Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.Ubor das Rra>ilk!Not!rsichcnmgs<zcs>.'h Diese fünf Grundsätze liegen als Keime in dein Worte "Versicherung" Eine der sehr zweifelhaften Wohlthaten der Zwangskrankenversicherung Ubor das Rra>ilk!Not!rsichcnmgs<zcs>.'h Diese fünf Grundsätze liegen als Keime in dein Worte „Versicherung" Eine der sehr zweifelhaften Wohlthaten der Zwangskrankenversicherung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0340" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236162"/> <fw type="header" place="top"> Ubor das Rra>ilk!Not!rsichcnmgs<zcs>.'h</fw><lb/> <p xml:id="ID_1313"> Diese fünf Grundsätze liegen als Keime in dein Worte „Versicherung"<lb/> geborgen. Jeder, der das Wort ausspricht, läßt undeutlich diese Grundtöne<lb/> anklingen. Solange diese Grundsätze eingehalten werde!?, scheiden sie weit<lb/> unsre Versichernugsgesetzgebung von jeder eigentlichen Armengesetzgebung. Trotz¬<lb/> dem behalten beide etwas Gemeinsames, Auch an unsrer Gesetzgebung muß<lb/> es sich bewahrheiten, daß es politisch und wirtschaftlich nachteilig ist, dem<lb/> Menschen das Gefühl abzugewöhnen der eignen Verantwortlichkeit für alles<lb/> Glück und Unglück, verdientes und unverdientes, das ihn und seine Familie<lb/> trifft. Es sollte darum die Versicherung, ich meine nicht die freiwillige,<lb/> sondern was ein großer Unterschied ist, die Zwangsversicheruug, niemals<lb/> für alle Möglichkeiten sorgen, sondern einen guten Teil von der nötigen Für¬<lb/> sorge der freien Kraft des Einzelnen überlassen und seiner Helferin, der ver¬<lb/> borgnen Nächstenliebe, damit in ihm nicht die Tugenden der Selbständigkeit<lb/> und der Voraussicht erstickt werden, die er braucht, wenn er in unsrer bürger¬<lb/> lichen Welt einmal mehr werden Null, als ein Lohnarbeiter, der gegen einen<lb/> bequemen Tagelohn sein Erstgeburtsrecht oder sein Urheberrecht an der Werte<lb/> schaffenden Arbeit verkauft hat und sich um Regen und Sonnenschein nicht<lb/> schert, wenn er mir von der täglichen Not und Sorge befreit wird. Will<lb/> man sich diese wertvollen Tugenden anschaulich macheu, so stelle man nur<lb/> einen kleinen Bauern neben einen großstädtischen Arbeiter und ihre Frauen<lb/> dazu und frage sich, ob dieser, der vom sechzehnten Jahre auf gewohnt ist,<lb/> täglich für eine bestimmte Zahl von Stunden Arbeit seinen sichern Lohn zu<lb/> erhalten, wohl noch imstande wäre, wie der andre eine Wirtschaft zu führen,<lb/> worin er erst nach jahrzehntelangen Plagen den Lohn seiner Arbeit sieht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1314" next="#ID_1315"> Eine der sehr zweifelhaften Wohlthaten der Zwangskrankenversicherung<lb/> ist z, B, die Mitversicherung der Kinder, Sie gehört nicht zu den überall<lb/> vorgeschriebnen Kassenleistungen, und die meisten Kassen haben sie wohl nicht<lb/> eingeführt, aber fie können den Beschluß fassen, die Versicherung der Kinder<lb/> mit zu übernehmen, und zwingen dann jedes Mitglied, darau teilzunehmen.<lb/> Im allgemeinen sind es gut situierte städtische Kassen, die ihren Mitgliedern<lb/> diese vermeintliche Wohlthat erweisen, aber diese Kassen sind das Kreuz der<lb/> Ärzte, denn sie erhöhen deren Mühsal bedeutend, ohne deshalb entsprechend<lb/> mehr zu zahlen. Arbeitende Männer sind, wenn sie sich zu Bette legen, der<lb/> Regel nach auch wirklich krank; der Umstand, daß sie auf den Verdienst ver¬<lb/> zichten und mit dem geringern Krankengeld zufrieden sind, verbürgt wenigstens,<lb/> daß fie sich so fühlen. Freilich verhindert es nicht, daß folgendes vorkommt.<lb/> Es rollt einer den Rasenhang hinunter, glaubt, daß er sich eine Rippe ver¬<lb/> staucht hat, telegraphiert nach dein Arzt. Der Arzt muß in einer stürmischen<lb/> Herbstnacht Pferd und Wagen im Wert von 800 Mark riskieren und seine<lb/> eigne Gesundheit dazu, und findet schließlich den Verunglückten nicht einmal<lb/> zu Hause, sondern rauchend und schwatzend bei Nachbarn. Das ist mir selbst<lb/> passiert. Bei Männern sind solche Fälle nicht allzu häufig, aber bei Kindern<lb/> alltäglich. Die Mutter braucht nnr zu finden, daß das Kind zu viel oder zu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0340]
