Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.Der Wildfang die Edelfrauen bei uns. Und sie braucht dort keine gemeine Arbeit zu thun. Weiß Kunigunde von deiner unehrlichen Herkunft? fragte jetzt Gerwig, der Nie darf sie davon erfahren! rief Valentin. Ihr kennt sie ja, wie sie so Aber wenn du nicht mehr so viel Zeit hast, wie dn meinst, und auf heute Das ist nicht möglich. Ich habe gewiß noch vierzehn Tage Zeit. Aber gesetzt den Fall? Dann stell ich etwas an, daß ich fliehen muß. Ich Schleich mich vor der Ja, erwiderten wir, zuerst ich, dann Gerwig. Gerwig fügte hinzu: Ich weiß ein gutes Pferd in der Vorstadt, das Valentin überhörte dies und sagte: schwöret mir jetzt, daß ihr weder meiner Braut noch sonst irgend einem Wir richteten uns auf. Ich schwörs bei meiner Seligkeit! sagte ich, und Gerwig that den gleichen Dann schlug Gerwig Feuer und entzündete die Ampel. Er und ich stiegen Als wir wieder in unsern Betten lagen, sagte Valentin: Morgen ist der Kur¬ Nein nein, rief Gerwig hastig. Mein Baum wird keinem Menschen verraten. Wenn ich noch acht Tage Zeit habe, ist alles gut, und soviel ist es Und dann sagte er uns viel tausend Dank und wünschte uns gute Nacht. Der Wildfang die Edelfrauen bei uns. Und sie braucht dort keine gemeine Arbeit zu thun. Weiß Kunigunde von deiner unehrlichen Herkunft? fragte jetzt Gerwig, der Nie darf sie davon erfahren! rief Valentin. Ihr kennt sie ja, wie sie so Aber wenn du nicht mehr so viel Zeit hast, wie dn meinst, und auf heute Das ist nicht möglich. Ich habe gewiß noch vierzehn Tage Zeit. Aber gesetzt den Fall? Dann stell ich etwas an, daß ich fliehen muß. Ich Schleich mich vor der Ja, erwiderten wir, zuerst ich, dann Gerwig. Gerwig fügte hinzu: Ich weiß ein gutes Pferd in der Vorstadt, das Valentin überhörte dies und sagte: schwöret mir jetzt, daß ihr weder meiner Braut noch sonst irgend einem Wir richteten uns auf. Ich schwörs bei meiner Seligkeit! sagte ich, und Gerwig that den gleichen Dann schlug Gerwig Feuer und entzündete die Ampel. Er und ich stiegen Als wir wieder in unsern Betten lagen, sagte Valentin: Morgen ist der Kur¬ Nein nein, rief Gerwig hastig. Mein Baum wird keinem Menschen verraten. Wenn ich noch acht Tage Zeit habe, ist alles gut, und soviel ist es Und dann sagte er uns viel tausend Dank und wünschte uns gute Nacht. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0148" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235320"/> <fw type="header" place="top"> Der Wildfang</fw><lb/> <p xml:id="ID_642" prev="#ID_641"> die Edelfrauen bei uns. Und sie braucht dort keine gemeine Arbeit zu thun.<lb/> Sie kann so viel Knechte und Mägde haben, als sie nur will, lauter Polacken.</p><lb/> <p xml:id="ID_643"> Weiß Kunigunde von deiner unehrlichen Herkunft? fragte jetzt Gerwig, der<lb/> lauge geschwiegen hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_644"> Nie darf sie davon erfahren! rief Valentin. Ihr kennt sie ja, wie sie so<lb/> stolz ist! Nicht umsonst heißt sie die Pfalzgräfin. Wenn sie je erführe, was ich<lb/> bin, und was sie durch mich geworden ist, das könnte sie nimmermehr ertragen!<lb/> Sie ist des Glaubens, daß ich auswandern will, weil ich dort rascher Meister<lb/> werde, als sonst irgendwo, und weil sie es dort besser bekommt, als hierzulande.</p><lb/> <p xml:id="ID_645"> Aber wenn du nicht mehr so viel Zeit hast, wie dn meinst, und auf heute<lb/> oder morgen entrinnen mußt?</p><lb/> <p xml:id="ID_646"> Das ist nicht möglich. 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Ihr habt mir derweilen ein Pferd verschafft und zu deinem Oheim,<lb/> Johannes, dem Gärtner in Kliugeuteich in den Stall gestellt. Dort treffen wir<lb/> uns auf verschleimen Wegen und reiten den Klingenteich hinauf nach Waldhilsbach<lb/> zu und weiter nach einer Reichsstadt, wo man die Pfälzer nicht mag, nach Wimpfen<lb/> oder Heilbronn. Dort sind wir vorerst sicher. So hab ich mir alles ausgedacht,<lb/> und ich vertrau dabei auf euch. Und nun, liebe Herzbrüder, wollt ihr mir<lb/> helfen?</p><lb/> <p xml:id="ID_649"> Ja, erwiderten wir, zuerst ich, dann Gerwig.</p><lb/> <p xml:id="ID_650"> Gerwig fügte hinzu: Ich weiß ein gutes Pferd in der Vorstadt, das<lb/> ist feil.</p><lb/> <p xml:id="ID_651"> Valentin überhörte dies und sagte:</p><lb/> <p xml:id="ID_652"> schwöret mir jetzt, daß ihr weder meiner Braut noch sonst irgend einem<lb/> Menschen sagt, was ihr von meiner Herkunft wißt.</p><lb/> <p xml:id="ID_653"> Wir richteten uns auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_654"> Ich schwörs bei meiner Seligkeit! sagte ich, und Gerwig that den gleichen<lb/> Schwur.</p><lb/> <p xml:id="ID_655"> Dann schlug Gerwig Feuer und entzündete die Ampel. Er und ich stiegen<lb/> aus unsern Betten, und jeder holte aus seiner Truhe fünfzig Gulden, die er dein<lb/> Valentin auf die Bettdecke zählte. Der wickelte das Geld in ein Tuch und schob<lb/> es unter sein Kissen.</p><lb/> <p xml:id="ID_656"> Als wir wieder in unsern Betten lagen, sagte Valentin: Morgen ist der Kur¬<lb/> fürstin Geburtstag und Feiertag auf herrschaftliche» Befehl. Da gehn wir in der<lb/> Frühe zu deinem Baume, Gerwig, und schauen nach dein Tage.</p><lb/> <p xml:id="ID_657"> Nein nein, rief Gerwig hastig. Mein Baum wird keinem Menschen verraten.<lb/> Aber ich will hinausgehn und dir die Kunde bringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_658"> Wenn ich noch acht Tage Zeit habe, ist alles gut, und soviel ist es<lb/> gewiß noch.</p><lb/> <p xml:id="ID_659"> Und dann sagte er uns viel tausend Dank und wünschte uns gute Nacht.<lb/> Nun hab ich ein leichtes Herz, sagte er noch. Dann wurde es stille.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0148]
Der Wildfang
die Edelfrauen bei uns. Und sie braucht dort keine gemeine Arbeit zu thun.
