Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.Der wildfang das seine dazugepackt und hat alles zu eurer Flucht gerichtet. Und als er sterbend Während ich redete, wurden Valentins Augen größer und größer, und so Er sah mich noch immer an mit den weit geöffneten Augen, als ich schon Valentin! sagte ich und ergriff ihn am Arm. Da kam aus seiner Brust ein Jetzt stand auch Kunigunde aus. Sie hatte den Seufzer vernommen, und Es wurde laut in der Kirche. Die Leute erwarteten das Paar. Geht! Valentin nahm sein Weib und ging mit ihr langsam dem Ausgang z". Sein Hinter dem Ehepaare gingen Margarete und ich. Daun kamen die Studenten, Wir waren uuter die Orgelempore getreten. Unter der Turmpforte standen Unter der Thür blieb Valentin stehn und wandte sich zu dem Amtmann. Ein triumphierendes Licht strahlte ans ihren Augen, daun füllten sich diese Im nächsten Augenblick kniete er ans der Schwelle vor dem Amtmann, zog Ich bitte um mein Recht. Ich habe meinen Herzbrnder erschlagen, der es Es war totenstill geworden. Der Amtmann sah Kunigunde ein. Mit einem Blick voll schmerzenreichen Steht auf! sagte der Amtmann, und seine Stimme zitterte. Euer Recht soll Der wildfang das seine dazugepackt und hat alles zu eurer Flucht gerichtet. Und als er sterbend Während ich redete, wurden Valentins Augen größer und größer, und so Er sah mich noch immer an mit den weit geöffneten Augen, als ich schon Valentin! sagte ich und ergriff ihn am Arm. Da kam aus seiner Brust ein Jetzt stand auch Kunigunde aus. Sie hatte den Seufzer vernommen, und Es wurde laut in der Kirche. Die Leute erwarteten das Paar. Geht! Valentin nahm sein Weib und ging mit ihr langsam dem Ausgang z». Sein Hinter dem Ehepaare gingen Margarete und ich. Daun kamen die Studenten, Wir waren uuter die Orgelempore getreten. Unter der Turmpforte standen Unter der Thür blieb Valentin stehn und wandte sich zu dem Amtmann. Ein triumphierendes Licht strahlte ans ihren Augen, daun füllten sich diese Im nächsten Augenblick kniete er ans der Schwelle vor dem Amtmann, zog Ich bitte um mein Recht. Ich habe meinen Herzbrnder erschlagen, der es Es war totenstill geworden. Der Amtmann sah Kunigunde ein. Mit einem Blick voll schmerzenreichen Steht auf! sagte der Amtmann, und seine Stimme zitterte. Euer Recht soll <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0288" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235460"/> <fw type="header" place="top"> Der wildfang</fw><lb/> <p xml:id="ID_1355" prev="#ID_1354"> das seine dazugepackt und hat alles zu eurer Flucht gerichtet. Und als er sterbend<lb/> in meinen Armen lag, da war euer Gluck sein letztes Gebet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1356"> Während ich redete, wurden Valentins Augen größer und größer, und so<lb/> viel Entsetzen starrte daraus, daß es mir zu grauen anfing. Ich bereute meine<lb/> Worte, während ich sie sprach, aber ich konnte nicht anders, ich mußte alles<lb/> sagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1357"> Er sah mich noch immer an mit den weit geöffneten Augen, als ich schon<lb/> schwieg.</p><lb/> <p xml:id="ID_1358"> Valentin! sagte ich und ergriff ihn am Arm. Da kam aus seiner Brust ein<lb/> Schmerzenslaut wie der Klang eines brechenden Herzens.