Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

wandeln, der Schuldner hat jedoch davon keinen Vorteil, diesen genießen mir
die Aktionäre der Bank, die eS bei einem Pfandbriefverband nicht giebt.
Denn der Schuldner darf ^ da er meist zehn Jahre lang auf die Kündigung
verzichte" muß -- innerhalb dieser Zeit nicht kundigen, mich wenn der Zins¬
fuß noch so tief fällt; er muß dieselben Zinsen weiter zahlen, auch wenn die
Bank die für seine Hypothek ausgegebnen Pfandbriefe mehrmals in billiger
verzinsliche sollte verwandeln können. Bei Ablauf der zehn Jahre kann der
Zinsfuß jedoch wieder gestiegen sein, wie z, B, jetzt, und dann kann der
Schuldner von Glück reden, wenn die Hypothekenbank ihm nicht die Hypothek
kündigt, sie ihm stehn läßt und dafür nur höhere Zinsen verlangt, auf die sich
allerdings dann wieder der Schuldner für gewöhnlich auf zehn Jahre neu
verpflichten muß. Die Hypothekenbank braucht dafür aber auch uicht die von
ihr für die Hypothek ausgegebnen Pfandbriefe in höher verzinsliche zu ver¬
wandeln. Es hat sich eben bei den Hypothekenbanken zwischen dem Interesse
der Pfandbriefinhaber und der Hypothckenschnldner noch das dritte beiden
feindliche Interesse der Aktionäre oder Bankeigner eingeschoben, das befriedigt
sein will, und dem der Vorstand der Bank an erster Stelle zu dienen hat,
das Interesse des Hypothckenschnldners und Pfandbriefinhabers kann hierbei
nur insoweit berücksichtigt werden, als es sich in Einklang bringen läßt mit
dem vorangehenden Interesse der Aktionäre,

Ganz anders bei den Landschaften oder Pfandbriefvcrbänden, Bei diesen
giebt es keine Aktionäre oder Bankeigner, die Hypothekenschilldner sind dies
als die Mitglieder der Korporation selbst, und aller Gewinn stießt ihnen
schließlich wieder nach Verhältnis ihrer Hypotheken zu. Es liegt also in der
Natur der Sache, daß der Vorstand einer solchen Korporation, die wieder
meist auch nur aus Mitgliedern oder Hypothekenschuldnern zu besteh" pflegt,
nur nötig hat und sein ganzes Sinnen und Trachten darauf richtet, wie das
Los der Hypothekenschuldner verbessert werden kann, oder wie mit andern
Worten dem Kredit der Mitglieder geholfen werden könne.

So wenig man mich zu der Zeit Friedrichs des Großen das Wort Ge¬
nossenschaft oder den Begriff Genossenschaftswesen kannte, so hat man doch
damals ein Kreditinstitut geschaffen, das noch heute die idealste und voll¬
kommenste Form einer Kreditgenossenschaft für den Grundbesitz ist. Die neu
gegründeten Genossenschaften unsers Geuvsseuschaftsgesetzes halten keinen Ver¬
gleich aus mit dieser alten bewährten Form, sie reichen ihr nicht das Wasser.
Denn auch bei unsern neuen Genossenschaften macht sich immer wieder neben
dein Interesse der Schuldner das Interesse der Geldgeber, d. h, der wohl¬
habenden Mitglieder der Genossenschaft bei deu Vorstands- und Aufsichtsmts-
wnhlen bemerkbar und muß sich bemerkbar machen, weil ohne wohlhabendere
Mitglieder eine Kreditgenossenschaft nur schlecht besteh" und den ürmern nur
schlecht Kredit gewähre" kann.

