Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.Döllingt-rs zwoitL Leb^nslzülfto lllld ich wüßte nicht zu sagen, wie ich es anfangen sollte, ein deutsches Gemüt, Döllingt-rs zwoitL Leb^nslzülfto lllld ich wüßte nicht zu sagen, wie ich es anfangen sollte, ein deutsches Gemüt, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0136" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235958"/> <fw type="header" place="top"> Döllingt-rs zwoitL Leb^nslzülfto</fw><lb/> <p xml:id="ID_475" prev="#ID_474" next="#ID_476"> lllld ich wüßte nicht zu sagen, wie ich es anfangen sollte, ein deutsches Gemüt,<lb/> von dem großen Gemüte des deutschen Volkes gnr nicht zu reden, aber nur<lb/> ein einziges konkretes deutsches oder bayrisches Gemüt in ein südliches zu<lb/> verwandeln/' Trotz aller Abneigung gegen die Bureaukratie spricht er sich<lb/> bei der Beratung eines Versammlungs- und Vereinsgcsetzes für strenge polizei¬<lb/> liche Überwachung der politischen Vereine aus, die er für verderblich hält<lb/> — in wirklich freien, nicht bureaukratisch regierten Ländern wie England gebe<lb/> es gar keine politischen Vereine —, fordert aber volle Freiheit für die gemein¬<lb/> nützigen Vereine und rechnet zu diesen anch alle Arten von katholischen<lb/> Vereinen, die durchaus keine politischen seien. Die Ausschließung der Minder¬<lb/> jährigen, nicht der Frauen, von den politischen Vereinen billigt er entschieden<lb/> und erklärt die damaligen Turnvereine und Arbeiterbildungsvereine für gefähr¬<lb/> lich. Sehr willkommen ist ihm, als Gelegenheit, seinen lieben Freund Waller-<lb/> stein zu ärgern, eine Eingabe des neu gegründeten Landvolkvereins an die<lb/> Kammer. Er verliest die Statuten dieses Vereins: Wahrung der März¬<lb/> errungenschaften, Aufrechterhaltung der Gesetze nicht bloß nach unten, Schutz<lb/> gegen Beamtenwillkür usw. und ruft aus: „Vergegenwärtigen Sie sich den<lb/> Operationsplan! Also unser Landvolk soll organisiert werden zu einem großen<lb/> politischen Vereine, um darüber zu wachen, daß die Stnatsdiener aller Kate¬<lb/> gorien vom Minister an bis zum letzten Beamten die Gesetze beobachten. Unsre<lb/> Bauern werden also künftig regelmäßig zusammenkommen müssen, um in deu<lb/> Wirtshäusern Vorträge zu hören von Dorfagitatoren oder Winkelngenten über<lb/> Gesetzesübertretungen, die ein Minister sich hat zu Schulden kommen lassen,<lb/> über die Übergriffe der Regierungen und, ums hier besonders Anklang finden<lb/> wird, über die Tyrannei und Willkür der Landgerichte. Jeder Bauer zahlt<lb/> jährlich 24 Kreuzer Beitrag. Wird dieser Verein über alle Dörfer Bayerns<lb/> verbreitet, so giebt dies eine ansehnliche Revenue und stellt deu Führern Mittel<lb/> zur Verfügung, mit denen sich in Bayern schon etwas anfangen läßt. Ruch<lb/> eröffnet das den Advokaten ohne Klienten, den Doktoren ohne Patienten,<lb/> Verschütteten und dergleichen Leuten schöne Aussichten. Zunächst wird der<lb/> Verein als eine großartige Anstalt zur Demoralisation unsers Landvolks<lb/> wirken, denn die Landleute, die bisher ihre Zeit mit Arbeit zubrachten, müssen<lb/> jetzt einen guten Teil ihrer Zeit im Wirtshause der neuen Beschäftigung widmen,<lb/> werden von der Arbeit abgezogen und in der Neigung zum Trunke bestärkt.<lb/> Ein Landproletariat wird entsteh«, nachdem schon ein Stadtproletariat ent¬<lb/> standen ist. Ich weiß nicht, ob sich die Gninder des Vereins alle Folgen klar<lb/> gemacht haben, ich weiß auch nicht, wer sie sind — zufällig steht die Unter¬<lb/> schrift des Herrn Fürsten von Wallerstein unter dein Exemplar der Vereins¬<lb/> satzungen, das der hohe» Kammer vorgelegt worden ist." Bei der Beratung<lb/> der Judenemanzipation erklärt Döllinger die völlige Gleichstellung der Juden,<lb/> auch ihre Zulassung zu allen Staats- und Gemeindeämtern einschließlich derer<lb/> an Gerichten und öffentlichen Lehranstalten, für unabweisbar; nur dürfe ihnen<lb/> der christliche Staat nicht preisgegeben werden, sofern mau diesen Begriff in<lb/> dem Sinne verstehe, daß gewisse christliche Institutionen, z. B. die Monogamie,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0136]
