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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die Neukolonisation Südamerikas

Statistik vom Wirtschaftsjahr 1897/98, Dem "ordamerikanischen Export "ach
Brasilien im Betrage van 13317956 Dollars steht -- nach den nordamerika¬
nischen Aufstellungen -- der brasilische nach Nordamerika mit 61750369 Dollars
gegenüber! Wir haben hier einen klassischen Beweis von der großartigen, weit-
schonenden Handelspolitik der Union, Es ist ihr ans diese Weise gelungen,
der Hauptabnehmer des brasilischen Kaffees zu werden -- über die Hälfte des
brasilischen Kaffees geht angeblich nach Nordamerika -- und für den bevor¬
stehenden Handelsvertrag das ganze Gewicht des für Brasilien so günstigen
Saldos in die Wagschale seiner zollpolitischen Forderungen diesem Staate
gegenüber zu werfen. Ans diese Weise hofft sie, Brasilien zum Anschluß an
den hinter allen derartigen Maßregeln lauernden panamerikanischen Zollbund
zu bewegen, der Südamerika zur kommerziellen Provinz der industriekräftigen
Union machen würde. Dabei bleibt für Brasilien nicht einmal der Trost übrig,
daß sich die nordamerikanische" Konsumenten gegen einen Kaffcezoll sträuben
würden. Es steht fest, daß die Union nicht uur in den ihr handelspolitisch
schon weit mehr angegliederten zentralamerikanischen Staaten, sondern auch in
ihrem neu erworbnen Gebiet ihren Kaffeebedarf bald würde decken können.
Wie sie es aber mit dem brasilischen Kaffee macht, so Argentinien gegenüber
mit der Wolle, Der Dingleytarif wurde zu Gunsten dieses Artikels ebenfalls
durchbrochen, um dadurch Zugeständnisse für die nordamerikanischen Jndustric-
erzeuguisse herauszuschlagen. Dasselbe Verfahren wird der kaufkräftige "Handels¬
mann im Norden" vielleicht später auf das Kupfer und den Salpeter Chiles,
den Kakao Ekuadors übertragen. Und wer garantiert dafür, daß wenn einmal
Brasilien zum kommerziellen Tributärstaat der Union herabgesunken ist, diese
nicht dieselbe Manipulation, durch die sie die Kasfeeproduktion dieses Staats
ermutigte, mit dem Kaffee Kolumbiens und Venezuelas wiederholt, die zur
Zeit unter der Konkurrenz Brasiliens schwer leidende Kaffeeprodnktion dieser
Länder durch eine gesteigerte Nachfrage in die Höhe treibt, und wenn es der
Hauptabnehmer geworden ist, beide Staaten zwingt, den nordamerikanischen
Jndnstrieerzengnisfen Vorzugstarife einzuräumen, die jeden Wettbewerb Europas
unmöglich machen? Wenn dann der brasilische Kaffee unverkauft liegen bleibt,
was verschlägt dies? Ani so enger zieht sich das Netz des wirtschaftlich Stärker"
über dem Schwachen znscumnen.

Ist aber einmal der panamerikanische Zollbund in sicherer Aussicht, so
wird die Ausführung der transkontinentalen Bahn, die Newhork mit Buenos
Aires verbinden soll, mich nicht mehr lange auf sich warten lassen. Als im
Jahre 1889 die südamerikanischen Republiken zur Besprechung einer würdigen
Kolnmbnsfeier nach Washington geladen wurden, waren die Vertreter der
meisten Staaten genötigt, den Umweg über Enropa z" machen, um dorthin zu
gelangen, also zweimal den Atlantischen Ozean zu durchkreuzen. Drastischer
konnte die Notwendigkeit besserer Verkehrsvcrbindnngen zwischen den beiden
Kontinenten den Herren nicht vor Augen geführt werden. Man erwärmte sich
also für die Idee einer Eisenbahn durch den Gesamtkontincnt auf eine Strecke


