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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die englische Lokalvenvaltmig

den Kosten: die Hälfte des Gehalts des Medical Officer of Health und die
Hülste dessen, was die Besoldung und die Nniformiernng der Polizcimann-
schaften kostet.

Von der Verwaltung ist die Justiz durch die große Reform vollständig
getrennt worden. Das FriedenSrichteramt wurde vo" jeder Verbindung mit
der Korporation, dein ehedem privilegierten Teile der Bürgerschaft, losgelöst,
und alle Verwaltungsgeschäfte wurden ihm abgenommen. Die Friedensrichter-
bank wird in den Städten wie in den Grafschaften ausschließlich vom Lord¬
kanzler besetzt (der, für die englische Auffassung des Staates charakteristisch,
als der Verwalter des Justizrath der höchste Minister und kraft seines Amts
Peer ist). An deu frühern Rechtszustand erinnert nur noch die Verknüpfung
des Friedensrichtcramtö mit der Mayvrwürde. Die Friedensrichter haben
die Kriminal- und die Zivilgerichtsbarkeit zu üben (jene mit Ausnahme der
schwersten Fülle). Unter dieser versteht man aber in England ungefähr das,
was bei uns Verwaltnngsgerichtsbarkeit heißt, nämlich die Entscheidung über
die Ncchtmüßigteit von Eingriffen der Behörden in die Willens- und Ver-
mögenssphüre der Staatsbürger. Mit den Rcchtshändcln zwischen den Privat¬
personen haben die Friedensrichter nichts zu thun, diese gehören vor die
corne^-court MclssW, die vornehme und entsprechend hoch bezahlte juristisch
gebildete Beamte sind (1500 Pfund), und von denen jeder Gerichtsbczirk der
Grafschaft nur einen hat. Mit Rücksicht auf die den Friedensrichtern zu¬
stehende Gerichtsbarkeit zerfallen nun die Stüdte in drei Klassen. Die des
neuen Stadtrcchts nicht teilhaft gewordnen sind Glieder der Grafschaft und
haben keine eignen Gerichte. Die Mnnizipien dagegen haben eigne Friedens-
tommissioncn. In den Stüdten der zweiten Klasse ist jedoch deren Kompetenz
auf die Fülle beschränkt, die in den ?ste>7 LossionZ abgeurteilt werden, und
nur die der dritten Klasse haben die für die schwerern Fälle zuständigen
Vierteljahrssitzungen, in denen die Friedensrichter des Bezirks vollzählig ver¬
sammelt sind. Die Städte der zweiten Art können zur Besorgung der laufenden
richterlichen Geschäfte einen juristisch gebildeten Mann als Ltixsnclmry NsZistrirtk
anstellen; nur einundzwanzig Großstädte haben bis jetzt von diesem Vorrechte
Gebrauch gemacht. Die Städte mit Quarter Sessivns dagegen müssen einen
rechtsgelehrten Richter lebenslänglich haben, den die Krone ernennt, der an¬
gestellt wird und den Titel Rcevrder führt. Wie zwischen ihm und den übrigen
Friedensrichtern die Geschäfte verteilt werden, wird ans des Verfassers Dar¬
stellung nicht klar. Er schreibt: "Der Recorder muß vor einem städtischen
Friedensrichter eingeschworen werden und dem Mahor ein Treuegelöbnis ab¬
legen. Er ist sx oküe-lo Friedensrichter und nach dem Mahor die höchste
Amtsperson der Stadt; er ist auf Lebenszeit angestellt, während seiner Funktion
nicht wühlbar zum Parlament als Mitglied für die betreffende Stadt und in
den Stadtrat nicht wählbar. Auch ist die Kumulieruug mit dem Stipcndiary
Magistrate nicht gestattet. Die Besoldung empfüngt der Rceorder aus der
Stadtkasse. Ihm liegt es ob, als Einzelrichtcr die volle Gerichtsbarkeit der


Die englische Lokalvenvaltmig

den Kosten: die Hälfte des Gehalts des Medical Officer of Health und die
Hülste dessen, was die Besoldung und die Nniformiernng der Polizcimann-
schaften kostet.

