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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Les tronsons 6u xlsive

doch auch ein Gefühl der Sicherheit. Nach einem Halt wurde der Vormarsch
wieder angetreten. Eugene war keine hundert Schritte marschiert, als sich das
Gefechtsfeld zum zweitenmal vor ihm ausbreitete.

Über den Erdboden sah man erst kleine weiße Wölkchen hintreiben: dann kam
ein wilder und furchtbarer Donner, unter dem die Erde erzitterte. Er glaubte
dabei ein eigentümliches Pfeifen zu unterscheiden, das Geräusch der dahinsnusendcn
Granaten. Das Jnfanteriefener knatterte immer lebhafter: es brannte weiter nach
vorn auf der Straße in mehreren Höfen. Eugene betrachtete mit Erregung und
Teilnahme das vor ihm ausgebreitete Panorama, die sich unter dem greinen Tages¬
licht in langen Linien dohinbewegenden Truppen, die roten Blitze der Batterien,
das wie von Ameisen wimmelnde Gelände, und zwischen den Rauchwolken durch
einige sich in Hellem Farben absetzende Dörfer. Ihre Namen, die ihm von frühern
Besuchen in der Nachbarschaft her bekannt waren, und die ihm das Marschtableau
in Erinnerung gebracht hatte, lebten in seiner Erinnerung wieder auf. Rozieres,
Coulmiers, Baccon, welches von ihnen würde heute abend im blutigen Not der
Niederlage oder des Sieges prangen? Welchem von ihnen würde die Geschichte
das hellglänzende oder das düstre Mal aufdrücken?

Die Bataillone waren den Abhang hinabgestiegen und rückten auf der Ebne
vor. Eugene hatte keinen Überblick mehr. Es umgab ihn ein eng begrenztes
Gelände, Felder, an denen sich eine den Horizont verdeckende Hecke hinzog, ein
Gebüsch, an dessen Ästen die letzten Blätter im Winde zitterten. So mit seinen
Leuten in der Unwissenheit und der Erwartung zu sein, verursachte ihm neue
Unruhe. Sie hatten keine Aussicht: waren sie den Blicken des Gegners entzogen?
Der Geschützdonner grollte lauter: jetzt hörte man deutlich das ohrenzerreißende
Heulen und das Krepieren der Granaten.

Plötzlich kam etwa hundert Meter rechts von ihnen etwas Schwarzes geflogen,
es wurde Erde aufgeworfen, Rauch stieg auf. Sie waren entdeckt. Wie eine
Kralle wühlte etwas krampfartiges in Eugenes Eingeweiden. Die bleiche Furcht,
die den Willen lahmt, den Menschen wie in einer Art Schwindel in Angst jagt.
Es krepierte in abnehmender Entfernung eine zweite, eine dritte Granate. Un¬
willkürlich bückten sich die Mobilgardistcn, ließen sich auf die Erde fallen. Eine
vierte fiel mitten hinein; Kugeln pfiffen. Eugene hörte neben sich den dumpfen
Klang des in den menschlichen Körper einschlagenden Bleis, sein Nachbar fiel.
Mechanisch rief er mit erstickter Stimme: Aufrücken. Niemand gehorchte; ein Durch¬
einander, ein plötzlicher Schreck, ein kopfloses Dcivonstürzen hatte die Sektion, die
ganze Kompagnie auseinander gesprengt. Einer stürzte über den andern weg: mich
ihn hatte die mit elementarer Gewalt umkehrende Flut mit sich fortgerissen.

Das Gewissen erwachte in ihm: er war also im Begriff davonzulaufen? Nein!
Er wollte seine Leute zum Stehn bringen, das wars, was er wollte I Und von
einer unerklärlichen Wut ergriffen, kriegte er den ersten besten zu packen, schüttelte
ihn. Er rannte von einem zum andern, beschwor die Leute kehrt zu machen, sprach
ihnen Mut zu. Neben ihm hielt sein Hauvtmnnn, ein rothaariger Riese, breitete
beide Arme ans und brachte ein paar Leute zum Stehn: mit lauter zuversichtlicher
Stimme rief er sie beim Namen, höhnte sie, machte ihnen Vorwürfe. Die Mvbil-
gardisten traten wieder in Reih und Glied, fast ebenso schnell wie sie auseinander-
gestvben waren: die Kompagnie war wieder ein organisches Ganze geworden;
Eugene zählte sein Peloton durch. Sie kamen bei dem Gefallnen vorbei: der sah
wie ein Kind aus und lag mit untergeschlagnen Beinen auf dem Rücken, die Arme
hintenübergestreckt, wie einer, der schläft. Es war wieder hügelanf gegangen, und
um hatte man in einem Gehöfte Halt gemacht.