Darum wird auch bei diesen Genossenschaften -- und zwar ganz mit
Recht -- der Gewinn nicht verteilt nach der Hohe der Schuld des einzelnen


wandeln, der Schuldner hat jedoch davon keinen Vorteil, diesen genießen mir
die Aktionäre der Bank, die eS bei einem Pfandbriefverband nicht giebt.
Denn der Schuldner darf ^ da er meist zehn Jahre lang auf die Kündigung
verzichte» muß — innerhalb dieser Zeit nicht kundigen, mich wenn der Zins¬
fuß noch so tief fällt; er muß dieselben Zinsen weiter zahlen, auch wenn die
Bank die für seine Hypothek ausgegebnen Pfandbriefe mehrmals in billiger
verzinsliche sollte verwandeln können. Bei Ablauf der zehn Jahre kann der
Zinsfuß jedoch wieder gestiegen sein, wie z, B, jetzt, und dann kann der
Schuldner von Glück reden, wenn die Hypothekenbank ihm nicht die Hypothek
kündigt, sie ihm stehn läßt und dafür nur höhere Zinsen verlangt, auf die sich
allerdings dann wieder der Schuldner für gewöhnlich auf zehn Jahre neu
verpflichten muß. Die Hypothekenbank braucht dafür aber auch uicht die von
ihr für die Hypothek ausgegebnen Pfandbriefe in höher verzinsliche zu ver¬
wandeln. Es hat sich eben bei den Hypothekenbanken zwischen dem Interesse
der Pfandbriefinhaber und der Hypothckenschnldner noch das dritte beiden
feindliche Interesse der Aktionäre oder Bankeigner eingeschoben, das befriedigt
sein will, und dem der Vorstand der Bank an erster Stelle zu dienen hat,
das Interesse des Hypothckenschnldners und Pfandbriefinhabers kann hierbei
nur insoweit berücksichtigt werden, als es sich in Einklang bringen läßt mit
dem vorangehenden Interesse der Aktionäre,

Ganz anders bei den Landschaften oder Pfandbriefvcrbänden, Bei diesen
giebt es keine Aktionäre oder Bankeigner, die Hypothekenschilldner sind dies
als die Mitglieder der Korporation selbst, und aller Gewinn stießt ihnen
schließlich wieder nach Verhältnis ihrer Hypotheken zu. Es liegt also in der
Natur der Sache, daß der Vorstand einer solchen Korporation, die wieder
meist auch nur aus Mitgliedern oder Hypothekenschuldnern zu besteh» pflegt,
nur nötig hat und sein ganzes Sinnen und Trachten darauf richtet, wie das
Los der Hypothekenschuldner verbessert werden kann, oder wie mit andern
Worten dem Kredit der Mitglieder geholfen werden könne.

So wenig man mich zu der Zeit Friedrichs des Großen das Wort Ge¬
nossenschaft oder den Begriff Genossenschaftswesen kannte, so hat man doch
damals ein Kreditinstitut geschaffen, das noch heute die idealste und voll¬
kommenste Form einer Kreditgenossenschaft für den Grundbesitz ist. Die neu
gegründeten Genossenschaften unsers Geuvsseuschaftsgesetzes halten keinen Ver¬
gleich aus mit dieser alten bewährten Form, sie reichen ihr nicht das Wasser.
Denn auch bei unsern neuen Genossenschaften macht sich immer wieder neben
dein Interesse der Schuldner das Interesse der Geldgeber, d. h, der wohl¬
habenden Mitglieder der Genossenschaft bei deu Vorstands- und Aufsichtsmts-
wnhlen bemerkbar und muß sich bemerkbar machen, weil ohne wohlhabendere
Mitglieder eine Kreditgenossenschaft nur schlecht besteh» und den ürmern nur
schlecht Kredit gewähre» kann.

