Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.Der wildfang Schweig! sagte ich, aber zu gleicher Zeit sagte er: Meine Mutter hat meinen Bater vom Henkerskarren zum Gatten geholt. Es wurde still im Gemach. Dn bist unehrlich, sagte Gerwig uach einer Weile. In, das bin ich. Und ihr seid meine Herzbrüder. Dich, Johannes, habe Weiß jemand davon in Heidelberg? fragte ich. Ich glaube uicht. Aber in Mainz giebt es noch diele, die es erlebt haben, Darum möchtest dn fort, ehe Jahr und Tag vorbei ist, sagte Gerwig. Ich aber schalt Valentin: Du hättest gleich gehn sollen, vor einem Vierteljahr, Freilich, klagte Valentin. Aber ich dachte, ich hätte noch Zeit genng. Und Und jetzt? fragte ich. Sie will ja mit! jubelte Valentin. Habe ich noch acht Tage Zeit, so wird Dann richtete er sich auf, setzte sich auf des Bettes Rand und fuhr fort: Liebe Brüder, ich bitte euch, daß ihr mir helfet. Hundert Gulden habe ich, Was ist das für eine Stadt? fragte ich. Auch das will ich euch verrate": Rosenberg in Schlesien, wo die Polen Und Kunigunde geht mit? Die geht mit. Und den lahmen Vater läßt sie zurück? fragte ich ingrimmig. Den nehmen wir auch mit! erwiderte Valentin. Wir kaufen ein Kütschlein Die Vögel singen nirgendwo um diese Jahreszeit, sagte Gerwig trocken. Ich aber rief: Und das alles habt ihr miteinander ausgemacht, das schwarze Das und noch viel mehr. Das ist ein unheimlicher Versprich. ^ Wir haben das schwarze Seil regiert und dem Tod kommandiert, sagte Oder ihr habt ihn herbeigeläutet! Valentin legte sich auf sein Bett zurück. Es war wieder still im Gemach. Geht denn Kunigunde gern so weit hinweg zu den fremden Menschen? fragte Je>, sie geht gern. Denn die Meistersfrauen gelten dort geradesoviel wie Der wildfang Schweig! sagte ich, aber zu gleicher Zeit sagte er: Meine Mutter hat meinen Bater vom Henkerskarren zum Gatten geholt. Es wurde still im Gemach. Dn bist unehrlich, sagte Gerwig uach einer Weile. In, das bin ich. Und ihr seid meine Herzbrüder. Dich, Johannes, habe Weiß jemand davon in Heidelberg? fragte ich. Ich glaube uicht. Aber in Mainz giebt es noch diele, die es erlebt haben, Darum möchtest dn fort, ehe Jahr und Tag vorbei ist, sagte Gerwig. Ich aber schalt Valentin: Du hättest gleich gehn sollen, vor einem Vierteljahr, Freilich, klagte Valentin. Aber ich dachte, ich hätte noch Zeit genng. Und Und jetzt? fragte ich. Sie will ja mit! jubelte Valentin. Habe ich noch acht Tage Zeit, so wird Dann richtete er sich auf, setzte sich auf des Bettes Rand und fuhr fort: Liebe Brüder, ich bitte euch, daß ihr mir helfet. Hundert Gulden habe ich, Was ist das für eine Stadt? fragte ich. Auch das will ich euch verrate«: Rosenberg in Schlesien, wo die Polen Und Kunigunde geht mit? Die geht mit. Und den lahmen Vater läßt sie zurück? fragte ich ingrimmig. Den nehmen wir auch mit! erwiderte Valentin. Wir kaufen ein Kütschlein Die Vögel singen nirgendwo um diese Jahreszeit, sagte Gerwig trocken. Ich aber rief: Und das alles habt ihr miteinander ausgemacht, das schwarze Das und noch viel mehr. Das ist ein unheimlicher Versprich. ^ Wir haben das schwarze Seil regiert und dem Tod kommandiert, sagte Oder ihr habt ihn herbeigeläutet! Valentin legte sich auf sein Bett zurück. Es war wieder still im Gemach. Geht denn Kunigunde gern so weit hinweg zu den fremden Menschen? fragte Je>, sie geht gern. Denn die Meistersfrauen gelten dort geradesoviel wie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0147" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235319"/> <fw type="header" place="top"> Der wildfang</fw><lb/> <p xml:id="ID_613"> Schweig! sagte ich, aber zu gleicher Zeit sagte er:</p><lb/> <p xml:id="ID_614"> Meine Mutter hat meinen Bater vom Henkerskarren zum Gatten geholt.</p><lb/> <p xml:id="ID_615"> Es wurde still im Gemach.</p><lb/> <p xml:id="ID_616"> Dn bist unehrlich, sagte Gerwig uach einer Weile.</p><lb/> <p xml:id="ID_617"> In, das bin ich. 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Der wildfang
Schweig! sagte ich, aber zu gleicher Zeit sagte er:
Meine Mutter hat meinen Bater vom Henkerskarren zum Gatten geholt.
