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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Viktor Linanuel III.

richtiges militärisches Haus, dem für die erste Zeit der Generalleutnant Morra
ti Lavriano, heute Gesandter in Petersburg, Vorstand.

Das Leben des Prinzen bewegte sich seitdem ganz in militärischen Geleisen,
und es ist nicht bekannt geworden, daß er jemals in politischen Dingen eine
äußerlich erkennbare Stellung eingenommen hätte. Das erste selbständige Kom¬
mando -- über ein Bataillon in Rom -- erhielt er am 30. Mai 1889 als
Major,") das er als Oberstleutnant weiterführte; am 2. November 1890 folgte
die Ernennung zum Oberst und Kommandeur des ersten Infanterieregiments in
Neapel, am 2. September 1892 zum Generalmajor und Kommandeur der
Brigade Como gleichfalls in Neapel. Am 5. September 1894 ging er als
Generalleutnant und Divisionskommandeur nach Florenz, und am 11. August
1897 kehrte er als kommandierender General nach Neapel zurück. Überall nahm
er es mit dem Dienste überaus ernst und erwarb sich trotz gelegentlicher Schürfe
die Verehrung seiner Untergebnen. Gerechtigkeit und äußerste Pflichterfüllung
waren die Richtschnur seines Handelns, und die äußerste Pflichterfüllung verlangte
er auch vou Offizieren wie von Mannschaften seines Befehlbereichs.

Verhältnismäßig spät erst schloß der Prinz von Neapel den Ehebund,
vielleicht weil es ihm widerstrebte, eine rein politische Verbindung einzugehn,
bei der das Herz nicht beteiligt war. Wir gedachte" schon seiner Begegnung
mit der Prinzessin Helena vou Montenegro. Bei der Kunstausstellung zu
Venedig (1895) sah er sie wieder, und noch in demselben Jahre warb er um
sie. Die Hochzeit wurde am 24. Oktober 1890 zu Rom gefeiert.

Am 29. Juli vorigen Jahres hauchte Umberto I. seine edle Seele ans.
Es hat fast den Anschein, als ob der Sohn ein so tragisches Ende des Vaters
vorausgeahnt hätte, denn es sind mehrere Fülle bekannt geworden, in denen
er sich den Schutz des Vaters gegen etwaige Verbrecher persönlich angelegen
sein ließ!

Die Italiener nennen ihn den "jungen König." Alexander der Große,
Napoleon 1. und Friedrich der Große waren freilich in dem Alter, wo Viktor
Emanuel auf deu Thron gelangte, längst geschichtliche Persönlichkeiten. Unser
Kaiser war beim Thronwechsel zwei Jahre jünger.

Der junge König hat eine große Vorliebe für Neapel. Hoch über der
Stadt ragt sein Schloß Capodimonte. Die dort vom König hauptsächlich be-
wohnten Räume, namentlich das Studierzimmer, zeige" in der Ausstattung die
äußerste Einfachheit. Viktor Emanuel hat auch nach der Thronbesteigung von
seiner gewohnten einfachen Offizierlebensweise nicht ablassen wollen, sodaß der
Herzog von Genua eines Tages zu ihm bemerkte: "Ich sehe schon, dn willst
ein demokratischer König sein." Das muß natürlich richtig verstanden werden.
Denn bei aller Bescheidenheit fehlt Viktor Emanuel das Gefühl seiner königlichen
Würde keineswegs. Wehe dem, der absichtlich gegen sie verstieße! Und wo



*) 1887 Unterleutnant, 1888 Leutnant, I88S Hauptmmm und Major, 1890 Oberstleutnant
und Oberst.
Viktor Linanuel III.

richtiges militärisches Haus, dem für die erste Zeit der Generalleutnant Morra
ti Lavriano, heute Gesandter in Petersburg, Vorstand.

Das Leben des Prinzen bewegte sich seitdem ganz in militärischen Geleisen,
und es ist nicht bekannt geworden, daß er jemals in politischen Dingen eine
äußerlich erkennbare Stellung eingenommen hätte. Das erste selbständige Kom¬
mando — über ein Bataillon in Rom — erhielt er am 30. Mai 1889 als
Major,") das er als Oberstleutnant weiterführte; am 2. November 1890 folgte
die Ernennung zum Oberst und Kommandeur des ersten Infanterieregiments in
Neapel, am 2. September 1892 zum Generalmajor und Kommandeur der
Brigade Como gleichfalls in Neapel. Am 5. September 1894 ging er als
Generalleutnant und Divisionskommandeur nach Florenz, und am 11. August
1897 kehrte er als kommandierender General nach Neapel zurück. Überall nahm
er es mit dem Dienste überaus ernst und erwarb sich trotz gelegentlicher Schürfe
die Verehrung seiner Untergebnen. Gerechtigkeit und äußerste Pflichterfüllung
waren die Richtschnur seines Handelns, und die äußerste Pflichterfüllung verlangte
er auch vou Offizieren wie von Mannschaften seines Befehlbereichs.

Verhältnismäßig spät erst schloß der Prinz von Neapel den Ehebund,
vielleicht weil es ihm widerstrebte, eine rein politische Verbindung einzugehn,
bei der das Herz nicht beteiligt war. Wir gedachte» schon seiner Begegnung
mit der Prinzessin Helena vou Montenegro. Bei der Kunstausstellung zu
Venedig (1895) sah er sie wieder, und noch in demselben Jahre warb er um
sie. Die Hochzeit wurde am 24. Oktober 1890 zu Rom gefeiert.

Am 29. Juli vorigen Jahres hauchte Umberto I. seine edle Seele ans.
Es hat fast den Anschein, als ob der Sohn ein so tragisches Ende des Vaters
vorausgeahnt hätte, denn es sind mehrere Fülle bekannt geworden, in denen
er sich den Schutz des Vaters gegen etwaige Verbrecher persönlich angelegen
sein ließ!

Die Italiener nennen ihn den „jungen König." Alexander der Große,
Napoleon 1. und Friedrich der Große waren freilich in dem Alter, wo Viktor
Emanuel auf deu Thron gelangte, längst geschichtliche Persönlichkeiten. Unser
Kaiser war beim Thronwechsel zwei Jahre jünger.

Der junge König hat eine große Vorliebe für Neapel. Hoch über der
Stadt ragt sein Schloß Capodimonte. Die dort vom König hauptsächlich be-
wohnten Räume, namentlich das Studierzimmer, zeige» in der Ausstattung die
äußerste Einfachheit. Viktor Emanuel hat auch nach der Thronbesteigung von
seiner gewohnten einfachen Offizierlebensweise nicht ablassen wollen, sodaß der
Herzog von Genua eines Tages zu ihm bemerkte: „Ich sehe schon, dn willst
ein demokratischer König sein." Das muß natürlich richtig verstanden werden.
Denn bei aller Bescheidenheit fehlt Viktor Emanuel das Gefühl seiner königlichen
Würde keineswegs. Wehe dem, der absichtlich gegen sie verstieße! Und wo



*) 1887 Unterleutnant, 1888 Leutnant, I88S Hauptmmm und Major, 1890 Oberstleutnant
und Oberst.
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[0338] Viktor Linanuel III. richtiges militärisches Haus, dem für die erste Zeit der Generalleutnant Morra ti Lavriano, heute Gesandter in Petersburg, Vorstand. Das Leben des Prinzen bewegte sich seitdem ganz in militärischen Geleisen, und es ist nicht bekannt geworden, daß er jemals in politischen Dingen eine äußerlich erkennbare Stellung eingenommen hätte. Das erste selbständige Kom¬ mando — über ein Bataillon in Rom — erhielt er am 30. Mai 1889 als Major,") das er als Oberstleutnant weiterführte; am 2. November 1890 folgte die Ernennung zum Oberst und Kommandeur des ersten Infanterieregiments in Neapel, am 2. September 1892 zum Generalmajor und Kommandeur der Brigade Como gleichfalls in Neapel. Am 5. September 1894 ging er als Generalleutnant und Divisionskommandeur nach Florenz, und am 11. August 1897 kehrte er als kommandierender General nach Neapel zurück. Überall nahm er es mit dem Dienste überaus ernst und erwarb sich trotz gelegentlicher Schürfe die Verehrung seiner Untergebnen. Gerechtigkeit und äußerste Pflichterfüllung waren die Richtschnur seines Handelns, und die äußerste Pflichterfüllung verlangte er auch vou Offizieren wie von Mannschaften seines Befehlbereichs. Verhältnismäßig spät erst schloß der Prinz von Neapel den Ehebund, vielleicht weil es ihm widerstrebte, eine rein politische Verbindung einzugehn, bei der das Herz nicht beteiligt war. Wir gedachte» schon seiner Begegnung mit der Prinzessin Helena vou Montenegro. Bei der Kunstausstellung zu Venedig (1895) sah er sie wieder, und noch in demselben Jahre warb er um sie. Die Hochzeit wurde am 24. Oktober 1890 zu Rom gefeiert. Am 29. Juli vorigen Jahres hauchte Umberto I. seine edle Seele ans. Es hat fast den Anschein, als ob der Sohn ein so tragisches Ende des Vaters vorausgeahnt hätte, denn es sind mehrere Fülle bekannt geworden, in denen er sich den Schutz des Vaters gegen etwaige Verbrecher persönlich angelegen sein ließ! Die Italiener nennen ihn den „jungen König." Alexander der Große, Napoleon 1. und Friedrich der Große waren freilich in dem Alter, wo Viktor Emanuel auf deu Thron gelangte, längst geschichtliche Persönlichkeiten. Unser Kaiser war beim Thronwechsel zwei Jahre jünger. Der junge König hat eine große Vorliebe für Neapel. Hoch über der Stadt ragt sein Schloß Capodimonte. Die dort vom König hauptsächlich be- wohnten Räume, namentlich das Studierzimmer, zeige» in der Ausstattung die äußerste Einfachheit. Viktor Emanuel hat auch nach der Thronbesteigung von seiner gewohnten einfachen Offizierlebensweise nicht ablassen wollen, sodaß der Herzog von Genua eines Tages zu ihm bemerkte: „Ich sehe schon, dn willst ein demokratischer König sein." Das muß natürlich richtig verstanden werden. Denn bei aller Bescheidenheit fehlt Viktor Emanuel das Gefühl seiner königlichen Würde keineswegs. Wehe dem, der absichtlich gegen sie verstieße! Und wo *) 1887 Unterleutnant, 1888 Leutnant, I88S Hauptmmm und Major, 1890 Oberstleutnant und Oberst.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/338>, abgerufen am 23.06.2024.