Die Neukolonisation Südamerikas

Statistik vom Wirtschaftsjahr 1897/98, Dem »ordamerikanischen Export »ach
Brasilien im Betrage van 13317956 Dollars steht — nach den nordamerika¬
nischen Aufstellungen — der brasilische nach Nordamerika mit 61750369 Dollars
gegenüber! Wir haben hier einen klassischen Beweis von der großartigen, weit-
schonenden Handelspolitik der Union, Es ist ihr ans diese Weise gelungen,
der Hauptabnehmer des brasilischen Kaffees zu werden — über die Hälfte des
brasilischen Kaffees geht angeblich nach Nordamerika — und für den bevor¬
stehenden Handelsvertrag das ganze Gewicht des für Brasilien so günstigen
Saldos in die Wagschale seiner zollpolitischen Forderungen diesem Staate
gegenüber zu werfen. Ans diese Weise hofft sie, Brasilien zum Anschluß an
den hinter allen derartigen Maßregeln lauernden panamerikanischen Zollbund
zu bewegen, der Südamerika zur kommerziellen Provinz der industriekräftigen
Union machen würde. Dabei bleibt für Brasilien nicht einmal der Trost übrig,
daß sich die nordamerikanische» Konsumenten gegen einen Kaffcezoll sträuben
würden. Es steht fest, daß die Union nicht uur in den ihr handelspolitisch
schon weit mehr angegliederten zentralamerikanischen Staaten, sondern auch in
ihrem neu erworbnen Gebiet ihren Kaffeebedarf bald würde decken können.
Wie sie es aber mit dem brasilischen Kaffee macht, so Argentinien gegenüber
mit der Wolle, Der Dingleytarif wurde zu Gunsten dieses Artikels ebenfalls
durchbrochen, um dadurch Zugeständnisse für die nordamerikanischen Jndustric-
erzeuguisse herauszuschlagen. Dasselbe Verfahren wird der kaufkräftige „Handels¬
mann im Norden" vielleicht später auf das Kupfer und den Salpeter Chiles,
den Kakao Ekuadors übertragen. Und wer garantiert dafür, daß wenn einmal
Brasilien zum kommerziellen Tributärstaat der Union herabgesunken ist, diese
nicht dieselbe Manipulation, durch die sie die Kasfeeproduktion dieses Staats
ermutigte, mit dem Kaffee Kolumbiens und Venezuelas wiederholt, die zur
Zeit unter der Konkurrenz Brasiliens schwer leidende Kaffeeprodnktion dieser
Länder durch eine gesteigerte Nachfrage in die Höhe treibt, und wenn es der
Hauptabnehmer geworden ist, beide Staaten zwingt, den nordamerikanischen
Jndnstrieerzengnisfen Vorzugstarife einzuräumen, die jeden Wettbewerb Europas
unmöglich machen? Wenn dann der brasilische Kaffee unverkauft liegen bleibt,
was verschlägt dies? Ani so enger zieht sich das Netz des wirtschaftlich Stärker»
über dem Schwachen znscumnen.

Ist aber einmal der panamerikanische Zollbund in sicherer Aussicht, so
wird die Ausführung der transkontinentalen Bahn, die Newhork mit Buenos
Aires verbinden soll, mich nicht mehr lange auf sich warten lassen. Als im
Jahre 1889 die südamerikanischen Republiken zur Besprechung einer würdigen
Kolnmbnsfeier nach Washington geladen wurden, waren die Vertreter der
meisten Staaten genötigt, den Umweg über Enropa z» machen, um dorthin zu
gelangen, also zweimal den Atlantischen Ozean zu durchkreuzen. Drastischer
konnte die Notwendigkeit besserer Verkehrsvcrbindnngen zwischen den beiden
Kontinenten den Herren nicht vor Augen geführt werden. Man erwärmte sich
also für die Idee einer Eisenbahn durch den Gesamtkontincnt auf eine Strecke


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/180>, abgerufen am 22.07.2024.