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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Bizerta

hier eine offne Meeresbucht und von ihr durch eine" ganz schmalen Land-
streifen geschieden ein großer Lnndsee -- da verstand es sich für die Phönizier
von selbst, den Kanal zu graben, der See und Meer verband und den See
zum geschütztesten Seehafen Afrikas umwandelte. Die hier gegründete Stadt
nennt Diodor Hippone Atra, nährend der wegen seiner schönen Lage im
Altertum berühmte See Lissra I-i-eus hieß. Der Hafen spielte in den punischen
Kriegen eine keineswegs nebensächliche Rolle. Agathokles legte hier 317 v. Chr.
neue Befestigungen an und vergrößerte den Hafen. Eine Eroberung der
starken Seefeste gelang dem karthagischen General Hanno. Unter römischer
Herrschaft erhielt die Stadt den Namen Hippo Zarhthus oder Diarrhytus
(zum Unterschied von Hippo Negnis, dessen Ruinen heute zwei Meilen östlich
von Bona zu sehen find). Wie eine am Fort Espagnol eingemnncrtc römische
Inschrift ((?suo <no1. Julias Hipp, vmrrd.. Liter.) meldet, wurde die Nieder¬
lassung durch Augustus zur römischen Kolonie erhoben, und die Stadt galt
bald als einer der wichtigsten Plätze der afrikanischen Provinz.

Von den weiter" Schicksalen sei nur kurz erwähnt, daß Benzert 661 in
die Hand der Mauren kam. Später, bei Beginn der Vertreibung der Mauren
aus Spanien wandten sich viele Flüchtlinge hierher zu ihren Stammesgenossen,
wie denn noch gegenwartig ein besondres ,,Stadtviertel der Andalusier" vor¬
handen ist (mit der vjam-r s-- Moscheej öl ^ncllsss). Kheireddin, Mutes
Hassen, Andrea Doria usw. machte" Bizerta zum Schauplatz ihrer Thaten.
Der schwerste Schlag im Lauf der Jahrhunderte traf die Stadt in den Jahren
1784 bis 1786; el" venezianisches Geschwader unter Admiral Emo hielt den
Hase" blockiert und äscherte schließlich die Stadt el". Nur noch eine ver-
schollue Ruinenstätte, wie Nordafrika deren zahllose birgt, war es, auf deren
geborstener Knsbah 1881 der französische Admiral Mivt die Trikolore auf¬
pflanzte. Aber von dieseni Zeitpunkt an ging die Sonne -- um in französischer
Admiralssprache zu reden -- wieder auf über die vergessene Schöne, u"d heute
ist sie das mit Argusaugen bewachte Kleinod der französischen Republik.

Es ist nach mehr als einer Richtung bezeichnend und vielleicht für n"s
Deutsche sogar belehrend, wie sich diese Entwicklung aus dem Nichts zu solchem
Glänze vollzog. Benzert war in der That gleich nichts: von Handelsverkehr
war kaum noch eine Spur, der Hafen war so verschüttet, daß ihn nur Nu߬
schale" benutzen konnten, das Gestade war verrufen, weil schon so manches
große Schiff dort zu Grunde gegangen war. Da führte zwei Jahre nach der
französischen Besitzergreifung ein Zufall, ein Ausflug, den Sohn des Suezkanal¬
unternehmers Couvreux dorthin, und sofort ging dem intelligenten jungen
Mann die Erkenntnis auf: Hier stimmt ja alles für den besten Hafen von
der Welt! Ein sofort an den damaligen Ministerresidenten in Tunis, Cambo",
eingegebnes Gesuch um die Erlaubnis zur Errichtung eines Handelshafens
erzielte zunächst nur den Bescheid, man müsse warten, bis die Eisenbahnlinie,
die Bizerta mit dem tunesischen Bnhnnetz verbinden sollte, endgiltig festgelegt
sei. Aber schon 1885 beschloß die Marineverwaltnng die Einrichtung einer


