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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Auf der Alm
[Beginn Spaltensatz] Wann i a'in Gamsberg steig,
Schang i mei Stutzerl a,
Ob es koan Föhla hat,
Daß i brav schiaßn ka.
Und wullts koan Föhla hat,
Laß i mei Stutzerl knalln,
Die Gambsein nbifalln
Drohn auf der Alm, [Spaltenumbruch] San die Haar aufflogn.
Is dös net a Freid
Für uns Jaaasleit,
Daß ma lnsel sanI Habs Gambsei gschossn,
Hat um net betrogn,
I Habs Feuer gsegn,
Und ham a Schneid, [Ende Spaltensatz] Wann ma koan Gold meh ham.
Da Bula giebt uns koans,
Gehn ma a'in Gmnsberg nauf,
Und schaugn selbst um oans,
I nimm mei Stutzerl mit
Und schiaß die Gans im Rauch,
Buain, na hab i Gold,
So viel i brauch.

Der letzte Ton jeder Strophe ging in einen sich wiederholenden Jodler über,
in den die andern nacheinander mit verschiedner Stimme einfielen, nicht laut, auch
nur mit halber Stimme, in einem eigentümlich schwebenden Rhythmus:

-- es klang entzückend! Nur zuletzt that einer der jüngern Burschen einen
Juchzer, daß Hanna zusammenfuhr.

Kannst net stat sein? fuhr ihn der altere Mann, der Haust, an; der Bursch
duckte sich hinter die andern und lugte dann mit verschmitztem Gesicht hinter dem
Herd vor.

Jgnnz, rief der Haust dem Zitherspieler zu, jetzt spielst uns den Wendelstvana,
aber die Deandln müssn mitthu",

Eben legte der Fgnaz wieder die Hände auf das Instrument, da fuhr er
zurück, und auch die andern sahen erstaunt auf. Draußen vor der Hütte, es mußte
dicht darau gewesen sein, war der langgezogne Pfiff einer Trillerpfeife ertönt.
Dann erklangen ganz wundersame Tone. Taktmäßige Schritte kamen heran, hielten
vor der Thür, während die Musik weiter tönte, und mau hörte ein Tasten nach
der Klinke. Paul flog vor und machte auf -- vier auf Mundharmonikas von ver¬
schiedner Größe blähende Männer zogen im Gänsemarsch herein, bliesen ihren Marsch
zu Ende und sahen sich dann erst um.

Dos san die vier! Dös San die Vier! jubelte Paul. Mein Gott, wie die
ausschaun! Er warf sich auf die Bank und wand sich vor Lachen.

Die vier sahen freilich wunderlich aus -- wie die Räuber! Sie hatten Plaids um
die Schultern und über ihre Ränzel, sodaß sie wie bucklige Männlein aussahen --
groß war keiner von ihnen. Die Hosen hatten sie hoch aufgekrempelt, aber bis über die
Kniee reichte der Schmutz, und der eine war sogar hinten bis an den Kragen voll
Kalkschlamm -- der hatte sich wohl einmal kräftig hingesetzt. Auf den Köpfen
hatten sie Hüte, deren Krempen herabgebogen waren, während jeder im Hutband
einen ganzen Kranz von Almenrausch und Edelweiß, Breudeln und Genzianen hatte;
das Wasser floß auf allen Seiten von ihnen herab. Brillen hatten sie alle vier
auf der Nase, über die sie mit komischen Augen wegschnitte", weil die Gläser in
der warmen Stube sofort anliefen. Und als sie die Hüte alle vier zugleich ab¬
nahmen, sah mau, daß sie alle vier auch fast gleichmäßig die Herdflamme von
kahlen Scheiteln spiegelten. Und alle vier ernsthaften Gesichter, denen es nur ein
wenig schelmisch um die Augenwinkel zuckte, waren von zerzausten Vollbärten nm-


Auf der Alm
[Beginn Spaltensatz] Wann i a'in Gamsberg steig,
Schang i mei Stutzerl a,
Ob es koan Föhla hat,
Daß i brav schiaßn ka.
Und wullts koan Föhla hat,
Laß i mei Stutzerl knalln,
Die Gambsein nbifalln
Drohn auf der Alm, [Spaltenumbruch] San die Haar aufflogn.
Is dös net a Freid
Für uns Jaaasleit,
Daß ma lnsel sanI Habs Gambsei gschossn,
Hat um net betrogn,
I Habs Feuer gsegn,
Und ham a Schneid, [Ende Spaltensatz] Wann ma koan Gold meh ham.
Da Bula giebt uns koans,
Gehn ma a'in Gmnsberg nauf,
Und schaugn selbst um oans,
I nimm mei Stutzerl mit
Und schiaß die Gans im Rauch,
Buain, na hab i Gold,
So viel i brauch.

Der letzte Ton jeder Strophe ging in einen sich wiederholenden Jodler über,
in den die andern nacheinander mit verschiedner Stimme einfielen, nicht laut, auch
nur mit halber Stimme, in einem eigentümlich schwebenden Rhythmus:

— es klang entzückend! Nur zuletzt that einer der jüngern Burschen einen
Juchzer, daß Hanna zusammenfuhr.

Kannst net stat sein? fuhr ihn der altere Mann, der Haust, an; der Bursch
duckte sich hinter die andern und lugte dann mit verschmitztem Gesicht hinter dem
Herd vor.

Jgnnz, rief der Haust dem Zitherspieler zu, jetzt spielst uns den Wendelstvana,
aber die Deandln müssn mitthu«,

Eben legte der Fgnaz wieder die Hände auf das Instrument, da fuhr er
zurück, und auch die andern sahen erstaunt auf. Draußen vor der Hütte, es mußte
dicht darau gewesen sein, war der langgezogne Pfiff einer Trillerpfeife ertönt.
Dann erklangen ganz wundersame Tone. Taktmäßige Schritte kamen heran, hielten
vor der Thür, während die Musik weiter tönte, und mau hörte ein Tasten nach
der Klinke. Paul flog vor und machte auf — vier auf Mundharmonikas von ver¬
schiedner Größe blähende Männer zogen im Gänsemarsch herein, bliesen ihren Marsch
zu Ende und sahen sich dann erst um.

Dos san die vier! Dös San die Vier! jubelte Paul. Mein Gott, wie die
ausschaun! Er warf sich auf die Bank und wand sich vor Lachen.

Die vier sahen freilich wunderlich aus — wie die Räuber! Sie hatten Plaids um
die Schultern und über ihre Ränzel, sodaß sie wie bucklige Männlein aussahen —
groß war keiner von ihnen. Die Hosen hatten sie hoch aufgekrempelt, aber bis über die
Kniee reichte der Schmutz, und der eine war sogar hinten bis an den Kragen voll
Kalkschlamm — der hatte sich wohl einmal kräftig hingesetzt. Auf den Köpfen
hatten sie Hüte, deren Krempen herabgebogen waren, während jeder im Hutband
einen ganzen Kranz von Almenrausch und Edelweiß, Breudeln und Genzianen hatte;
das Wasser floß auf allen Seiten von ihnen herab. Brillen hatten sie alle vier
auf der Nase, über die sie mit komischen Augen wegschnitte», weil die Gläser in
der warmen Stube sofort anliefen. Und als sie die Hüte alle vier zugleich ab¬
nahmen, sah mau, daß sie alle vier auch fast gleichmäßig die Herdflamme von
kahlen Scheiteln spiegelten. Und alle vier ernsthaften Gesichter, denen es nur ein
wenig schelmisch um die Augenwinkel zuckte, waren von zerzausten Vollbärten nm-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/158>, abgerufen am 01.09.2024.