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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die Anfänge der holländischen kcindschaftsinalerei

Studien mehr bedurft zik haben scheint, finde" sich ausdrucksvolle Blciskizzen
von völlig bildinäßiger Wirkung, die uns zeigen, wie gründlich er bis zu¬
letzt zu Werke ging: fiiuf Blätter von 1651 bis 1653 ebenda. Offenbar ist
er eine lebendige, auch äußerlich bewegliche Natur, was für das Versteh"
seiner feinen, geistigen und vielerlei Ausdrucks fähigen Malerei von Belang
sein wird.

Noch in seiner frühern Zeit hat er fünf (selten vorkommende) kleine Blätter
radiert, Dvrfansichteu mit einigen Figuren, zweimal mit derselben Kirche, nach
deren Turm sich die Örtlichkeit wohl noch bestimmen ließe; auf deu ersten
Blick scheinen sie unbedeutend, näher betrachtet sind sie aber für seine ganze
spätere Art höchst bezeichnend. Äußerlich Nadelarbeit, wenn man sie gegen
Molyns feste Strichführung hält, haben sie auch noch eine Poesie des Gegen¬
standes, etwas sentimentales möchte man beinahe sagen, wenn man auf das
eine Blättchen mit einem Kirchhof sieht, das leicht mit einem Trnnerzuge
staffiert ist, und dieser Stimmungsgehalt ist dein phlegmatischen Pieter de Molyu
fremd. Später stach uoch Klaas Janßz Nisscher eine Folge voll zwölf rsgiun-
eula,s iunosiüssimitk, deren anmutige Gegenstände uns ans bekannten Gemälden
Gödens wieder begegnen.

Gegen 1634, also bald nach dem Tode des Esaias van de Velde, ließ
er sich im Haag nieder. Für die umfangreiche Ansicht der Stadt, die noch jetzt
im dortigen Gemeindeinnscum hängt, und die für Goben nicht günstig ist, weil
er in diesem Maßstabe sein Bestes, die Intimität, verloren geben mußte, be¬
zahlte ihm 1651 der Rat 650 Gulden, Das war einmal und nicht lauge
vor seinen! Tode. Übrigens mußte er sich mit wenig Gulden für daS Stück
begnügen, wenn er häufig genug Bilderversteigcrungen in seinem Hanse ab¬
hielt, und er starb verschuldet. Kaufte er für seinen Tulpenhandel eine einzige
Zwiebel, so hatte er dafür mindestens drei Bilder zu malen, und dennoch
werden diese Bilder -- rührend genng -- immer schöner, denn seine letzte
Manier ist heute die begehrteste. Unter den Künstlern war Goben geachtet,
aber dem großen Publikum seiner Zeit waren seine Bilder zu schlicht. Es
verlangte ein sachlich Greifbares an Inhalt oder etwas vermeintlich Höheres
in der Anffcissnng. Er aber widerstand der Versuchung, sie mit italienischen
Figuren und südlichen Ruinen nach Kupferstichen zu füllen, wie es viele andre
vor ihm und nach ihm thaten. Erst die neuste Zeit ist Goben gerecht geworden.
Jetzt ist er so recht der Meister für bescheidne Liebhaber, die kein Bcmkiers-
einkvmmen aufzuwenden haben, und allein durch die Kölner Auktionen gelangt
jahraus jahrein so manches wirklich hübsche Bild für wenige hundert Thaler
in irgend einen unbekannten Privatbesitz; es erscheint dann abermals nach so
und soviel Jahren wieder und bringt Freude in ein andres Haus. Wir lassen
diese Wandervögel zieh", weil der Leser ihrer schwerlich habhaft werden könnte,
"ut halten "us bei der Auswahl einiger Beispiele unter der großen Menge
von Gödens Gemälden, die einen Zeitraum von beinahe vierzig Jahren um¬
fassen, hauptsächlich an den Borrat der öffentlichen Sammlungen,


Die Anfänge der holländischen kcindschaftsinalerei

Studien mehr bedurft zik haben scheint, finde» sich ausdrucksvolle Blciskizzen
von völlig bildinäßiger Wirkung, die uns zeigen, wie gründlich er bis zu¬
letzt zu Werke ging: fiiuf Blätter von 1651 bis 1653 ebenda. Offenbar ist
er eine lebendige, auch äußerlich bewegliche Natur, was für das Versteh»
seiner feinen, geistigen und vielerlei Ausdrucks fähigen Malerei von Belang
sein wird.