Bizerta

hier eine offne Meeresbucht und von ihr durch eine» ganz schmalen Land-
streifen geschieden ein großer Lnndsee — da verstand es sich für die Phönizier
von selbst, den Kanal zu graben, der See und Meer verband und den See
zum geschütztesten Seehafen Afrikas umwandelte. Die hier gegründete Stadt
nennt Diodor Hippone Atra, nährend der wegen seiner schönen Lage im
Altertum berühmte See Lissra I-i-eus hieß. Der Hafen spielte in den punischen
Kriegen eine keineswegs nebensächliche Rolle. Agathokles legte hier 317 v. Chr.
neue Befestigungen an und vergrößerte den Hafen. Eine Eroberung der
starken Seefeste gelang dem karthagischen General Hanno. Unter römischer
Herrschaft erhielt die Stadt den Namen Hippo Zarhthus oder Diarrhytus
(zum Unterschied von Hippo Negnis, dessen Ruinen heute zwei Meilen östlich
von Bona zu sehen find). Wie eine am Fort Espagnol eingemnncrtc römische
Inschrift ((?suo <no1. Julias Hipp, vmrrd.. Liter.) meldet, wurde die Nieder¬
lassung durch Augustus zur römischen Kolonie erhoben, und die Stadt galt
bald als einer der wichtigsten Plätze der afrikanischen Provinz.

Von den weiter» Schicksalen sei nur kurz erwähnt, daß Benzert 661 in
die Hand der Mauren kam. Später, bei Beginn der Vertreibung der Mauren
aus Spanien wandten sich viele Flüchtlinge hierher zu ihren Stammesgenossen,
wie denn noch gegenwartig ein besondres ,,Stadtviertel der Andalusier" vor¬
handen ist (mit der vjam-r s— Moscheej öl ^ncllsss). Kheireddin, Mutes
Hassen, Andrea Doria usw. machte» Bizerta zum Schauplatz ihrer Thaten.
Der schwerste Schlag im Lauf der Jahrhunderte traf die Stadt in den Jahren
1784 bis 1786; el» venezianisches Geschwader unter Admiral Emo hielt den
Hase» blockiert und äscherte schließlich die Stadt el». Nur noch eine ver-
schollue Ruinenstätte, wie Nordafrika deren zahllose birgt, war es, auf deren
geborstener Knsbah 1881 der französische Admiral Mivt die Trikolore auf¬
pflanzte. Aber von dieseni Zeitpunkt an ging die Sonne — um in französischer
Admiralssprache zu reden — wieder auf über die vergessene Schöne, u»d heute
ist sie das mit Argusaugen bewachte Kleinod der französischen Republik.

Es ist nach mehr als einer Richtung bezeichnend und vielleicht für n»s
Deutsche sogar belehrend, wie sich diese Entwicklung aus dem Nichts zu solchem
Glänze vollzog. Benzert war in der That gleich nichts: von Handelsverkehr
war kaum noch eine Spur, der Hafen war so verschüttet, daß ihn nur Nu߬
schale» benutzen konnten, das Gestade war verrufen, weil schon so manches
große Schiff dort zu Grunde gegangen war. Da führte zwei Jahre nach der
französischen Besitzergreifung ein Zufall, ein Ausflug, den Sohn des Suezkanal¬
unternehmers Couvreux dorthin, und sofort ging dem intelligenten jungen
Mann die Erkenntnis auf: Hier stimmt ja alles für den besten Hafen von
der Welt! Ein sofort an den damaligen Ministerresidenten in Tunis, Cambo»,
eingegebnes Gesuch um die Erlaubnis zur Errichtung eines Handelshafens
erzielte zunächst nur den Bescheid, man müsse warten, bis die Eisenbahnlinie,
die Bizerta mit dem tunesischen Bnhnnetz verbinden sollte, endgiltig festgelegt
sei. Aber schon 1885 beschloß die Marineverwaltnng die Einrichtung einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/516>, abgerufen am 22.07.2024.