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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Darüber etwas verlauten zu lassen, war uach keiner Seite hin opportun,
auch nach der nicht, wo die Schuld an den bisherigen Mißständen lag.

In der That zeigt die Geschichte der folgenden zwanzig Jahre, daß der
Schwerpunkt der denkwürdigen Unterredung in der angegebnen Richtung ge¬
legen hat. Das Einvernehmen zwischen der Führung des Kriegs und der
Leitung der Finanzen dauerte bis zum Tode Johanns de Wit ungetrübt
fort. Die Admiräle brauchten niemals darüber zu klagen, daß ihnen die Mittel
für die Kriegsführung zu kärglich zugemessen wurden, und dafür haben sie in
seltner Hingebung geleistet, was nur jemals Helden im Dienste ihres Vater¬
lands vollbracht haben. Es war eine große Zeit, die Holland erlebte, eine
Zeit, wie sie einem Volke nur dann beschieden ist, wenn alle seine Teile in
der Opferfreudigkeit für das Ganze wetteifern. Freilich ist das lichte Bild
auch jetzt nicht ohne den tiefen Schatten. Wiewohl beide Parteien dasselbe
Ziel haben, so erhebt doch häufig genug die Hydra der Zwietracht ihr
zischendes Haupt; nnr die unübertreffliche Staatskunst de Wies vermag den
offnen Ausbruch zurückzuhalten. Auch die bleiche Furcht, eine andre Form
der Selbstsucht, die über ihren Geldsäcken brütet, schleicht im Rücken des Muth
und sucht seine starken Hände zu binden.

Es handelt sich um die von den Engländern beanspruchte Herrschaft zur
See; dahin gehört vor allem die Anmaßung, daß ihnen das Recht auf Durch-
suchung aller fremden Schiffe zustehe. In Holland ist man keineswegs genullt,
sich dieser beleidigenden Zumutung zu fügen, und schon sind die nötigen Ordres
für die draußen kreuzenden Admiräle und Kapitäne an die Admiralität ab¬
gegangen. Aber jetzt verlautet es von gefährliche!? Zettelungen zwischen Frank¬
reich und England, die direkt gegen die Sicherheit der Republik gerichtet sein
sollen. Da ist es mit dem Mut vorbei. Mau möchte die Segnungen des Friedens
nicht schon wieder verlieren, und alsbald geht Weisung an die Admiralität von
Holland, die alle frühern Instruktionen energischen Inhalts zurücknimmt.

Dies sehr zum Verdruß und zu heftigem Unwillen de Ruytcrs, der sich
eben dazu anschickte, nach dem Mittelländischen Meere in See zu geh" und
gegen die Berbern zu kreuzen. Die Erwiderung, die er zu Papier gab,
atmet den ganzen Geist des Mannes und ist auch für seine politische Auf-
fassung der Dinge charakteristisch: "Gegen brutale Gewalt, so ist seine Meinung,
hilft demütiges Zurückweichen nichts, sondern ermutigt den Gegner nnr zu
immer kühnem Ausschreitungen, und auf der andern Seite -- trage ich nicht,
tragen wir nicht alle das stolze Gefühl der Kraft in unsrer Brust, uns gegen
eine ganze Welt zu behaupten? Die Zumutung, die uns mit dieser Zurück¬
nahme des gegebnen Befehls gemacht wird, ist befremdlich und für einen
Diener des Staats unerträglich. Bei einem solchen Verhalten muß uns über
kurz oder lang ein Affront treffe,,, der dem Gemeinwesen Schaden bringt und
die Befehlshaber der Kriegsschiffe bei unsrer Kaufmannschaft in den ärgsten
Mißkredit bringen muß. Es kann nichts Gutes dabei herauskommen, wem?
der geringste Engländer uns vor die Brust stoßen und im gegebnen Falle,
wenn es ihm paßt, mit Schiff und Ladung des holländischen Kaufmanns davon-


Darüber etwas verlauten zu lassen, war uach keiner Seite hin opportun,
auch nach der nicht, wo die Schuld an den bisherigen Mißständen lag.