Döllingt-rs zwoitL Leb^nslzülfto
lllld ich wüßte nicht zu sagen, wie ich es anfangen sollte, ein deutsches Gemüt,
von dem großen Gemüte des deutschen Volkes gnr nicht zu reden, aber nur
ein einziges konkretes deutsches oder bayrisches Gemüt in ein südliches zu
verwandeln/' Trotz aller Abneigung gegen die Bureaukratie spricht er sich
bei der Beratung eines Versammlungs- und Vereinsgcsetzes für strenge polizei¬
liche Überwachung der politischen Vereine aus, die er für verderblich hält
— in wirklich freien, nicht bureaukratisch regierten Ländern wie England gebe
es gar keine politischen Vereine —, fordert aber volle Freiheit für die gemein¬
nützigen Vereine und rechnet zu diesen anch alle Arten von katholischen
Vereinen, die durchaus keine politischen seien. Die Ausschließung der Minder¬
jährigen, nicht der Frauen, von den politischen Vereinen billigt er entschieden
und erklärt die damaligen Turnvereine und Arbeiterbildungsvereine für gefähr¬
lich. Sehr willkommen ist ihm, als Gelegenheit, seinen lieben Freund Waller-
stein zu ärgern, eine Eingabe des neu gegründeten Landvolkvereins an die
Kammer. Er verliest die Statuten dieses Vereins: Wahrung der März¬
errungenschaften, Aufrechterhaltung der Gesetze nicht bloß nach unten, Schutz
gegen Beamtenwillkür usw. und ruft aus: „Vergegenwärtigen Sie sich den
Operationsplan! Also unser Landvolk soll organisiert werden zu einem großen
politischen Vereine, um darüber zu wachen, daß die Stnatsdiener aller Kate¬
gorien vom Minister an bis zum letzten Beamten die Gesetze beobachten. Unsre
Bauern werden also künftig regelmäßig zusammenkommen müssen, um in deu
Wirtshäusern Vorträge zu hören von Dorfagitatoren oder Winkelngenten über
Gesetzesübertretungen, die ein Minister sich hat zu Schulden kommen lassen,
über die Übergriffe der Regierungen und, ums hier besonders Anklang finden
wird, über die Tyrannei und Willkür der Landgerichte. Jeder Bauer zahlt
jährlich 24 Kreuzer Beitrag. Wird dieser Verein über alle Dörfer Bayerns
verbreitet, so giebt dies eine ansehnliche Revenue und stellt deu Führern Mittel
zur Verfügung, mit denen sich in Bayern schon etwas anfangen läßt. Ruch
eröffnet das den Advokaten ohne Klienten, den Doktoren ohne Patienten,
Verschütteten und dergleichen Leuten schöne Aussichten. Zunächst wird der
Verein als eine großartige Anstalt zur Demoralisation unsers Landvolks
wirken, denn die Landleute, die bisher ihre Zeit mit Arbeit zubrachten, müssen
jetzt einen guten Teil ihrer Zeit im Wirtshause der neuen Beschäftigung widmen,
werden von der Arbeit abgezogen und in der Neigung zum Trunke bestärkt.
Ein Landproletariat wird entsteh«, nachdem schon ein Stadtproletariat ent¬
standen ist. Ich weiß nicht, ob sich die Gninder des Vereins alle Folgen klar
gemacht haben, ich weiß auch nicht, wer sie sind — zufällig steht die Unter¬
schrift des Herrn Fürsten von Wallerstein unter dein Exemplar der Vereins¬
satzungen, das der hohe» Kammer vorgelegt worden ist." Bei der Beratung
der Judenemanzipation erklärt Döllinger die völlige Gleichstellung der Juden,
auch ihre Zulassung zu allen Staats- und Gemeindeämtern einschließlich derer
an Gerichten und öffentlichen Lehranstalten, für unabweisbar; nur dürfe ihnen
der christliche Staat nicht preisgegeben werden, sofern mau diesen Begriff in
dem Sinne verstehe, daß gewisse christliche Institutionen, z. B. die Monogamie,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |