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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Der Kampf um den Zolltarif

zureden suchte, der Kaiser und die verbündeten Regierungen könnten oder
wollten sich dieser selbstverständlichen Pflicht entziehn. Im General- und Ver¬
handlungstarif, was der Tarifentwurf vom 26. Juli sein will, konnte die Frage
nach dem auch beim Abschluß neuer Handelsverträge aufrecht zu erhaltenden,
zu verstärkenden oder neu zu schaffenden Zvllschntz für die Landwirtschaft ebenso¬
wenig beantwortet werden wie für die Industrie. Sie kommt natürlicher- und
verständigerweise erst bei der Vereinbarung von Vertragstarifen durch den Kaiser,
bei der Zustimmung des Bundesrath zu ihrem Abschluß und bei der Ge¬
nehmigung ihrer Giltigkeit durch deu Reichstag zur Entscheidung.

Damit sind wir bei dem Punkt angelangt, um den sich der Kampf um
den Zolltarif augenblicklich hauptsächlich dreht und eigentlich ausschließlich
drehen sollte: bei der Frage der Festlegung von Minimalgetreidezöllen im
Zolltarifgesetz. Hier haben die Vorbereiter und ursprünglichen Konzipienten
des ganzen Entwurfs den Hauptfehler gemacht, der den verantwortlichen Ver¬
treter der Reichsrcgierung, den Reichskanzler, in die größte Verlegenheit
bringen mußte.

Der i; 1 des Gesetzentwurfs lautet wörtlich:

Bei der Einfuhr der Waren in das deutsche Zollgebiet werden Zölle nach
Maßgabe des nachstehenden Zolltarifs erhoben, soweit nicht für die Einfuhr aus
bestimmten Ländern andre Vorschriften gelten.

Für die nachgenannten Getreidearten sollen die Zollsätze des Tarifs durch
vertragsmäßige Abmachungen nicht unter die beigefügten Sätze ermäßigt werden:

Tarifstelle 1. Roggen5 Mark für 1 Doppelzentner
2. Weizen und Spelz
3. Gerste . . , .
4. Hafer , . . ,t

Zwei Fragen haben wir bei der Beurteilung dieser Vorschrift zu erörtern:
erstens die Frage nach der Abmessung der Minimalzollsätze, zweitens und
hauptsächlich aber die Frage nach der Zweckmäßigkeit und Zulüssigkcit der Fest¬
legung im Tarifgesetz überhaupt.

Zunächst muß dabei die folgende Gegenüberstellung der Zollsätze des jetzt
noch geltenden General- und Vertragstarifs mit den General- und Minimal¬
tarifsätzen des Entwurfs und den vom deutschen Landwirtschaftsrat und von dem
preußischen Landesökonomiekollegium nach der Veröffentlichung des Entwurfs
verlangten General- und Minimalsätzen beachtet werden. Die Zollsätze sind
in Mark für den Doppelzentner angegeben.



Der Kampf um den Zolltarif

zureden suchte, der Kaiser und die verbündeten Regierungen könnten oder
wollten sich dieser selbstverständlichen Pflicht entziehn. Im General- und Ver¬
handlungstarif, was der Tarifentwurf vom 26. Juli sein will, konnte die Frage
nach dem auch beim Abschluß neuer Handelsverträge aufrecht zu erhaltenden,
zu verstärkenden oder neu zu schaffenden Zvllschntz für die Landwirtschaft ebenso¬
wenig beantwortet werden wie für die Industrie. Sie kommt natürlicher- und
verständigerweise erst bei der Vereinbarung von Vertragstarifen durch den Kaiser,
bei der Zustimmung des Bundesrath zu ihrem Abschluß und bei der Ge¬
nehmigung ihrer Giltigkeit durch deu Reichstag zur Entscheidung.

Damit sind wir bei dem Punkt angelangt, um den sich der Kampf um
den Zolltarif augenblicklich hauptsächlich dreht und eigentlich ausschließlich
drehen sollte: bei der Frage der Festlegung von Minimalgetreidezöllen im
Zolltarifgesetz. Hier haben die Vorbereiter und ursprünglichen Konzipienten
des ganzen Entwurfs den Hauptfehler gemacht, der den verantwortlichen Ver¬
treter der Reichsrcgierung, den Reichskanzler, in die größte Verlegenheit
bringen mußte.

Der i; 1 des Gesetzentwurfs lautet wörtlich:

Bei der Einfuhr der Waren in das deutsche Zollgebiet werden Zölle nach
Maßgabe des nachstehenden Zolltarifs erhoben, soweit nicht für die Einfuhr aus
bestimmten Ländern andre Vorschriften gelten.

Für die nachgenannten Getreidearten sollen die Zollsätze des Tarifs durch
vertragsmäßige Abmachungen nicht unter die beigefügten Sätze ermäßigt werden:

Tarifstelle 1. Roggen5 Mark für 1 Doppelzentner
2. Weizen und Spelz
3. Gerste . . , .
4. Hafer , . . ,t

Zwei Fragen haben wir bei der Beurteilung dieser Vorschrift zu erörtern:
erstens die Frage nach der Abmessung der Minimalzollsätze, zweitens und
hauptsächlich aber die Frage nach der Zweckmäßigkeit und Zulüssigkcit der Fest¬
legung im Tarifgesetz überhaupt.

Zunächst muß dabei die folgende Gegenüberstellung der Zollsätze des jetzt
noch geltenden General- und Vertragstarifs mit den General- und Minimal¬
tarifsätzen des Entwurfs und den vom deutschen Landwirtschaftsrat und von dem
preußischen Landesökonomiekollegium nach der Veröffentlichung des Entwurfs
verlangten General- und Minimalsätzen beachtet werden. Die Zollsätze sind
in Mark für den Doppelzentner angegeben.



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/14>, abgerufen am 28.07.2024.