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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Holland und Deutschland

was im vorigen ausgeführt worden ist, die schärfste und bindendste Folge aus
der politischen Haltung, zu der sich Deutschland aus innern und aus äußern
Notwendigkeiten gezwungen sieht. Man sollte sich darüber an keiner Stelle
in der Welt, diese mag an unsrer Grenze oder in den weiten Fernen des
Ozeans liegen, irgend welchen Täuschungen hingeben. Über den Zug deutscheu
Lebensdranges, der von innen heraus Volk und Staat bis an den Punkt ge¬
trieben hat, wo sie heute stehn, ist auf den frühem Seiten zur Genüge die
Rede gewesen. Auch ist sattsam darauf hingewiesen worden, daß die äußere
Zwangslage diesen Weg wohl eine Zeit lang hat aufhalten, aber niemals aus
der Richtung drängen können,

Brandenburg-Preußen hat Deutschland in sich aufgehn macheu: das war
seine erste Epoche, Die zweite war, daß es als Deutschland die Führung in
Enropa errungen hat, und die dritte wird sein, daß es die freie Stellung in
der Welt gewonnen hat, Ist man irgendwo in der Welt der Meinung, daß
es davon durch irgendwelche von außen herantretende Einwirkungen, von
welcher Art sie auch sein mögen, abgehalten werden könnte? Muß hier noch
einmal an die Tradition erinnert werden, die durch die Geschichte des Hohen-
zollemstaats geht? Derselbe Geist, der im krachenden Donner aus dem Munde
der faulen Grete um die Mauern von Burg Friesack sprach, weht in den wuch¬
tigen Worten, die seiner Zeit Kaiser Wilhelm II, an den Kaiser von China
gerichtet hat. Oder will einer den Beweis führen, daß es etwas andres sei,
im nahen Brandenburg für Ordnung und Recht einzutreten, und etwas andres,
im fernen Ostasien Sühne für ihre Verletzung zu fordern? Derselbe Geist der
Ordnung und des Rechts, des Maßes und Zieles, aber auch hinter ihnen
derselbe Geist des starken Selbstbewußtseins und des nicht minder starken
Willens, Wir wissen, was wir wollen, es geht nirgends über Maß und Ziel
hinaus und verletzt im besondern nicht das Recht und die Ordnung andrer,
aber dann soll es auch in seinem ganzen Umfang uns gehören, und niemand
soll es uns streitig machen.

Deutschland wird seinen Willen in den weiten Räumen der Welt durch¬
setzen, wie es ihn in engern und engsten Grenzen zur Anerkennung gebracht
hat, deshalb durchsetzen, weil er nicht von der ungehemmten Begierde beflügelt
wird, sondern weil er überall, wo er vordringt, mit der Vernunft gepaart ist,
und weil er dadurch den sittlichen, weltordnenden Charakter erhält. Deutsch¬
land wie einst Brandenburg-Preußen in Waffen starrend, aber diese Waffen
sind wie die Keule des Herkules, der das Haupt der lernnischen Schlange
zerschmettert, oder wie der Donnerkeil in der Hand des Olhmpicrs, der den
Enkeladns unter Druck hält. Ist das heilige Feuer, das zur Belebung, aber
anch zur Vernichtung geschaffen wurde, jemals einer bessern Hand zur Hut
anvertraut gewesen?

Zu Lande ist das Deutsche Reich hinreichend mit Blitz und Donner ver¬
sehen, um seinem Ordnungs- und Gerechtigkeitssinn den gehörigen Nachdruck
zu geben, aber auf dem Meere reicht seine Rüstung uoch nicht weit genug


Holland und Deutschland

was im vorigen ausgeführt worden ist, die schärfste und bindendste Folge aus
der politischen Haltung, zu der sich Deutschland aus innern und aus äußern
Notwendigkeiten gezwungen sieht. Man sollte sich darüber an keiner Stelle
in der Welt, diese mag an unsrer Grenze oder in den weiten Fernen des
Ozeans liegen, irgend welchen Täuschungen hingeben. Über den Zug deutscheu
Lebensdranges, der von innen heraus Volk und Staat bis an den Punkt ge¬
trieben hat, wo sie heute stehn, ist auf den frühem Seiten zur Genüge die
Rede gewesen. Auch ist sattsam darauf hingewiesen worden, daß die äußere
Zwangslage diesen Weg wohl eine Zeit lang hat aufhalten, aber niemals aus
der Richtung drängen können,

Brandenburg-Preußen hat Deutschland in sich aufgehn macheu: das war
seine erste Epoche, Die zweite war, daß es als Deutschland die Führung in
Enropa errungen hat, und die dritte wird sein, daß es die freie Stellung in
der Welt gewonnen hat, Ist man irgendwo in der Welt der Meinung, daß
es davon durch irgendwelche von außen herantretende Einwirkungen, von
welcher Art sie auch sein mögen, abgehalten werden könnte? Muß hier noch
einmal an die Tradition erinnert werden, die durch die Geschichte des Hohen-
zollemstaats geht? Derselbe Geist, der im krachenden Donner aus dem Munde
der faulen Grete um die Mauern von Burg Friesack sprach, weht in den wuch¬
tigen Worten, die seiner Zeit Kaiser Wilhelm II, an den Kaiser von China
gerichtet hat. Oder will einer den Beweis führen, daß es etwas andres sei,
im nahen Brandenburg für Ordnung und Recht einzutreten, und etwas andres,
im fernen Ostasien Sühne für ihre Verletzung zu fordern? Derselbe Geist der
Ordnung und des Rechts, des Maßes und Zieles, aber auch hinter ihnen
derselbe Geist des starken Selbstbewußtseins und des nicht minder starken
Willens, Wir wissen, was wir wollen, es geht nirgends über Maß und Ziel
hinaus und verletzt im besondern nicht das Recht und die Ordnung andrer,
aber dann soll es auch in seinem ganzen Umfang uns gehören, und niemand
soll es uns streitig machen.