</p><lb/> <p xml:id="ID_1359"> Jetzt stand auch Kunigunde aus. Sie hatte den Seufzer vernommen, und<lb/> als sie nus beisammen sah, da mochte sie erraten, wovon wir redeten. Sie trat<lb/> herzu und schaute ihrem Gatten in schmerzlicher Spannung ius Angesicht. Er<lb/> schaute sie an voll unsäglicher Traurigkeit. So war der erste Blick, den die Gatten<lb/> miteinander tauschten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1360"> Es wurde laut in der Kirche. Die Leute erwarteten das Paar. Geht!<lb/> geht! drängte Margarete. Die in den Bänken schoben sich dem Gange zu, um<lb/> uns vorübergehn zu sehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1361"> Valentin nahm sein Weib und ging mit ihr langsam dem Ausgang z». Sein<lb/> Arm zitterte wieder wie damals im Walde, und seiue Augen ruhten auf ihr mit<lb/> einem unbeschreiblichen Ausdruck von Wehmut und Zärtlichkeit. Kunigundeus<lb/> Antlitz war starr geworden, ober ihre Augen spähten nach jeder Fiber in des<lb/> Gatten Angesicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1362"> Hinter dem Ehepaare gingen Margarete und ich. Daun kamen die Studenten,<lb/> als erster hinter uns Herr Martin Opitz aus Schlesien.</p><lb/> <p xml:id="ID_1363"> Wir waren uuter die Orgelempore getreten. Unter der Turmpforte standen<lb/> der Amtmann und die Schöffen. Die Herren traten zur Seite, um den Zug<lb/> vorüber zu lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1364"> Unter der Thür blieb Valentin stehn und wandte sich zu dem Amtmann.<lb/> Kunigunde zuckte zusammen. Valentin sah dem Amtmann ins Gesicht, wie wenn<lb/> er etwas sagen wollte. Dann kehrte er sich rasch seiner Gattin zu, faßte sie an<lb/> den Händen, schaute ihr in die Augen und sagte: Du hast gethan, was du thun<lb/> mußtest; laß mich thun, was ich thun muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_1365"> Ein triumphierendes Licht strahlte ans ihren Augen, daun füllten sich diese<lb/> Augen langsam mit schweren Thränen. Ein trunknes Entzücken kam und schwand<lb/> in Valentins Angesicht. Du Hohe! Starke! Tapfre! sagte er leise. Er legte seine<lb/> Hände auf ihre Achseln und schaute sie lauge innig an. Dann schloß er sie in<lb/> die Arme, küßte sie auf den Mund und schluchzte: Lebewohl, herzliches Gemahl!</p><lb/> <p xml:id="ID_1366"> Im nächsten Augenblick kniete er ans der Schwelle vor dem Amtmann, zog<lb/> den Hochzeitsstranß aus der Brust, legte ihn neben sich nieder ans den Boden und<lb/> sagte mit leiser aber fester Stimme:</p><lb/> <p xml:id="ID_1367"> Ich bitte um mein Recht. Ich habe meinen Herzbrnder erschlagen, der es<lb/> treu mit mir gemeint hat. Ich will gerichtet sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1368"> Es war totenstill geworden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1369"> Der Amtmann sah Kunigunde ein. Mit einem Blick voll schmerzenreichen<lb/> Stolzes schürte sie auf den Knieenden. Dann lies ein Zittern über ihren Leib. Sie<lb/> öffnete deu Mund wie zu einem Schrei, aber sie blieb stumm und senkte das<lb/> Haupt. Mit bebenden Fingern löste sie den Hochzeitskranz ans ihrem Haar »ut<lb/> ließ ihn zur Erde gleiten. Dann trat sie von ihrem Gatten zurück und legte sich<lb/> still weinend an Margaretens Brust.</p><lb/> <p xml:id="ID_1370"> Steht auf! sagte der Amtmann, und seine Stimme zitterte. Euer Recht soll<lb/> Euch sein. Ihr sollt gerichtet werden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0288]
Der wildfang
das seine dazugepackt und hat alles zu eurer Flucht gerichtet. Und als er sterbend
in meinen Armen lag, da war euer Gluck sein letztes Gebet.
