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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Der Admiral de Ruyter und die holländischen Großkcmflente

Quellen nicht, aber es wird berichtet, daß in der letzten Schlacht eine nicht
unbeträchtliche Anzahl holländischer Schiffe ohne allen Grund vor der Ent¬
scheidung das Schlachtfeld verlassen hatte. Nicht einmal die Kugeln aus den
Kanonen des Admirals de Wit hatten diese feigen Kapitäne bewegen können,
zu ihrer Pflicht zurückzukehren. Es ist die Frage, worin die Schmach dieser
Erscheinung ihre Erklärung findet. Daß es an der Disziplin von Männern
wie Tromp und de Ruyter, wie Evertzen und de Wit nicht gelegen haben
kann, braucht nicht gesagt zu werden, es bleibt also nichts andres übrig als
anzunehmen, daß von der Verwaltung und vom Sitz der Regierung in der
Besetzung der Schiffskommandostcllen ein schlimmer Einfluß geübt wurden
war, den die Admiräle nicht hindern konnten, Bestätigung findet diese An¬
nahme in dem Umstände, daß alle zur Verantwortung gezognen Kapitäne
auf die nichtssagenden Gründe hin in der Verhandlung freigesprochen wurden.

Unter solchen Umständen war es nicht zu verwundern, daß de Ruyter
auf seine Erhebung zum wirklichen Vizeadmiral verzichtete und damit den
Staatsdienst aufzugeben beschloß. Sein Entschluß stand fest, und nichts hätte
ihn erschüttern können, als die möglichste Gewährleistung, daß Zustände, wie
sie ihm Grund zur Klage gegeben hatten, nicht wiederkehren sollten. Seine
Liebe zum Vaterlande reichte allein nicht aus, wenn sie umsonst dem Meere
zum Opfer fallen mußte. Nur die Gewißheit, daß der Kampf, den er zur See
mit den Feinden des Vaterlands kämpfte, nicht aussichtslos sei, vermochte ihn
dem Dienste zu erhalten.

Diese Gewißheit gab ihm der berühmte Johann de Wit, damals Rats-
pcnsionär von Holland, und so lange der junge Prinz von Oranien die Erb¬
schaft seiner Väter nicht angetreten hatte, der unbestrittne republikanische Lenker
der holländischen Geschicke. Von diesem Staatsmanne hieß es, daß seiner
Überredungskunst kaum ein Mensch habe widerstehn können. Das klingt über¬
schwenglich, aber wenn die Gründe de Wies bei einem Manne wie de Ruyter
durchschlugen, dann müssen sie aus der tiefsten Quelle geflossen sein. Auch
über diese verlautet bei den zeitgenössische" Geschichtschreibern nichts, aber
gerade hieraus kann mit gutem Grunde geschlossen werden, daß sich die Unter¬
redung der beiden auf die Zustände in der Marineverwaltung bezogen haben
muß, und daß eben ihretwegen der Staatsmann dem Flottenführer die be¬
ruhigenden Zusage" gemacht haben wird.

Damals stand de Wit mit Cromwell wegen Abschluß eines Friedens in
Unterhandlung, jeden Tag konnte die Nachricht einlaufen, daß den Feindselig¬
keiten Halt zu gebieten sei. Darauf konnte der Ratspensionär zur Beruhigung
seines Freundes zunächst hinweisen, aber es lag in seinem eigensten Interesse,
daß im Hinblick auf die kommenden Zeiten schon während des Friedens Ma߬
regeln getroffen wurden, die der Wiederkehr von Dingen, wie sie die letzte
Schlacht gezeigt hatte, für immer den Riegel vorschoben. In dem Gedränge
zwischen den europäischen Großstaaten und der oranischen Partei, das keiner
deutlicher herannahen sah als de Wit, konnte ihm keine wichtigere Sorge ob¬
liegen, als die stärkste Flotte zu schaffen und ihr den besten Führer zu geben.


Der Admiral de Ruyter und die holländischen Großkcmflente

Quellen nicht, aber es wird berichtet, daß in der letzten Schlacht eine nicht
unbeträchtliche Anzahl holländischer Schiffe ohne allen Grund vor der Ent¬
scheidung das Schlachtfeld verlassen hatte. Nicht einmal die Kugeln aus den
Kanonen des Admirals de Wit hatten diese feigen Kapitäne bewegen können,
zu ihrer Pflicht zurückzukehren. Es ist die Frage, worin die Schmach dieser
Erscheinung ihre Erklärung findet. Daß es an der Disziplin von Männern
wie Tromp und de Ruyter, wie Evertzen und de Wit nicht gelegen haben
kann, braucht nicht gesagt zu werden, es bleibt also nichts andres übrig als
anzunehmen, daß von der Verwaltung und vom Sitz der Regierung in der
Besetzung der Schiffskommandostcllen ein schlimmer Einfluß geübt wurden
war, den die Admiräle nicht hindern konnten, Bestätigung findet diese An¬
nahme in dem Umstände, daß alle zur Verantwortung gezognen Kapitäne
auf die nichtssagenden Gründe hin in der Verhandlung freigesprochen wurden.

Unter solchen Umständen war es nicht zu verwundern, daß de Ruyter
auf seine Erhebung zum wirklichen Vizeadmiral verzichtete und damit den
Staatsdienst aufzugeben beschloß. Sein Entschluß stand fest, und nichts hätte
ihn erschüttern können, als die möglichste Gewährleistung, daß Zustände, wie
sie ihm Grund zur Klage gegeben hatten, nicht wiederkehren sollten. Seine
Liebe zum Vaterlande reichte allein nicht aus, wenn sie umsonst dem Meere
zum Opfer fallen mußte. Nur die Gewißheit, daß der Kampf, den er zur See
mit den Feinden des Vaterlands kämpfte, nicht aussichtslos sei, vermochte ihn
dem Dienste zu erhalten.

Diese Gewißheit gab ihm der berühmte Johann de Wit, damals Rats-
pcnsionär von Holland, und so lange der junge Prinz von Oranien die Erb¬
schaft seiner Väter nicht angetreten hatte, der unbestrittne republikanische Lenker
der holländischen Geschicke. Von diesem Staatsmanne hieß es, daß seiner
Überredungskunst kaum ein Mensch habe widerstehn können. Das klingt über¬
schwenglich, aber wenn die Gründe de Wies bei einem Manne wie de Ruyter
durchschlugen, dann müssen sie aus der tiefsten Quelle geflossen sein. Auch
über diese verlautet bei den zeitgenössische» Geschichtschreibern nichts, aber
gerade hieraus kann mit gutem Grunde geschlossen werden, daß sich die Unter¬
redung der beiden auf die Zustände in der Marineverwaltung bezogen haben
muß, und daß eben ihretwegen der Staatsmann dem Flottenführer die be¬
ruhigenden Zusage» gemacht haben wird.

Damals stand de Wit mit Cromwell wegen Abschluß eines Friedens in
Unterhandlung, jeden Tag konnte die Nachricht einlaufen, daß den Feindselig¬
keiten Halt zu gebieten sei. Darauf konnte der Ratspensionär zur Beruhigung
seines Freundes zunächst hinweisen, aber es lag in seinem eigensten Interesse,
daß im Hinblick auf die kommenden Zeiten schon während des Friedens Ma߬
regeln getroffen wurden, die der Wiederkehr von Dingen, wie sie die letzte
Schlacht gezeigt hatte, für immer den Riegel vorschoben. In dem Gedränge
zwischen den europäischen Großstaaten und der oranischen Partei, das keiner
deutlicher herannahen sah als de Wit, konnte ihm keine wichtigere Sorge ob¬
liegen, als die stärkste Flotte zu schaffen und ihr den besten Führer zu geben.


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[0597] Der Admiral de Ruyter und die holländischen Großkcmflente Quellen nicht, aber es wird berichtet, daß in der letzten Schlacht eine nicht unbeträchtliche Anzahl holländischer Schiffe ohne allen Grund vor der Ent¬ scheidung das Schlachtfeld verlassen hatte. Nicht einmal die Kugeln aus den Kanonen des Admirals de Wit hatten diese feigen Kapitäne bewegen können, zu ihrer Pflicht zurückzukehren. Es ist die Frage, worin die Schmach dieser Erscheinung ihre Erklärung findet. Daß es an der Disziplin von Männern wie Tromp und de Ruyter, wie Evertzen und de Wit nicht gelegen haben kann, braucht nicht gesagt zu werden, es bleibt also nichts andres übrig als anzunehmen, daß von der Verwaltung und vom Sitz der Regierung in der Besetzung der Schiffskommandostcllen ein schlimmer Einfluß geübt wurden war, den die Admiräle nicht hindern konnten, Bestätigung findet diese An¬ nahme in dem Umstände, daß alle zur Verantwortung gezognen Kapitäne auf die nichtssagenden Gründe hin in der Verhandlung freigesprochen wurden. Unter solchen Umständen war es nicht zu verwundern, daß de Ruyter auf seine Erhebung zum wirklichen Vizeadmiral verzichtete und damit den Staatsdienst aufzugeben beschloß. Sein Entschluß stand fest, und nichts hätte ihn erschüttern können, als die möglichste Gewährleistung, daß Zustände, wie sie ihm Grund zur Klage gegeben hatten, nicht wiederkehren sollten. Seine Liebe zum Vaterlande reichte allein nicht aus, wenn sie umsonst dem Meere zum Opfer fallen mußte. Nur die Gewißheit, daß der Kampf, den er zur See mit den Feinden des Vaterlands kämpfte, nicht aussichtslos sei, vermochte ihn dem Dienste zu erhalten. Diese Gewißheit gab ihm der berühmte Johann de Wit, damals Rats- pcnsionär von Holland, und so lange der junge Prinz von Oranien die Erb¬ schaft seiner Väter nicht angetreten hatte, der unbestrittne republikanische Lenker der holländischen Geschicke. Von diesem Staatsmanne hieß es, daß seiner Überredungskunst kaum ein Mensch habe widerstehn können. Das klingt über¬ schwenglich, aber wenn die Gründe de Wies bei einem Manne wie de Ruyter durchschlugen, dann müssen sie aus der tiefsten Quelle geflossen sein. Auch über diese verlautet bei den zeitgenössische» Geschichtschreibern nichts, aber gerade hieraus kann mit gutem Grunde geschlossen werden, daß sich die Unter¬ redung der beiden auf die Zustände in der Marineverwaltung bezogen haben muß, und daß eben ihretwegen der Staatsmann dem Flottenführer die be¬ ruhigenden Zusage» gemacht haben wird. Damals stand de Wit mit Cromwell wegen Abschluß eines Friedens in Unterhandlung, jeden Tag konnte die Nachricht einlaufen, daß den Feindselig¬ keiten Halt zu gebieten sei. Darauf konnte der Ratspensionär zur Beruhigung seines Freundes zunächst hinweisen, aber es lag in seinem eigensten Interesse, daß im Hinblick auf die kommenden Zeiten schon während des Friedens Ma߬ regeln getroffen wurden, die der Wiederkehr von Dingen, wie sie die letzte Schlacht gezeigt hatte, für immer den Riegel vorschoben. In dem Gedränge zwischen den europäischen Großstaaten und der oranischen Partei, das keiner deutlicher herannahen sah als de Wit, konnte ihm keine wichtigere Sorge ob¬ liegen, als die stärkste Flotte zu schaffen und ihr den besten Führer zu geben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/597>, abgerufen am 25.06.2024.