In der That zeigt die Geschichte der folgenden zwanzig Jahre, daß der
Schwerpunkt der denkwürdigen Unterredung in der angegebnen Richtung ge¬
legen hat. Das Einvernehmen zwischen der Führung des Kriegs und der
Leitung der Finanzen dauerte bis zum Tode Johanns de Wit ungetrübt
fort. Die Admiräle brauchten niemals darüber zu klagen, daß ihnen die Mittel
für die Kriegsführung zu kärglich zugemessen wurden, und dafür haben sie in
seltner Hingebung geleistet, was nur jemals Helden im Dienste ihres Vater¬
lands vollbracht haben. Es war eine große Zeit, die Holland erlebte, eine
Zeit, wie sie einem Volke nur dann beschieden ist, wenn alle seine Teile in
der Opferfreudigkeit für das Ganze wetteifern. Freilich ist das lichte Bild
auch jetzt nicht ohne den tiefen Schatten. Wiewohl beide Parteien dasselbe
Ziel haben, so erhebt doch häufig genug die Hydra der Zwietracht ihr
zischendes Haupt; nnr die unübertreffliche Staatskunst de Wies vermag den
offnen Ausbruch zurückzuhalten. Auch die bleiche Furcht, eine andre Form
der Selbstsucht, die über ihren Geldsäcken brütet, schleicht im Rücken des Muth
und sucht seine starken Hände zu binden.

Es handelt sich um die von den Engländern beanspruchte Herrschaft zur
See; dahin gehört vor allem die Anmaßung, daß ihnen das Recht auf Durch-
suchung aller fremden Schiffe zustehe. In Holland ist man keineswegs genullt,
sich dieser beleidigenden Zumutung zu fügen, und schon sind die nötigen Ordres
für die draußen kreuzenden Admiräle und Kapitäne an die Admiralität ab¬
gegangen. Aber jetzt verlautet es von gefährliche!? Zettelungen zwischen Frank¬
reich und England, die direkt gegen die Sicherheit der Republik gerichtet sein
sollen. Da ist es mit dem Mut vorbei. Mau möchte die Segnungen des Friedens
nicht schon wieder verlieren, und alsbald geht Weisung an die Admiralität von
Holland, die alle frühern Instruktionen energischen Inhalts zurücknimmt.

Dies sehr zum Verdruß und zu heftigem Unwillen de Ruytcrs, der sich
eben dazu anschickte, nach dem Mittelländischen Meere in See zu geh» und
gegen die Berbern zu kreuzen. Die Erwiderung, die er zu Papier gab,
atmet den ganzen Geist des Mannes und ist auch für seine politische Auf-
fassung der Dinge charakteristisch: „Gegen brutale Gewalt, so ist seine Meinung,
hilft demütiges Zurückweichen nichts, sondern ermutigt den Gegner nnr zu
immer kühnem Ausschreitungen, und auf der andern Seite — trage ich nicht,
tragen wir nicht alle das stolze Gefühl der Kraft in unsrer Brust, uns gegen
eine ganze Welt zu behaupten? Die Zumutung, die uns mit dieser Zurück¬
nahme des gegebnen Befehls gemacht wird, ist befremdlich und für einen
Diener des Staats unerträglich. Bei einem solchen Verhalten muß uns über
kurz oder lang ein Affront treffe,,, der dem Gemeinwesen Schaden bringt und
die Befehlshaber der Kriegsschiffe bei unsrer Kaufmannschaft in den ärgsten
Mißkredit bringen muß. Es kann nichts Gutes dabei herauskommen, wem?
der geringste Engländer uns vor die Brust stoßen und im gegebnen Falle,
wenn es ihm paßt, mit Schiff und Ladung des holländischen Kaufmanns davon-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/598>, abgerufen am 28.09.2024.