Sie kann so viel Knechte und Mägde haben, als sie nur will, lauter Polacken.
Weiß Kunigunde von deiner unehrlichen Herkunft? fragte jetzt Gerwig, der
lauge geschwiegen hatte.
Nie darf sie davon erfahren! rief Valentin. Ihr kennt sie ja, wie sie so
stolz ist! Nicht umsonst heißt sie die Pfalzgräfin. Wenn sie je erführe, was ich
bin, und was sie durch mich geworden ist, das könnte sie nimmermehr ertragen!
Sie ist des Glaubens, daß ich auswandern will, weil ich dort rascher Meister
werde, als sonst irgendwo, und weil sie es dort besser bekommt, als hierzulande.
Aber wenn du nicht mehr so viel Zeit hast, wie dn meinst, und auf heute
oder morgen entrinnen mußt?
Das ist nicht möglich. Ich habe gewiß noch vierzehn Tage Zeit.
Aber gesetzt den Fall?
Dann stell ich etwas an, daß ich fliehen muß. Ich Schleich mich vor der
Vesperzeit, wo Kunigunde in der Schmiede ist, durch die Gärten auf die Knuzlci
und schlage dem Schreiber, der unsern Kameraden, den Herbold, verraten hat, die
Zähne in den Hals. Dünn schließ ich die Kanzleistube zu und nehme den Schlüssel
mit und springe durch das Fenster in den Winkel und durch die Gärten hierher.
Ich sag der Kunigunde: Ich habe mit dem Schreiber Händel bekommen und hab
ihm das und das gethan, ich muß außer Landes fliehen, gehst du mit? — Ich
weiß, sie geht mit. Denn sie liebt mich; und Gefahren schrecken sie nicht, die locken
sie an. Sie vertraut darauf, daß ihr und Margarete ihren Vater versorgen
werdet. Ihr habt mir derweilen ein Pferd verschafft und zu deinem Oheim,
Johannes, dem Gärtner in Kliugeuteich in den Stall gestellt. Dort treffen wir
uns auf verschleimen Wegen und reiten den Klingenteich hinauf nach Waldhilsbach
zu und weiter nach einer Reichsstadt, wo man die Pfälzer nicht mag, nach Wimpfen
oder Heilbronn. Dort sind wir vorerst sicher. So hab ich mir alles ausgedacht,
und ich vertrau dabei auf euch. Und nun, liebe Herzbrüder, wollt ihr mir
helfen?
Ja, erwiderten wir, zuerst ich, dann Gerwig.
Gerwig fügte hinzu: Ich weiß ein gutes Pferd in der Vorstadt, das
ist feil.
Valentin überhörte dies und sagte:
schwöret mir jetzt, daß ihr weder meiner Braut noch sonst irgend einem
Menschen sagt, was ihr von meiner Herkunft wißt.
Wir richteten uns auf.
Ich schwörs bei meiner Seligkeit! sagte ich, und Gerwig that den gleichen
Schwur.
Dann schlug Gerwig Feuer und entzündete die Ampel. Er und ich stiegen
aus unsern Betten, und jeder holte aus seiner Truhe fünfzig Gulden, die er dein
Valentin auf die Bettdecke zählte. Der wickelte das Geld in ein Tuch und schob
es unter sein Kissen.
Als wir wieder in unsern Betten lagen, sagte Valentin: Morgen ist der Kur¬
fürstin Geburtstag und Feiertag auf herrschaftliche» Befehl. Da gehn wir in der
Frühe zu deinem Baume, Gerwig, und schauen nach dein Tage.
Nein nein, rief Gerwig hastig. Mein Baum wird keinem Menschen verraten.
Aber ich will hinausgehn und dir die Kunde bringen.
Wenn ich noch acht Tage Zeit habe, ist alles gut, und soviel ist es
gewiß noch.
Und dann sagte er uns viel tausend Dank und wünschte uns gute Nacht.
Nun hab ich ein leichtes Herz, sagte er noch. Dann wurde es stille.
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