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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die Anfänge der holländischen Landschaftsmaler"!!

und Alpenglühen dichtet fern von der Natur und mit Moor und Heide, die
uns vor Augen liegen, nichts anzufangen weiß. Ein wirklicher Künstler wie
Böcklin findet dagegen in der Schweiz "blutwenig, was einen zum Malen
anregt,"

Die italienische Richtung wird eingeführt durch einen ältern Haarlemer,
Pieter de Laar, der lange in Italien gewesen war und dann in Haarlem
Ruinenlandschaften und Straßenansichten malte mit lebendigen Volksszenen,
die mehr als bloße Staffage sind und damals großen Eindruck machten. Am
erfolgreichsten ist auf diesem Gebiet der Haarlemer Berchem, der später nach
Amsterdam übersiedelt. Zwischen ihm und den nationalen Landschaftern hält
der Amsterdamer Adriaeu van de Velde die Mitte, er malt äußerlich dasselbe
wie Berchem, Landschaft mit Vieh, aber seine Landschaft hat nur einen italie¬
nischen Anflug, und seine ganze Art ist feiner. Zu diesen beiden kommt als
dritter in derselben Gattung der Dordrechter Albert Cuyp (1620 geboren).
Er übertrifft jene, die man ungefähr einander gleichsetzen könnte, nicht als
Figurenzeichner, wohl aber in dem Ganzen seines ungemein poetischen Natur¬
bildes, das er ohne italienische Erhöhung mit den Elementen der Heimat haupt¬
sächlich durch die Wirkungen eines ihm eigentümlichen Sonnenlichts erreicht;
nur bei Goyen in seiner spätern Zeit haben wir noch solche Eindrücke. Der
vierte dieser Reihe, der etwas jüngere Paul Potter, ist ganz national; alles
Italienische liegt ihm fern. Er ist weniger Poet als Cuyp, als Landschafter
tüchtig, bisweilen auch eindrucksvoll, aber der Nachdruck liegt bei ihm auf den
Figuren, namentlich den Kühen, die niemand so gut gemalt hat, und als
Ganzes gehört seine Tierlandschaft zu dem Charakteristischsten, was uns die
holländische Malerei hinterlassen hat.

Cuyp hat keinen eigentlichen Nachfolger gehabt, Potter mir wenige und
keinen, der etwas bedeutet. Aber in der italienischen Richtung finden sich
Künstler von einigem Verdienst: zunächst Berchems Schüler Du Jardin und
Romeyn, ferner aus Wouwermcms Kreise Lingelbach, der italienische Hafen¬
ansichten malt, endlich zwei feine Landschafter, Hackaert und Dirck van Bergen,
Schüler des Adriaen van de Velde, die aber dann das Italienische an der
Quelle schöpften.

Neben Pieter de Molyn aus Haarlem bilden eine Gruppe für sich drei
Zeitgenossen, die keine Haarlemer sind, und die viel gemeinsames haben:
Adriaen van de Venne, Esaias van de Velde und Jan van Goyen. Alle
drei sind nicht bloß Landschafter, sondern auch gute Figurenzeichner. Adriaen
van de Venne übertrifft darin die andern, ein feiner und ganz besondrer
Künstler, aber nur in der frühern Zeit, denn später wird er nachlässig, dekorativ
und gesucht unruhig. Esaias van de Velde ist einfacher und nicht so fein,
aber er bleibt in seinem Vortrag gleichmäßig fest und solide. Er ist nur
vierzig Jahre alt geworden und hat nur einen Stil, einen, möchte man sagen,
nicht zur vollen Reife gekommnen Jugendstil; wenigstens hat man den Ein¬
druck, daß ein so durch und durch kräftiger Künstler auch wohl noch etwas


Die Anfänge der holländischen Landschaftsmaler«!!

und Alpenglühen dichtet fern von der Natur und mit Moor und Heide, die
uns vor Augen liegen, nichts anzufangen weiß. Ein wirklicher Künstler wie
Böcklin findet dagegen in der Schweiz „blutwenig, was einen zum Malen
anregt,"

Die italienische Richtung wird eingeführt durch einen ältern Haarlemer,
Pieter de Laar, der lange in Italien gewesen war und dann in Haarlem
Ruinenlandschaften und Straßenansichten malte mit lebendigen Volksszenen,
die mehr als bloße Staffage sind und damals großen Eindruck machten. Am
erfolgreichsten ist auf diesem Gebiet der Haarlemer Berchem, der später nach
Amsterdam übersiedelt. Zwischen ihm und den nationalen Landschaftern hält
der Amsterdamer Adriaeu van de Velde die Mitte, er malt äußerlich dasselbe
wie Berchem, Landschaft mit Vieh, aber seine Landschaft hat nur einen italie¬
nischen Anflug, und seine ganze Art ist feiner. Zu diesen beiden kommt als
dritter in derselben Gattung der Dordrechter Albert Cuyp (1620 geboren).
Er übertrifft jene, die man ungefähr einander gleichsetzen könnte, nicht als
Figurenzeichner, wohl aber in dem Ganzen seines ungemein poetischen Natur¬
bildes, das er ohne italienische Erhöhung mit den Elementen der Heimat haupt¬
sächlich durch die Wirkungen eines ihm eigentümlichen Sonnenlichts erreicht;
nur bei Goyen in seiner spätern Zeit haben wir noch solche Eindrücke. Der
vierte dieser Reihe, der etwas jüngere Paul Potter, ist ganz national; alles
Italienische liegt ihm fern. Er ist weniger Poet als Cuyp, als Landschafter
tüchtig, bisweilen auch eindrucksvoll, aber der Nachdruck liegt bei ihm auf den
Figuren, namentlich den Kühen, die niemand so gut gemalt hat, und als
Ganzes gehört seine Tierlandschaft zu dem Charakteristischsten, was uns die
holländische Malerei hinterlassen hat.

Cuyp hat keinen eigentlichen Nachfolger gehabt, Potter mir wenige und
keinen, der etwas bedeutet. Aber in der italienischen Richtung finden sich
Künstler von einigem Verdienst: zunächst Berchems Schüler Du Jardin und
Romeyn, ferner aus Wouwermcms Kreise Lingelbach, der italienische Hafen¬
ansichten malt, endlich zwei feine Landschafter, Hackaert und Dirck van Bergen,
Schüler des Adriaen van de Velde, die aber dann das Italienische an der
Quelle schöpften.

Neben Pieter de Molyn aus Haarlem bilden eine Gruppe für sich drei
Zeitgenossen, die keine Haarlemer sind, und die viel gemeinsames haben:
Adriaen van de Venne, Esaias van de Velde und Jan van Goyen. Alle
drei sind nicht bloß Landschafter, sondern auch gute Figurenzeichner. Adriaen
van de Venne übertrifft darin die andern, ein feiner und ganz besondrer
Künstler, aber nur in der frühern Zeit, denn später wird er nachlässig, dekorativ
und gesucht unruhig. Esaias van de Velde ist einfacher und nicht so fein,
aber er bleibt in seinem Vortrag gleichmäßig fest und solide. Er ist nur
vierzig Jahre alt geworden und hat nur einen Stil, einen, möchte man sagen,
nicht zur vollen Reife gekommnen Jugendstil; wenigstens hat man den Ein¬
druck, daß ein so durch und durch kräftiger Künstler auch wohl noch etwas


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/574>, abgerufen am 22.07.2024.