Eugene fühlte sich gedemütigt und stand schreckliche Martern aus. Hatten es
seine Leute, die er fast auf dem Flecke zum Stehn zu bringen gesucht hatte, für
bare Münze genommen? Hatte sich der Hauptmann täuschen lassen? Hatte ihn


Les tronsons 6u xlsive

doch auch ein Gefühl der Sicherheit. Nach einem Halt wurde der Vormarsch
wieder angetreten. Eugene war keine hundert Schritte marschiert, als sich das
Gefechtsfeld zum zweitenmal vor ihm ausbreitete.

Über den Erdboden sah man erst kleine weiße Wölkchen hintreiben: dann kam
ein wilder und furchtbarer Donner, unter dem die Erde erzitterte. Er glaubte
dabei ein eigentümliches Pfeifen zu unterscheiden, das Geräusch der dahinsnusendcn
Granaten. Das Jnfanteriefener knatterte immer lebhafter: es brannte weiter nach
vorn auf der Straße in mehreren Höfen. Eugene betrachtete mit Erregung und
Teilnahme das vor ihm ausgebreitete Panorama, die sich unter dem greinen Tages¬
licht in langen Linien dohinbewegenden Truppen, die roten Blitze der Batterien,
das wie von Ameisen wimmelnde Gelände, und zwischen den Rauchwolken durch
einige sich in Hellem Farben absetzende Dörfer. Ihre Namen, die ihm von frühern
Besuchen in der Nachbarschaft her bekannt waren, und die ihm das Marschtableau
in Erinnerung gebracht hatte, lebten in seiner Erinnerung wieder auf. Rozieres,
Coulmiers, Baccon, welches von ihnen würde heute abend im blutigen Not der
Niederlage oder des Sieges prangen? Welchem von ihnen würde die Geschichte
das hellglänzende oder das düstre Mal aufdrücken?

Die Bataillone waren den Abhang hinabgestiegen und rückten auf der Ebne
vor. Eugene hatte keinen Überblick mehr. Es umgab ihn ein eng begrenztes
Gelände, Felder, an denen sich eine den Horizont verdeckende Hecke hinzog, ein
Gebüsch, an dessen Ästen die letzten Blätter im Winde zitterten. So mit seinen
Leuten in der Unwissenheit und der Erwartung zu sein, verursachte ihm neue
Unruhe. Sie hatten keine Aussicht: waren sie den Blicken des Gegners entzogen?
Der Geschützdonner grollte lauter: jetzt hörte man deutlich das ohrenzerreißende
Heulen und das Krepieren der Granaten.

Plötzlich kam etwa hundert Meter rechts von ihnen etwas Schwarzes geflogen,
es wurde Erde aufgeworfen, Rauch stieg auf. Sie waren entdeckt. Wie eine
Kralle wühlte etwas krampfartiges in Eugenes Eingeweiden. Die bleiche Furcht,
die den Willen lahmt, den Menschen wie in einer Art Schwindel in Angst jagt.
Es krepierte in abnehmender Entfernung eine zweite, eine dritte Granate. Un¬
willkürlich bückten sich die Mobilgardistcn, ließen sich auf die Erde fallen. Eine
vierte fiel mitten hinein; Kugeln pfiffen. Eugene hörte neben sich den dumpfen
Klang des in den menschlichen Körper einschlagenden Bleis, sein Nachbar fiel.
Mechanisch rief er mit erstickter Stimme: Aufrücken. Niemand gehorchte; ein Durch¬
einander, ein plötzlicher Schreck, ein kopfloses Dcivonstürzen hatte die Sektion, die
ganze Kompagnie auseinander gesprengt. Einer stürzte über den andern weg: mich
ihn hatte die mit elementarer Gewalt umkehrende Flut mit sich fortgerissen.

Das Gewissen erwachte in ihm: er war also im Begriff davonzulaufen? Nein!
Er wollte seine Leute zum Stehn bringen, das wars, was er wollte I Und von
einer unerklärlichen Wut ergriffen, kriegte er den ersten besten zu packen, schüttelte
ihn. Er rannte von einem zum andern, beschwor die Leute kehrt zu machen, sprach
ihnen Mut zu. Neben ihm hielt sein Hauvtmnnn, ein rothaariger Riese, breitete
beide Arme ans und brachte ein paar Leute zum Stehn: mit lauter zuversichtlicher
Stimme rief er sie beim Namen, höhnte sie, machte ihnen Vorwürfe. Die Mvbil-
gardisten traten wieder in Reih und Glied, fast ebenso schnell wie sie auseinander-
gestvben waren: die Kompagnie war wieder ein organisches Ganze geworden;
Eugene zählte sein Peloton durch. Sie kamen bei dem Gefallnen vorbei: der sah
wie ein Kind aus und lag mit untergeschlagnen Beinen auf dem Rücken, die Arme
hintenübergestreckt, wie einer, der schläft. Es war wieder hügelanf gegangen, und
um hatte man in einem Gehöfte Halt gemacht.

Eugene fühlte sich gedemütigt und stand schreckliche Martern aus. Hatten es
seine Leute, die er fast auf dem Flecke zum Stehn zu bringen gesucht hatte, für
bare Münze genommen? Hatte sich der Hauptmann täuschen lassen? Hatte ihn


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[0318] Les tronsons 6u xlsive doch auch ein Gefühl der Sicherheit. Nach einem Halt wurde der Vormarsch wieder angetreten. Eugene war keine hundert Schritte marschiert, als sich das Gefechtsfeld zum zweitenmal vor ihm ausbreitete. Über den Erdboden sah man erst kleine weiße Wölkchen hintreiben: dann kam ein wilder und furchtbarer Donner, unter dem die Erde erzitterte. Er glaubte dabei ein eigentümliches Pfeifen zu unterscheiden, das Geräusch der dahinsnusendcn Granaten. Das Jnfanteriefener knatterte immer lebhafter: es brannte weiter nach vorn auf der Straße in mehreren Höfen. Eugene betrachtete mit Erregung und Teilnahme das vor ihm ausgebreitete Panorama, die sich unter dem greinen Tages¬ licht in langen Linien dohinbewegenden Truppen, die roten Blitze der Batterien, das wie von Ameisen wimmelnde Gelände, und zwischen den Rauchwolken durch einige sich in Hellem Farben absetzende Dörfer. Ihre Namen, die ihm von frühern Besuchen in der Nachbarschaft her bekannt waren, und die ihm das Marschtableau in Erinnerung gebracht hatte, lebten in seiner Erinnerung wieder auf. Rozieres, Coulmiers, Baccon, welches von ihnen würde heute abend im blutigen Not der Niederlage oder des Sieges prangen? Welchem von ihnen würde die Geschichte das hellglänzende oder das düstre Mal aufdrücken? Die Bataillone waren den Abhang hinabgestiegen und rückten auf der Ebne vor. Eugene hatte keinen Überblick mehr. Es umgab ihn ein eng begrenztes Gelände, Felder, an denen sich eine den Horizont verdeckende Hecke hinzog, ein Gebüsch, an dessen Ästen die letzten Blätter im Winde zitterten. So mit seinen Leuten in der Unwissenheit und der Erwartung zu sein, verursachte ihm neue Unruhe. Sie hatten keine Aussicht: waren sie den Blicken des Gegners entzogen? Der Geschützdonner grollte lauter: jetzt hörte man deutlich das ohrenzerreißende Heulen und das Krepieren der Granaten. Plötzlich kam etwa hundert Meter rechts von ihnen etwas Schwarzes geflogen, es wurde Erde aufgeworfen, Rauch stieg auf. Sie waren entdeckt. Wie eine Kralle wühlte etwas krampfartiges in Eugenes Eingeweiden. Die bleiche Furcht, die den Willen lahmt, den Menschen wie in einer Art Schwindel in Angst jagt. Es krepierte in abnehmender Entfernung eine zweite, eine dritte Granate. Un¬ willkürlich bückten sich die Mobilgardistcn, ließen sich auf die Erde fallen. Eine vierte fiel mitten hinein; Kugeln pfiffen. Eugene hörte neben sich den dumpfen Klang des in den menschlichen Körper einschlagenden Bleis, sein Nachbar fiel. Mechanisch rief er mit erstickter Stimme: Aufrücken. Niemand gehorchte; ein Durch¬ einander, ein plötzlicher Schreck, ein kopfloses Dcivonstürzen hatte die Sektion, die ganze Kompagnie auseinander gesprengt. Einer stürzte über den andern weg: mich ihn hatte die mit elementarer Gewalt umkehrende Flut mit sich fortgerissen. Das Gewissen erwachte in ihm: er war also im Begriff davonzulaufen? Nein! Er wollte seine Leute zum Stehn bringen, das wars, was er wollte I Und von einer unerklärlichen Wut ergriffen, kriegte er den ersten besten zu packen, schüttelte ihn. Er rannte von einem zum andern, beschwor die Leute kehrt zu machen, sprach ihnen Mut zu. Neben ihm hielt sein Hauvtmnnn, ein rothaariger Riese, breitete beide Arme ans und brachte ein paar Leute zum Stehn: mit lauter zuversichtlicher Stimme rief er sie beim Namen, höhnte sie, machte ihnen Vorwürfe. Die Mvbil- gardisten traten wieder in Reih und Glied, fast ebenso schnell wie sie auseinander- gestvben waren: die Kompagnie war wieder ein organisches Ganze geworden; Eugene zählte sein Peloton durch. Sie kamen bei dem Gefallnen vorbei: der sah wie ein Kind aus und lag mit untergeschlagnen Beinen auf dem Rücken, die Arme hintenübergestreckt, wie einer, der schläft. Es war wieder hügelanf gegangen, und um hatte man in einem Gehöfte Halt gemacht. Eugene fühlte sich gedemütigt und stand schreckliche Martern aus. Hatten es seine Leute, die er fast auf dem Flecke zum Stehn zu bringen gesucht hatte, für bare Münze genommen? Hatte sich der Hauptmann täuschen lassen? Hatte ihn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/318>, abgerufen am 27.07.2024.