Ubor das Rra>ilk!Not!rsichcnmgs<zcs>.'h
Diese fünf Grundsätze liegen als Keime in dein Worte „Versicherung"
geborgen. Jeder, der das Wort ausspricht, läßt undeutlich diese Grundtöne
anklingen. Solange diese Grundsätze eingehalten werde!?, scheiden sie weit
unsre Versichernugsgesetzgebung von jeder eigentlichen Armengesetzgebung. Trotz¬
dem behalten beide etwas Gemeinsames, Auch an unsrer Gesetzgebung muß
es sich bewahrheiten, daß es politisch und wirtschaftlich nachteilig ist, dem
Menschen das Gefühl abzugewöhnen der eignen Verantwortlichkeit für alles
Glück und Unglück, verdientes und unverdientes, das ihn und seine Familie
trifft. Es sollte darum die Versicherung, ich meine nicht die freiwillige,
sondern was ein großer Unterschied ist, die Zwangsversicheruug, niemals
für alle Möglichkeiten sorgen, sondern einen guten Teil von der nötigen Für¬
sorge der freien Kraft des Einzelnen überlassen und seiner Helferin, der ver¬
borgnen Nächstenliebe, damit in ihm nicht die Tugenden der Selbständigkeit
und der Voraussicht erstickt werden, die er braucht, wenn er in unsrer bürger¬
lichen Welt einmal mehr werden Null, als ein Lohnarbeiter, der gegen einen
bequemen Tagelohn sein Erstgeburtsrecht oder sein Urheberrecht an der Werte
schaffenden Arbeit verkauft hat und sich um Regen und Sonnenschein nicht
schert, wenn er mir von der täglichen Not und Sorge befreit wird. Will
man sich diese wertvollen Tugenden anschaulich macheu, so stelle man nur
einen kleinen Bauern neben einen großstädtischen Arbeiter und ihre Frauen
dazu und frage sich, ob dieser, der vom sechzehnten Jahre auf gewohnt ist,
täglich für eine bestimmte Zahl von Stunden Arbeit seinen sichern Lohn zu
erhalten, wohl noch imstande wäre, wie der andre eine Wirtschaft zu führen,
worin er erst nach jahrzehntelangen Plagen den Lohn seiner Arbeit sieht.
Eine der sehr zweifelhaften Wohlthaten der Zwangskrankenversicherung
ist z, B, die Mitversicherung der Kinder, Sie gehört nicht zu den überall
vorgeschriebnen Kassenleistungen, und die meisten Kassen haben sie wohl nicht
eingeführt, aber fie können den Beschluß fassen, die Versicherung der Kinder
mit zu übernehmen, und zwingen dann jedes Mitglied, darau teilzunehmen.
Im allgemeinen sind es gut situierte städtische Kassen, die ihren Mitgliedern
diese vermeintliche Wohlthat erweisen, aber diese Kassen sind das Kreuz der
Ärzte, denn sie erhöhen deren Mühsal bedeutend, ohne deshalb entsprechend
mehr zu zahlen. Arbeitende Männer sind, wenn sie sich zu Bette legen, der
Regel nach auch wirklich krank; der Umstand, daß sie auf den Verdienst ver¬
zichten und mit dem geringern Krankengeld zufrieden sind, verbürgt wenigstens,
daß fie sich so fühlen. Freilich verhindert es nicht, daß folgendes vorkommt.
Es rollt einer den Rasenhang hinunter, glaubt, daß er sich eine Rippe ver¬
staucht hat, telegraphiert nach dein Arzt. Der Arzt muß in einer stürmischen
Herbstnacht Pferd und Wagen im Wert von 800 Mark riskieren und seine
eigne Gesundheit dazu, und findet schließlich den Verunglückten nicht einmal
zu Hause, sondern rauchend und schwatzend bei Nachbarn. Das ist mir selbst
passiert. Bei Männern sind solche Fälle nicht allzu häufig, aber bei Kindern
alltäglich. Die Mutter braucht nnr zu finden, daß das Kind zu viel oder zu
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