte eines im ganzen gleichartigen Kulturzustands hervor. Gleich den Göttern erzürnen sich auch die Menschen Homers leicht, versöhnen sich aber auch wie die Götter gern und sind nach kurzem Aufbrausen sofort wieder freundlich gegeneinander. Hartnäckig Zürnende werden von weisen Alten wie Nestor und Phönix mit lieblicher Rede wie mit lindernden Öl behandelt. Junige und treue Freundschaft verbindet die Männer. Die Diener und die Knechte werden freundlich und achtungsvoll behandelt, zum Teil als Kriegskameraden; Sklaverei ist ihr Verhältnis zum Herrn kaum zu nennen. Zum Teil sind sie freie Lohnarbeiter, zum Teil im Kriege erbeutete oder von Kriegsleuten und Seeräubern gekaufte Leibeigne. Sind sie als Kinder gekauft worden, so werden sie von der Herrin mit deren eignen Kindern erzogen; dem mannbaren Diener vermählt der Herr eine Frau, mit der er in ordentlicher Ehe lebt. Ankere ein Knecht, so steht ans dem Ruin ein andrer bereit, der ihn bei jeder Wendung des Pflugs mit einem Schluck Wein labt (ein Brauch, der im Mittelalter am Rhein wiederkehrt). Wohl ist die Arbeit der Magd an der Mühle schwer, aber von überlanger Dauer nnr in außergewöhnlichen Fällen, z. B. im Hause des Odhsseus, wo die zahlreichen Freier täglich schmausen; ihnen, nicht ihrer Herrschaft, wünscht die Müllerin, deren Worte Odhssens als gute Vorbedeutung auffaßt, den Untergang. Ver¬ waiste Kinder haben gleich ihren des Gatten beraubten Müttern wohl manchmal Schweres zu erdulden, aber keine unmenschlichen Grausamkeiten. Trat, der Nähe des grausamen Orients kommt in den beiden homerischen Gedichten nur eine Handlung von orientalischer Scheußlichkeit vor, die Bestrafung des Mc- lantheus; aber dieser hatte auch seinen Herrn durch Verhöhnung und körper¬ liche Mißhandlung des in Bettlergestalt Erschienenen, dnrch sein offnes Bündnis mit den Freiern und seinen an dem schon Erkannten geübten Verrat ans das höchste gereizt. Die Freier, obwohl übermütige Frevler, verüben doch an den lustigen Bettlern keinen grausamen Frevel, sondern drohen nnr, sie dem Un¬ hold Echetes zu schicken, der solche zu verüben pflege. Außer Thersites kommt kein widerlicher und häßlicher Charakter vor; die Freier sündigen aus Jugend- übermnt, und den ebenfalls noch junge» Melantheus entschuldigt die starke Versuchung einigermaßen, die darin liegen mußte, daß er, der Knecht, von den Herren als Kamerad behandelt wird.
Die Helden sind allesamt shmpathisch und mehrere von ihnen zu Vor¬ bildern der Jugend geeignet. Telemach z. B. ist ein reiner Jüngling voll Mut, hohen Strebens und Güte, der jedoch seine Gedanken, seine Wünsche
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Helleueuim» und Lhnstantum
und es könnte ein Gott sein, der in Bettlergestalt die Menschen zu prüfen er¬
schienen ist!). Wer nicht einsieht und nicht anerkennen will, daß er in diesen
Szenen die wesentlichen Elemente der Humanität beisammen hat, das; er sie
hier deutlicher ausgeprägt und wirksamer hat, als Bände moderner Predigten
nud Abhandlungen über Ethik sie ihm bieten können, mit dem ist nicht zu
streiten.
Und diese Lichtbilder heben sich nicht etwa als Allsnahmen von einem
dunkeln Hintergründe ab, sondern sie treten nnr als Glanzpunkte eines im ganzen
gleichartigen Kulturzustands hervor. Gleich den Göttern erzürnen sich auch
die Menschen Homers leicht, versöhnen sich aber auch wie die Götter gern und
sind nach kurzem Aufbrausen sofort wieder freundlich gegeneinander. Hartnäckig
Zürnende werden von weisen Alten wie Nestor und Phönix mit lieblicher Rede
wie mit lindernden Öl behandelt. Junige und treue Freundschaft verbindet
die Männer. Die Diener und die Knechte werden freundlich und achtungsvoll
behandelt, zum Teil als Kriegskameraden; Sklaverei ist ihr Verhältnis zum
Herrn kaum zu nennen. Zum Teil sind sie freie Lohnarbeiter, zum Teil im
Kriege erbeutete oder von Kriegsleuten und Seeräubern gekaufte Leibeigne.
Sind sie als Kinder gekauft worden, so werden sie von der Herrin mit deren
eignen Kindern erzogen; dem mannbaren Diener vermählt der Herr eine Frau,
mit der er in ordentlicher Ehe lebt. Ankere ein Knecht, so steht ans dem Ruin
ein andrer bereit, der ihn bei jeder Wendung des Pflugs mit einem Schluck
Wein labt (ein Brauch, der im Mittelalter am Rhein wiederkehrt). Wohl ist
die Arbeit der Magd an der Mühle schwer, aber von überlanger Dauer nnr
in außergewöhnlichen Fällen, z. B. im Hause des Odhsseus, wo die zahlreichen
Freier täglich schmausen; ihnen, nicht ihrer Herrschaft, wünscht die Müllerin,
deren Worte Odhssens als gute Vorbedeutung auffaßt, den Untergang. Ver¬
waiste Kinder haben gleich ihren des Gatten beraubten Müttern wohl manchmal
Schweres zu erdulden, aber keine unmenschlichen Grausamkeiten. Trat, der
Nähe des grausamen Orients kommt in den beiden homerischen Gedichten nur
eine Handlung von orientalischer Scheußlichkeit vor, die Bestrafung des Mc-
lantheus; aber dieser hatte auch seinen Herrn durch Verhöhnung und körper¬
liche Mißhandlung des in Bettlergestalt Erschienenen, dnrch sein offnes Bündnis
mit den Freiern und seinen an dem schon Erkannten geübten Verrat ans
das höchste gereizt. Die Freier, obwohl übermütige Frevler, verüben doch an den
lustigen Bettlern keinen grausamen Frevel, sondern drohen nnr, sie dem Un¬
hold Echetes zu schicken, der solche zu verüben pflege. Außer Thersites kommt
kein widerlicher und häßlicher Charakter vor; die Freier sündigen aus Jugend-
übermnt, und den ebenfalls noch junge» Melantheus entschuldigt die starke
Versuchung einigermaßen, die darin liegen mußte, daß er, der Knecht, von den
Herren als Kamerad behandelt wird.
Die Helden sind allesamt shmpathisch und mehrere von ihnen zu Vor¬
bildern der Jugend geeignet. Telemach z. B. ist ein reiner Jüngling voll
Mut, hohen Strebens und Güte, der jedoch seine Gedanken, seine Wünsche
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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/348>, abgerufen am 25.01.2025.
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