Es wurde still im Gemach.
Dn bist unehrlich, sagte Gerwig uach einer Weile.
In, das bin ich. Und ihr seid meine Herzbrüder. Dich, Johannes, habe
ich immerdar als einen treuen deutschen Gesellen erkannt, und dn bist mein aller¬
liebster Gerwig — auf der Erde und im Himmel und in der Hölle mein Gerwig.
Mein Geheimnis ruht jetzt in euern Händen. Es reut mich uicht, daß ichs euch
gesagt habe.
Weiß jemand davon in Heidelberg? fragte ich.
'
Ich glaube uicht. Aber in Mainz giebt es noch diele, die es erlebt haben,
und wie leicht kann einer von denen hierher kommen.
Darum möchtest dn fort, ehe Jahr und Tag vorbei ist, sagte Gerwig.
Ich aber schalt Valentin: Du hättest gleich gehn sollen, vor einem Vierteljahr,
als das Wildfangwesen anfing, oder hattest dich wenigstens damals nach dem Tag
deiner Ankunft erkundigen sollen; das Buch lag noch lange ans der Herberge, und
das Fragen war noch unverdächtig.
Freilich, klagte Valentin. Aber ich dachte, ich hätte noch Zeit genng. Und
vor dem Fvrtgehn fürchtete ich mich gerade so wie vor dem Gefangenwcrden.
Und jetzt? fragte ich.
Sie will ja mit! jubelte Valentin. Habe ich noch acht Tage Zeit, so wird
alles gut.
Dann richtete er sich auf, setzte sich auf des Bettes Rand und fuhr fort:
Liebe Brüder, ich bitte euch, daß ihr mir helfet. Hundert Gulden habe ich,
und wenn mir jeder von euch »och fünfzig Gulden leiht auf deutsches Gesellen-
Wort, dann reicht es für uns. Wir ziehn fort ans des Pfalzgrafen Jagdbann,
fort von der Heimat meiner Mutter und über die Heimat meines Vaters hinaus.
Ich weiß eine Stadt, weit von hier, wo es für einen Fremden leicht ist, Meister
zu werden, wenn er mir ein Deutscher ist.
Was ist das für eine Stadt? fragte ich.
Auch das will ich euch verrate«: Rosenberg in Schlesien, wo die Polen
wohnen. Aber die Deutschen sind Herren, und die Polen sind Knechte.
Und Kunigunde geht mit?
Die geht mit.
Und den lahmen Vater läßt sie zurück? fragte ich ingrimmig.
Den nehmen wir auch mit! erwiderte Valentin. Wir kaufen ein Kütschlein
u»d zwei Pferde. Hab und Gut machen sie zu Geld, dann haben wir noch einmal
hundert Gulden. So fahren sie gemächlich, und ich reite daneben. Irgendwo
unterwegs, wo die Herberge gut ist, und die Vögel am schönsten singen, halten wir
Hochzeit.
Die Vögel singen nirgendwo um diese Jahreszeit, sagte Gerwig trocken.
Ich aber rief: Und das alles habt ihr miteinander ausgemacht, das schwarze
Seil in den Händen?
Das und noch viel mehr.
Das ist ein unheimlicher Versprich.
^ Wir haben das schwarze Seil regiert und dem Tod kommandiert, sagte
Valentin.
Oder ihr habt ihn herbeigeläutet!
Valentin legte sich auf sein Bett zurück. Es war wieder still im Gemach.
Geht denn Kunigunde gern so weit hinweg zu den fremden Menschen? fragte
'es, uni das unheimliche Schweigen zu brechen.
Je>, sie geht gern. Denn die Meistersfrauen gelten dort geradesoviel wie
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