Darum wird auch bei diesen Genossenschaften — und zwar ganz mit
Recht — der Gewinn nicht verteilt nach der Hohe der Schuld des einzelnen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0400" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235572"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1774" prev="#ID_1773"> wandeln, der Schuldner hat jedoch davon keinen Vorteil, diesen genießen mir<lb/>
die Aktionäre der Bank, die eS bei einem Pfandbriefverband nicht giebt.<lb/>
Denn der Schuldner darf ^ da er meist zehn Jahre lang auf die Kündigung<lb/>
verzichte» muß &#x2014; innerhalb dieser Zeit nicht kundigen, mich wenn der Zins¬<lb/>
fuß noch so tief fällt; er muß dieselben Zinsen weiter zahlen, auch wenn die<lb/>
Bank die für seine Hypothek ausgegebnen Pfandbriefe mehrmals in billiger<lb/>
verzinsliche sollte verwandeln können. Bei Ablauf der zehn Jahre kann der<lb/>
Zinsfuß jedoch wieder gestiegen sein, wie z, B, jetzt, und dann kann der<lb/>
Schuldner von Glück reden, wenn die Hypothekenbank ihm nicht die Hypothek<lb/>
kündigt, sie ihm stehn läßt und dafür nur höhere Zinsen verlangt, auf die sich<lb/>
allerdings dann wieder der Schuldner für gewöhnlich auf zehn Jahre neu<lb/>
verpflichten muß. Die Hypothekenbank braucht dafür aber auch uicht die von<lb/>
ihr für die Hypothek ausgegebnen Pfandbriefe in höher verzinsliche zu ver¬<lb/>
wandeln. Es hat sich eben bei den Hypothekenbanken zwischen dem Interesse<lb/>
der Pfandbriefinhaber und der Hypothckenschnldner noch das dritte beiden<lb/>
feindliche Interesse der Aktionäre oder Bankeigner eingeschoben, das befriedigt<lb/>
sein will, und dem der Vorstand der Bank an erster Stelle zu dienen hat,<lb/>
das Interesse des Hypothckenschnldners und Pfandbriefinhabers kann hierbei<lb/>
nur insoweit berücksichtigt werden, als es sich in Einklang bringen läßt mit<lb/>
dem vorangehenden Interesse der Aktionäre,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1775"> Ganz anders bei den Landschaften oder Pfandbriefvcrbänden, Bei diesen<lb/>
giebt es keine Aktionäre oder Bankeigner, die Hypothekenschilldner sind dies<lb/>
als die Mitglieder der Korporation selbst, und aller Gewinn stießt ihnen<lb/>
schließlich wieder nach Verhältnis ihrer Hypotheken zu. Es liegt also in der<lb/>
Natur der Sache, daß der Vorstand einer solchen Korporation, die wieder<lb/>
meist auch nur aus Mitgliedern oder Hypothekenschuldnern zu besteh» pflegt,<lb/>
nur nötig hat und sein ganzes Sinnen und Trachten darauf richtet, wie das<lb/>
Los der Hypothekenschuldner verbessert werden kann, oder wie mit andern<lb/>
Worten dem Kredit der Mitglieder geholfen werden könne.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1776"> So wenig man mich zu der Zeit Friedrichs des Großen das Wort Ge¬<lb/>
nossenschaft oder den Begriff Genossenschaftswesen kannte, so hat man doch<lb/>
damals ein Kreditinstitut geschaffen, das noch heute die idealste und voll¬<lb/>
kommenste Form einer Kreditgenossenschaft für den Grundbesitz ist. Die neu<lb/>
gegründeten Genossenschaften unsers Geuvsseuschaftsgesetzes halten keinen Ver¬<lb/>
gleich aus mit dieser alten bewährten Form, sie reichen ihr nicht das Wasser.<lb/>
Denn auch bei unsern neuen Genossenschaften macht sich immer wieder neben<lb/>
dein Interesse der Schuldner das Interesse der Geldgeber, d. h, der wohl¬<lb/>
habenden Mitglieder der Genossenschaft bei deu Vorstands- und Aufsichtsmts-<lb/>
wnhlen bemerkbar und muß sich bemerkbar machen, weil ohne wohlhabendere<lb/>
Mitglieder eine Kreditgenossenschaft nur schlecht besteh» und den ürmern nur<lb/>