Deutschland wird seinen Willen in den weiten Räumen der Welt durch¬
setzen, wie es ihn in engern und engsten Grenzen zur Anerkennung gebracht
hat, deshalb durchsetzen, weil er nicht von der ungehemmten Begierde beflügelt
wird, sondern weil er überall, wo er vordringt, mit der Vernunft gepaart ist,
und weil er dadurch den sittlichen, weltordnenden Charakter erhält. Deutsch¬
land wie einst Brandenburg-Preußen in Waffen starrend, aber diese Waffen
sind wie die Keule des Herkules, der das Haupt der lernnischen Schlange
zerschmettert, oder wie der Donnerkeil in der Hand des Olhmpicrs, der den
Enkeladns unter Druck hält. Ist das heilige Feuer, das zur Belebung, aber
anch zur Vernichtung geschaffen wurde, jemals einer bessern Hand zur Hut
anvertraut gewesen?

Zu Lande ist das Deutsche Reich hinreichend mit Blitz und Donner ver¬
sehen, um seinem Ordnungs- und Gerechtigkeitssinn den gehörigen Nachdruck
zu geben, aber auf dem Meere reicht seine Rüstung uoch nicht weit genug


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[0277] Holland und Deutschland was im vorigen ausgeführt worden ist, die schärfste und bindendste Folge aus der politischen Haltung, zu der sich Deutschland aus innern und aus äußern Notwendigkeiten gezwungen sieht. Man sollte sich darüber an keiner Stelle in der Welt, diese mag an unsrer Grenze oder in den weiten Fernen des Ozeans liegen, irgend welchen Täuschungen hingeben. Über den Zug deutscheu Lebensdranges, der von innen heraus Volk und Staat bis an den Punkt ge¬ trieben hat, wo sie heute stehn, ist auf den frühem Seiten zur Genüge die Rede gewesen. Auch ist sattsam darauf hingewiesen worden, daß die äußere Zwangslage diesen Weg wohl eine Zeit lang hat aufhalten, aber niemals aus der Richtung drängen können, Brandenburg-Preußen hat Deutschland in sich aufgehn macheu: das war seine erste Epoche, Die zweite war, daß es als Deutschland die Führung in Enropa errungen hat, und die dritte wird sein, daß es die freie Stellung in der Welt gewonnen hat, Ist man irgendwo in der Welt der Meinung, daß es davon durch irgendwelche von außen herantretende Einwirkungen, von welcher Art sie auch sein mögen, abgehalten werden könnte? Muß hier noch einmal an die Tradition erinnert werden, die durch die Geschichte des Hohen- zollemstaats geht? Derselbe Geist, der im krachenden Donner aus dem Munde der faulen Grete um die Mauern von Burg Friesack sprach, weht in den wuch¬ tigen Worten, die seiner Zeit Kaiser Wilhelm II, an den Kaiser von China gerichtet hat. Oder will einer den Beweis führen, daß es etwas andres sei, im nahen Brandenburg für Ordnung und Recht einzutreten, und etwas andres, im fernen Ostasien Sühne für ihre Verletzung zu fordern? Derselbe Geist der Ordnung und des Rechts, des Maßes und Zieles, aber auch hinter ihnen derselbe Geist des starken Selbstbewußtseins und des nicht minder starken Willens, Wir wissen, was wir wollen, es geht nirgends über Maß und Ziel hinaus und verletzt im besondern nicht das Recht und die Ordnung andrer, aber dann soll es auch in seinem ganzen Umfang uns gehören, und niemand soll es uns streitig machen. Deutschland wird seinen Willen in den weiten Räumen der Welt durch¬ setzen, wie es ihn in engern und engsten Grenzen zur Anerkennung gebracht hat, deshalb durchsetzen, weil er nicht von der ungehemmten Begierde beflügelt wird, sondern weil er überall, wo er vordringt, mit der Vernunft gepaart ist, und weil er dadurch den sittlichen, weltordnenden Charakter erhält. Deutsch¬ land wie einst Brandenburg-Preußen in Waffen starrend, aber diese Waffen sind wie die Keule des Herkules, der das Haupt der lernnischen Schlange zerschmettert, oder wie der Donnerkeil in der Hand des Olhmpicrs, der den Enkeladns unter Druck hält. Ist das heilige Feuer, das zur Belebung, aber anch zur Vernichtung geschaffen wurde, jemals einer bessern Hand zur Hut anvertraut gewesen? Zu Lande ist das Deutsche Reich hinreichend mit Blitz und Donner ver¬ sehen, um seinem Ordnungs- und Gerechtigkeitssinn den gehörigen Nachdruck zu geben, aber auf dem Meere reicht seine Rüstung uoch nicht weit genug

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/277>, abgerufen am 22.07.2024.