Während ich redete, wurden Valentins Augen größer und größer, und so
viel Entsetzen starrte daraus, daß es mir zu grauen anfing. Ich bereute meine
Worte, während ich sie sprach, aber ich konnte nicht anders, ich mußte alles
sagen.
Er sah mich noch immer an mit den weit geöffneten Augen, als ich schon
schwieg.
Valentin! sagte ich und ergriff ihn am Arm. Da kam aus seiner Brust ein
Schmerzenslaut wie der Klang eines brechenden Herzens.
Jetzt stand auch Kunigunde aus. Sie hatte den Seufzer vernommen, und
als sie nus beisammen sah, da mochte sie erraten, wovon wir redeten. Sie trat
herzu und schaute ihrem Gatten in schmerzlicher Spannung ius Angesicht. Er
schaute sie an voll unsäglicher Traurigkeit. So war der erste Blick, den die Gatten
miteinander tauschten.
Es wurde laut in der Kirche. Die Leute erwarteten das Paar. Geht!
geht! drängte Margarete. Die in den Bänken schoben sich dem Gange zu, um
uns vorübergehn zu sehen.
Valentin nahm sein Weib und ging mit ihr langsam dem Ausgang z». Sein
Arm zitterte wieder wie damals im Walde, und seiue Augen ruhten auf ihr mit
einem unbeschreiblichen Ausdruck von Wehmut und Zärtlichkeit. Kunigundeus
Antlitz war starr geworden, ober ihre Augen spähten nach jeder Fiber in des
Gatten Angesicht.
Hinter dem Ehepaare gingen Margarete und ich. Daun kamen die Studenten,
als erster hinter uns Herr Martin Opitz aus Schlesien.
Wir waren uuter die Orgelempore getreten. Unter der Turmpforte standen
der Amtmann und die Schöffen. Die Herren traten zur Seite, um den Zug
vorüber zu lassen.
Unter der Thür blieb Valentin stehn und wandte sich zu dem Amtmann.
Kunigunde zuckte zusammen. Valentin sah dem Amtmann ins Gesicht, wie wenn
er etwas sagen wollte. Dann kehrte er sich rasch seiner Gattin zu, faßte sie an
den Händen, schaute ihr in die Augen und sagte: Du hast gethan, was du thun
mußtest; laß mich thun, was ich thun muß.
Ein triumphierendes Licht strahlte ans ihren Augen, daun füllten sich diese
Augen langsam mit schweren Thränen. Ein trunknes Entzücken kam und schwand
in Valentins Angesicht. Du Hohe! Starke! Tapfre! sagte er leise. Er legte seine
Hände auf ihre Achseln und schaute sie lauge innig an. Dann schloß er sie in
die Arme, küßte sie auf den Mund und schluchzte: Lebewohl, herzliches Gemahl!
Im nächsten Augenblick kniete er ans der Schwelle vor dem Amtmann, zog
den Hochzeitsstranß aus der Brust, legte ihn neben sich nieder ans den Boden und
sagte mit leiser aber fester Stimme:
Ich bitte um mein Recht. Ich habe meinen Herzbrnder erschlagen, der es
treu mit mir gemeint hat. Ich will gerichtet sein.
Es war totenstill geworden.
Der Amtmann sah Kunigunde ein. Mit einem Blick voll schmerzenreichen
Stolzes schürte sie auf den Knieenden. Dann lies ein Zittern über ihren Leib. Sie
öffnete deu Mund wie zu einem Schrei, aber sie blieb stumm und senkte das
Haupt. Mit bebenden Fingern löste sie den Hochzeitskranz ans ihrem Haar »ut
ließ ihn zur Erde gleiten. Dann trat sie von ihrem Gatten zurück und legte sich
still weinend an Margaretens Brust.
Steht auf! sagte der Amtmann, und seine Stimme zitterte. Euer Recht soll
Euch sein. Ihr sollt gerichtet werden.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |