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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die Ergebnisse des chinesischen Feldzugs

Es stellte den Oberbefehlshaber, und seine militärische Organisation bewährte
sich auch diesen völlig unerwartet herantretenden neuen Aufgaben gegenüber
vortrefflich' in wenig Wochen ivar ein Armeekorps von 24000 Mann ans
Freiwilligen des Landheers aufgestellt und wurde ausschließlich auf deutschen
Dampfern pünktlich an Ort und Stelle gebracht; ein starkes Geschwader, wie
es in diesem Umfang Deutschland noch niemals entsandt hat, gab den Ope¬
rationen den unentbehrlichen Rückhalt, und alle unsre Truppen entfalteten zu
Land und zur See, ans Märschen und in blutigen Kämpfen unter völlig
fremdartigen Verhältnissen in einem wegearmen, im einzelnen wenig bekannten
Lande eine Disziplin, Ausdauer und Kampfesfreudigkeit, die ihnen zum höchsten
Lobe gereichen und von aller Welt anerkannt worden sind.

So hat Deutschland ganz wesentlich dazu beigetragen, eine neue Bresche
in die chinesische Mauer zu legen, den Anbruch einer neuen Zeit für das
Nieseurcich der Mitte vorzubereiten, Deal eine solche wird kommen und muß
kommen, in langsameren Schritt als in Japan, aber ebenso sicher wie dort.
China wird sich dem fremden Handel viel weiter öffnen als bisher, die Mission
wird nach schweren, nicht unverschuldet erlittnen Einbußen eine verstärkte Wirk¬
samkeit entfalten, und mit beiden werden europäische Gedanken ihren Einzug
halten in diese uralte, aber erstarrte Kulturwelt, Die drohende Gefahr, daß
China dem ausschließlichen Einfluß des halbasiatischen Rußlands versiele und
dafür der westeuropäischen Kultur gesperrt werde, ist abgewandt. Ohne Rück¬
schläge freilich, ohne Schwierigkeiten der verschiedensten Art wird es nicht ab-
gehn, und ob die Entwicklung, die dort im fernsten Osten anhebt, uns aus¬
schließlich zum Segen gereichen wird, wer weiß es? Aber wir haben die Dinge,
die uns nach China führten, nicht gemacht, und es ziemt sich, mit männ¬
lichem Mute, mit klarem Blick der Zukunft ins Auge zu sehen, nicht feig
zurückzuweichen, wo neue, unabsehbare Aufgaben auftauchen, "Der Mensch
kann das Schiff lenken, das auf dem Strome fährt, nicht aber den Strom
selbst,"

Welche Macht hätte wohl Ursache, mit größerer Genugthuung auf das
Erreichte und Geleistete zurückziehen als Deutschland? Militärisch haben sich
die Streitkrnftc aller Mächte gleich gut bewährt, und die Japaner haben ihren
junge" militärischen Ruf neu befestigt. Aber die Nordmneriknner haben mit
ihrer halb hinterhältigen, halb schwächlichen Politik, die ihnen die Schwierig¬
keiten auf den Philippinen und die Rücksichten auf die heimischen Parteiver¬
hältnisse auferlegten, eine ziemlich klägliche Rolle gespielt, und Rußland hat
sich zwar mit stillschweigender Zulassung der übrigen Mächte in der Mand¬
schurei festgesetzt, aber die Verwirklichung des Lieblingstraums seiner Politiker
vom Schlage des Fürsten llchtomstij, die führende Stellung in ganz China
zu gewinnen, wenigstens vorläufig verschiebe" müssen, und England hat nicht
nur amtlich auf seine angebliche Interessensphäre am Jangtse zu Gunsten des
Prinzips der offnen Thüren verzichtet, sondern muß sich auch eingestehn, daß
es mit seiner nahezu monopolistischen Stellung im chinesischen Handel zu Ende


Die Ergebnisse des chinesischen Feldzugs

Es stellte den Oberbefehlshaber, und seine militärische Organisation bewährte
sich auch diesen völlig unerwartet herantretenden neuen Aufgaben gegenüber
vortrefflich' in wenig Wochen ivar ein Armeekorps von 24000 Mann ans
Freiwilligen des Landheers aufgestellt und wurde ausschließlich auf deutschen
Dampfern pünktlich an Ort und Stelle gebracht; ein starkes Geschwader, wie
es in diesem Umfang Deutschland noch niemals entsandt hat, gab den Ope¬
rationen den unentbehrlichen Rückhalt, und alle unsre Truppen entfalteten zu
Land und zur See, ans Märschen und in blutigen Kämpfen unter völlig
fremdartigen Verhältnissen in einem wegearmen, im einzelnen wenig bekannten
Lande eine Disziplin, Ausdauer und Kampfesfreudigkeit, die ihnen zum höchsten
Lobe gereichen und von aller Welt anerkannt worden sind.

So hat Deutschland ganz wesentlich dazu beigetragen, eine neue Bresche
in die chinesische Mauer zu legen, den Anbruch einer neuen Zeit für das
Nieseurcich der Mitte vorzubereiten, Deal eine solche wird kommen und muß
kommen, in langsameren Schritt als in Japan, aber ebenso sicher wie dort.
China wird sich dem fremden Handel viel weiter öffnen als bisher, die Mission
wird nach schweren, nicht unverschuldet erlittnen Einbußen eine verstärkte Wirk¬
samkeit entfalten, und mit beiden werden europäische Gedanken ihren Einzug
halten in diese uralte, aber erstarrte Kulturwelt, Die drohende Gefahr, daß
China dem ausschließlichen Einfluß des halbasiatischen Rußlands versiele und
dafür der westeuropäischen Kultur gesperrt werde, ist abgewandt. Ohne Rück¬
schläge freilich, ohne Schwierigkeiten der verschiedensten Art wird es nicht ab-
gehn, und ob die Entwicklung, die dort im fernsten Osten anhebt, uns aus¬
schließlich zum Segen gereichen wird, wer weiß es? Aber wir haben die Dinge,
die uns nach China führten, nicht gemacht, und es ziemt sich, mit männ¬
lichem Mute, mit klarem Blick der Zukunft ins Auge zu sehen, nicht feig
zurückzuweichen, wo neue, unabsehbare Aufgaben auftauchen, „Der Mensch
kann das Schiff lenken, das auf dem Strome fährt, nicht aber den Strom
selbst,"

Welche Macht hätte wohl Ursache, mit größerer Genugthuung auf das
Erreichte und Geleistete zurückziehen als Deutschland? Militärisch haben sich
die Streitkrnftc aller Mächte gleich gut bewährt, und die Japaner haben ihren
junge» militärischen Ruf neu befestigt. Aber die Nordmneriknner haben mit
ihrer halb hinterhältigen, halb schwächlichen Politik, die ihnen die Schwierig¬
keiten auf den Philippinen und die Rücksichten auf die heimischen Parteiver¬
hältnisse auferlegten, eine ziemlich klägliche Rolle gespielt, und Rußland hat
sich zwar mit stillschweigender Zulassung der übrigen Mächte in der Mand¬
schurei festgesetzt, aber die Verwirklichung des Lieblingstraums seiner Politiker
vom Schlage des Fürsten llchtomstij, die führende Stellung in ganz China
zu gewinnen, wenigstens vorläufig verschiebe« müssen, und England hat nicht
nur amtlich auf seine angebliche Interessensphäre am Jangtse zu Gunsten des
Prinzips der offnen Thüren verzichtet, sondern muß sich auch eingestehn, daß
es mit seiner nahezu monopolistischen Stellung im chinesischen Handel zu Ende


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/59>, abgerufen am 22.07.2024.