Von der Verwaltung ist die Justiz durch die große Reform vollständig
getrennt worden. Das FriedenSrichteramt wurde vo» jeder Verbindung mit
der Korporation, dein ehedem privilegierten Teile der Bürgerschaft, losgelöst,
und alle Verwaltungsgeschäfte wurden ihm abgenommen. Die Friedensrichter-
bank wird in den Städten wie in den Grafschaften ausschließlich vom Lord¬
kanzler besetzt (der, für die englische Auffassung des Staates charakteristisch,
als der Verwalter des Justizrath der höchste Minister und kraft seines Amts
Peer ist). An deu frühern Rechtszustand erinnert nur noch die Verknüpfung
des Friedensrichtcramtö mit der Mayvrwürde. Die Friedensrichter haben
die Kriminal- und die Zivilgerichtsbarkeit zu üben (jene mit Ausnahme der
schwersten Fülle). Unter dieser versteht man aber in England ungefähr das,
was bei uns Verwaltnngsgerichtsbarkeit heißt, nämlich die Entscheidung über
die Ncchtmüßigteit von Eingriffen der Behörden in die Willens- und Ver-
mögenssphüre der Staatsbürger. Mit den Rcchtshändcln zwischen den Privat¬
personen haben die Friedensrichter nichts zu thun, diese gehören vor die
corne^-court MclssW, die vornehme und entsprechend hoch bezahlte juristisch
gebildete Beamte sind (1500 Pfund), und von denen jeder Gerichtsbczirk der
Grafschaft nur einen hat. Mit Rücksicht auf die den Friedensrichtern zu¬
stehende Gerichtsbarkeit zerfallen nun die Stüdte in drei Klassen. Die des
neuen Stadtrcchts nicht teilhaft gewordnen sind Glieder der Grafschaft und
haben keine eignen Gerichte. Die Mnnizipien dagegen haben eigne Friedens-
tommissioncn. In den Stüdten der zweiten Klasse ist jedoch deren Kompetenz
auf die Fülle beschränkt, die in den ?ste>7 LossionZ abgeurteilt werden, und
nur die der dritten Klasse haben die für die schwerern Fälle zuständigen
Vierteljahrssitzungen, in denen die Friedensrichter des Bezirks vollzählig ver¬
sammelt sind. Die Städte der zweiten Art können zur Besorgung der laufenden
richterlichen Geschäfte einen juristisch gebildeten Mann als Ltixsnclmry NsZistrirtk
anstellen; nur einundzwanzig Großstädte haben bis jetzt von diesem Vorrechte
Gebrauch gemacht. Die Städte mit Quarter Sessivns dagegen müssen einen
rechtsgelehrten Richter lebenslänglich haben, den die Krone ernennt, der an¬
gestellt wird und den Titel Rcevrder führt. Wie zwischen ihm und den übrigen
Friedensrichtern die Geschäfte verteilt werden, wird ans des Verfassers Dar¬
stellung nicht klar. Er schreibt: „Der Recorder muß vor einem städtischen
Friedensrichter eingeschworen werden und dem Mahor ein Treuegelöbnis ab¬
legen. Er ist sx oküe-lo Friedensrichter und nach dem Mahor die höchste
Amtsperson der Stadt; er ist auf Lebenszeit angestellt, während seiner Funktion
nicht wühlbar zum Parlament als Mitglied für die betreffende Stadt und in
den Stadtrat nicht wählbar. Auch ist die Kumulieruug mit dem Stipcndiary
Magistrate nicht gestattet. Die Besoldung empfüngt der Rceorder aus der
Stadtkasse. Ihm liegt es ob, als Einzelrichtcr die volle Gerichtsbarkeit der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/504>, abgerufen am 22.07.2024.