Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.Verminderung und Verbilligung der Prozesse Lügen Josef von(Fortsetzung) 1, is zum 1. Oktober 1879 war in Deutschland die Zuständigkeit Der zweite Rechtszug vor dem Berufungsgericht ist nicht billiger, sodaß Verminderung und Verbilligung der Prozesse Lügen Josef von(Fortsetzung) 1, is zum 1. Oktober 1879 war in Deutschland die Zuständigkeit Der zweite Rechtszug vor dem Berufungsgericht ist nicht billiger, sodaß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0122" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235294"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341873_235171/figures/grenzboten_341873_235171_235294_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Verminderung und Verbilligung der Prozesse<lb/><note type="byline"> Lügen Josef</note> von(Fortsetzung)</head><lb/> <div n="2"> <head> 1,</head><lb/> <p xml:id="ID_504"> is zum 1. Oktober 1879 war in Deutschland die Zuständigkeit<lb/> des Einzclrichters in Zivilprvzessen in der mannigfaltigsten Weise<lb/> geordnet. In den altpreußischen Gebietsteilen war der „Bagatell-<lb/> kommissar" zuständig zur Entscheidung von Prozessen bis zum<lb/> Betrage von 150 Mark, in den im Jahre 1866 erworbnen Lnndcs-<lb/> teilen bis zum Betrage von 300 Mark, in der Rheinprovinz bis zum Betrage<lb/> von 900 Mark; in andern deutscheu Staaten war die Zuständigkeitsgrenze ab¬<lb/> gemessen ans 75 Thaler, 150 Gulden, 200 Gulden, Das Gerichtsverfassungs¬<lb/> gesetz setzte einheitlich die Grenze auf 300 Mark „als durchschnittlich für das<lb/> ganze Reich passend" fest. Man erwog dabei, daß dem Armen zwar seine Kuh<lb/> und seine 300 Mark eben so lieb seien, wie dem Reichen seine wertvolle Herde<lb/> und seine 10000 Mark, war sich aber bewußt, daß ohne Überspannung dieses<lb/> an sich richtigen Gedankens kleine Streitgegenstände unmöglich denselben aus¬<lb/> gedehnten Schutz kollegialgerichtlicher Rechtsprechung erhalten könnten, wie große<lb/> Streitwerte, und daß andrerseits die Rücksicht auf die Vermeidung der hohen<lb/> Kosten, die mit dem Anwaltszwang und den Reisen nach dein auswärtigen<lb/> Terminort verbunden sind, bei geringen Streitwerten in Betracht komme.<lb/> Weitere Folgerungen aus dieser Erwägung zu zieh» hielt man nicht für not¬<lb/> wendig, obwohl dies doch so nahe gelegen hätte. Denn bei einem Streitwert<lb/> von 1 bis 20 Mark betragen, wenn das Urteil auf Grund von Beweisauf¬<lb/> nahmen ergeht, die Gerichtskosten und die Kosten zweier Anwälte eines Rechts-<lb/> zugs mindestens 16 Mark. Hierzu kommen die Auslage» der Anwälte und<lb/> des Gerichts an Schreibgebühren, Porto und Zustellungskosten mit gewöhnlich<lb/> reichlich 6 Mark; sind gar noch Gebühren für vielleicht auch nur einen oder<lb/> zwei Zeugen oder Sachverständige zu zahlen, so kostet ein einziger Nechtszug<lb/> vor dem Amtsgericht bei einem Streitwert von 1 bis 20 Mark mindestens<lb/> 30 Mark.</p><lb/> <p xml:id="ID_505" next="#ID_506"> Der zweite Rechtszug vor dem Berufungsgericht ist nicht billiger, sodaß<lb/> die Erschöpfung der beiden zulässigen Rechtszüge bei einem Streitwert von<lb/> 10 Mark dem unterliegenden Teil einen Kostenaufwand von 60 Mark ver¬<lb/> ursachen kann. Bei einem Streitwert von 30 Mark betragen im voraus¬<lb/> gesetzten Fall die Gerichts- und Anwaltskosten eines Rechtszugs 26 Mark,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0122]
[Abbildung]
Verminderung und Verbilligung der Prozesse
Lügen Josef von(Fortsetzung)
1,
is zum 1. Oktober 1879 war in Deutschland die Zuständigkeit
des Einzclrichters in Zivilprvzessen in der mannigfaltigsten Weise
geordnet. In den altpreußischen Gebietsteilen war der „Bagatell-
kommissar" zuständig zur Entscheidung von Prozessen bis zum
Betrage von 150 Mark, in den im Jahre 1866 erworbnen Lnndcs-
teilen bis zum Betrage von 300 Mark, in der Rheinprovinz bis zum Betrage
von 900 Mark; in andern deutscheu Staaten war die Zuständigkeitsgrenze ab¬
gemessen ans 75 Thaler, 150 Gulden, 200 Gulden, Das Gerichtsverfassungs¬
gesetz setzte einheitlich die Grenze auf 300 Mark „als durchschnittlich für das
ganze Reich passend" fest. Man erwog dabei, daß dem Armen zwar seine Kuh
und seine 300 Mark eben so lieb seien, wie dem Reichen seine wertvolle Herde
und seine 10000 Mark, war sich aber bewußt, daß ohne Überspannung dieses
an sich richtigen Gedankens kleine Streitgegenstände unmöglich denselben aus¬
gedehnten Schutz kollegialgerichtlicher Rechtsprechung erhalten könnten, wie große
Streitwerte, und daß andrerseits die Rücksicht auf die Vermeidung der hohen
Kosten, die mit dem Anwaltszwang und den Reisen nach dein auswärtigen
Terminort verbunden sind, bei geringen Streitwerten in Betracht komme.
Weitere Folgerungen aus dieser Erwägung zu zieh» hielt man nicht für not¬
wendig, obwohl dies doch so nahe gelegen hätte. Denn bei einem Streitwert
von 1 bis 20 Mark betragen, wenn das Urteil auf Grund von Beweisauf¬
nahmen ergeht, die Gerichtskosten und die Kosten zweier Anwälte eines Rechts-
zugs mindestens 16 Mark. Hierzu kommen die Auslage» der Anwälte und
des Gerichts an Schreibgebühren, Porto und Zustellungskosten mit gewöhnlich
reichlich 6 Mark; sind gar noch Gebühren für vielleicht auch nur einen oder
zwei Zeugen oder Sachverständige zu zahlen, so kostet ein einziger Nechtszug
vor dem Amtsgericht bei einem Streitwert von 1 bis 20 Mark mindestens
30 Mark.
Der zweite Rechtszug vor dem Berufungsgericht ist nicht billiger, sodaß
die Erschöpfung der beiden zulässigen Rechtszüge bei einem Streitwert von
10 Mark dem unterliegenden Teil einen Kostenaufwand von 60 Mark ver¬
ursachen kann. Bei einem Streitwert von 30 Mark betragen im voraus¬
gesetzten Fall die Gerichts- und Anwaltskosten eines Rechtszugs 26 Mark,
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