Noch in seiner frühern Zeit hat er fünf (selten vorkommende) kleine Blätter
radiert, Dvrfansichteu mit einigen Figuren, zweimal mit derselben Kirche, nach
deren Turm sich die Örtlichkeit wohl noch bestimmen ließe; auf deu ersten
Blick scheinen sie unbedeutend, näher betrachtet sind sie aber für seine ganze
spätere Art höchst bezeichnend. Äußerlich Nadelarbeit, wenn man sie gegen
Molyns feste Strichführung hält, haben sie auch noch eine Poesie des Gegen¬
standes, etwas sentimentales möchte man beinahe sagen, wenn man auf das
eine Blättchen mit einem Kirchhof sieht, das leicht mit einem Trnnerzuge
staffiert ist, und dieser Stimmungsgehalt ist dein phlegmatischen Pieter de Molyu
fremd. Später stach uoch Klaas Janßz Nisscher eine Folge voll zwölf rsgiun-
eula,s iunosiüssimitk, deren anmutige Gegenstände uns ans bekannten Gemälden
Gödens wieder begegnen.

Gegen 1634, also bald nach dem Tode des Esaias van de Velde, ließ
er sich im Haag nieder. Für die umfangreiche Ansicht der Stadt, die noch jetzt
im dortigen Gemeindeinnscum hängt, und die für Goben nicht günstig ist, weil
er in diesem Maßstabe sein Bestes, die Intimität, verloren geben mußte, be¬
zahlte ihm 1651 der Rat 650 Gulden, Das war einmal und nicht lauge
vor seinen! Tode. Übrigens mußte er sich mit wenig Gulden für daS Stück
begnügen, wenn er häufig genug Bilderversteigcrungen in seinem Hanse ab¬
hielt, und er starb verschuldet. Kaufte er für seinen Tulpenhandel eine einzige
Zwiebel, so hatte er dafür mindestens drei Bilder zu malen, und dennoch
werden diese Bilder — rührend genng — immer schöner, denn seine letzte
Manier ist heute die begehrteste. Unter den Künstlern war Goben geachtet,
aber dem großen Publikum seiner Zeit waren seine Bilder zu schlicht. Es
verlangte ein sachlich Greifbares an Inhalt oder etwas vermeintlich Höheres
in der Anffcissnng. Er aber widerstand der Versuchung, sie mit italienischen
Figuren und südlichen Ruinen nach Kupferstichen zu füllen, wie es viele andre
vor ihm und nach ihm thaten. Erst die neuste Zeit ist Goben gerecht geworden.
Jetzt ist er so recht der Meister für bescheidne Liebhaber, die kein Bcmkiers-
einkvmmen aufzuwenden haben, und allein durch die Kölner Auktionen gelangt
jahraus jahrein so manches wirklich hübsche Bild für wenige hundert Thaler
in irgend einen unbekannten Privatbesitz; es erscheint dann abermals nach so
und soviel Jahren wieder und bringt Freude in ein andres Haus. Wir lassen
diese Wandervögel zieh», weil der Leser ihrer schwerlich habhaft werden könnte,
«ut halten »us bei der Auswahl einiger Beispiele unter der großen Menge
von Gödens Gemälden, die einen Zeitraum von beinahe vierzig Jahren um¬
fassen, hauptsächlich an den Borrat der öffentlichen Sammlungen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/579>, abgerufen am 22.07.2024.