schlecht Kredit gewähre» kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1777" next="#ID_1778"> Darum wird auch bei diesen Genossenschaften &#x2014; und zwar ganz mit<lb/>
Recht &#x2014; der Gewinn nicht verteilt nach der Hohe der Schuld des einzelnen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0400] wandeln, der Schuldner hat jedoch davon keinen Vorteil, diesen genießen mir die Aktionäre der Bank, die eS bei einem Pfandbriefverband nicht giebt. Denn der Schuldner darf ^ da er meist zehn Jahre lang auf die Kündigung verzichte» muß — innerhalb dieser Zeit nicht kundigen, mich wenn der Zins¬ fuß noch so tief fällt; er muß dieselben Zinsen weiter zahlen, auch wenn die Bank die für seine Hypothek ausgegebnen Pfandbriefe mehrmals in billiger verzinsliche sollte verwandeln können. Bei Ablauf der zehn Jahre kann der Zinsfuß jedoch wieder gestiegen sein, wie z, B, jetzt, und dann kann der Schuldner von Glück reden, wenn die Hypothekenbank ihm nicht die Hypothek kündigt, sie ihm stehn läßt und dafür nur höhere Zinsen verlangt, auf die sich allerdings dann wieder der Schuldner für gewöhnlich auf zehn Jahre neu verpflichten muß. Die Hypothekenbank braucht dafür aber auch uicht die von ihr für die Hypothek ausgegebnen Pfandbriefe in höher verzinsliche zu ver¬ wandeln. Es hat sich eben bei den Hypothekenbanken zwischen dem Interesse der Pfandbriefinhaber und der Hypothckenschnldner noch das dritte beiden feindliche Interesse der Aktionäre oder Bankeigner eingeschoben, das befriedigt sein will, und dem der Vorstand der Bank an erster Stelle zu dienen hat, das Interesse des Hypothckenschnldners und Pfandbriefinhabers kann hierbei nur insoweit berücksichtigt werden, als es sich in Einklang bringen läßt mit dem vorangehenden Interesse der Aktionäre, Ganz anders bei den Landschaften oder Pfandbriefvcrbänden, Bei diesen giebt es keine Aktionäre oder Bankeigner, die Hypothekenschilldner sind dies als die Mitglieder der Korporation selbst, und aller Gewinn stießt ihnen schließlich wieder nach Verhältnis ihrer Hypotheken zu. Es liegt also in der Natur der Sache, daß der Vorstand einer solchen Korporation, die wieder meist auch nur aus Mitgliedern oder Hypothekenschuldnern zu besteh» pflegt, nur nötig hat und sein ganzes Sinnen und Trachten darauf richtet, wie das Los der Hypothekenschuldner verbessert werden kann, oder wie mit andern Worten dem Kredit der Mitglieder geholfen werden könne. So wenig man mich zu der Zeit Friedrichs des Großen das Wort Ge¬ nossenschaft oder den Begriff Genossenschaftswesen kannte, so hat man doch damals ein Kreditinstitut geschaffen, das noch heute die idealste und voll¬ kommenste Form einer Kreditgenossenschaft für den Grundbesitz ist. Die neu gegründeten Genossenschaften unsers Geuvsseuschaftsgesetzes halten keinen Ver¬ gleich aus mit dieser alten bewährten Form, sie reichen ihr nicht das Wasser. Denn auch bei unsern neuen Genossenschaften macht sich immer wieder neben dein Interesse der Schuldner das Interesse der Geldgeber, d. h, der wohl¬ habenden Mitglieder der Genossenschaft bei deu Vorstands- und Aufsichtsmts- wnhlen bemerkbar und muß sich bemerkbar machen, weil ohne wohlhabendere Mitglieder eine Kreditgenossenschaft nur schlecht besteh» und den ürmern nur schlecht Kredit gewähre» kann. Darum wird auch bei diesen Genossenschaften — und zwar ganz mit Recht — der Gewinn nicht verteilt nach der Hohe der Schuld des einzelnen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/400
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/400>, abgerufen am 26.06.2024.