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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Reformen der amtliche" Statistik

in seinem Beruf und Wesen begründet. Wo sollte es auch hinführen? Ein
Privat und Amatenrstatistiker pflegt schon hundertmal mehr zu fragen, als
hundert amtliche Statistiker beantworten können; was würde der große Haufe
der Großkaufleutc und der Großindustriellen erst alles vom Statistischen Amt
verlangen! Um sich über die Tagcsbedürfuisse von Handel, Industrie und
Landwirtschaft, und was sonst im Reich noch rechnet, schreibt und schreit, um
Statistik auf dem Laufende" zu erhalten, stehn dem Amt einmal Zeitungen und
Zeitschriften in Menge zur Verfügung, und außerdem könnte, worauf Zcchu in
sehr dankenswerter Weise aufmerksam macht, durch die Schaffung eines aus
Praktikern, Professoren usw, gebildeten ,.Beirath" dem Bedürfnis, soweit es
fühlbar sein sollte, doch besser entsprochen werden, als durch die ganz unbe¬
rechenbare Last eines solchen Ausknnftcibetriebs.

Niemals darf bei der Beurteilung der Organisation und der Arbeiten des
Statistischen Amts des Reichs und der auf ihre Erweiterung gerichteten Wünsche
die große und uuabhüugige Bedeutung der amtlichen Statistik der einzelnen
Vnndesstaateu vergessen werden. Es ist nicht angezeigt und wohl auch von
niemand beabsichtigt, das befriedigende Zusammenarbeiten der Reichs- und
Lnudcsstatistik, wie es bisher möglich gewesen ist, durch weitgehende Reform¬
projekte im Sinne eiuer größer" Zentrnlisation zu stören, Wenn Nur hier
zum Schluß noch kurz einen Wunsch i" Bezug auf die preußische Statistik
anfügen wollen, so betrifft er eine rein preußische Frage und geht auf
Dezentralisation, nicht auf Zentralisation. Preußen mit einer einzige" fach¬
statistischen Amtsstelle, dem Königlichen preußischen statistischen Bureau in
Berlin, erscheint schon bei einem flüchtige" Blick auf die Karte im Vergleich
mit den andern deutscheu Staate" sehr stiefmütterlich versorgt. Zieht man
in Betracht, daß gerade Preuße" Provinzen mit so ganz verschiedner Ent¬
wicklung der wirtschnftlicheu und der sozialen Verhältnisse umfaßt, so wird
man sich der Berechtigung des Wunsches nicht verschließen können, daß wenig¬
stens für jede der heutige" Proviuze" eine statistische, von Fachstatistikern
geleitete Zentralstelle eingerichtet werden möge. Wenn man glaubte, sich des¬
halb, weil ja die sogenannten Jntercsseuvertretnngskörperschaften in den ein¬
zelnen Provinzen ihre eigne Statistik machen können und schon vielfach recht
ausgiebig machen, dieser Einrichtung entschlagen zu dürfen, so würde das auf
eiuer vollständige" Verkennung des Wesens und der Anfgnbe der amtlichen
Statistik und auf einer geradezu verhängnisvollen Überschätzung der organi¬
sierten Produktion von Jnteressenstatistik beruhen. Die wirtschaftlichen und die
sozialen Juteresseugegeusätze zwischen Laud und Stadt, zwischen Industrie und
Landwirtschaft, zwischen Unternehmertum und Arbeiterschaft spitzen sich in den
preußischen Provinzen in sehr verschiedner Weise zu und drängen zu mehr
oder weniger el"greife"den verschiedenartige" Reformen. Die Jnteressenstatistik,
die man jetzt in den Provinzen macht und in den Interessenvertretungen nach
ihrer Zusammensetzung immer machen wird, kaun nur ein einseitiges, unrich-
tiges Bild der örtlichen Gesamtlage geben, die der Staat kennen muß, wenn


Reformen der amtliche» Statistik

in seinem Beruf und Wesen begründet. Wo sollte es auch hinführen? Ein
Privat und Amatenrstatistiker pflegt schon hundertmal mehr zu fragen, als
hundert amtliche Statistiker beantworten können; was würde der große Haufe
der Großkaufleutc und der Großindustriellen erst alles vom Statistischen Amt
verlangen! Um sich über die Tagcsbedürfuisse von Handel, Industrie und
Landwirtschaft, und was sonst im Reich noch rechnet, schreibt und schreit, um
Statistik auf dem Laufende» zu erhalten, stehn dem Amt einmal Zeitungen und
Zeitschriften in Menge zur Verfügung, und außerdem könnte, worauf Zcchu in
sehr dankenswerter Weise aufmerksam macht, durch die Schaffung eines aus
Praktikern, Professoren usw, gebildeten ,.Beirath" dem Bedürfnis, soweit es
fühlbar sein sollte, doch besser entsprochen werden, als durch die ganz unbe¬
rechenbare Last eines solchen Ausknnftcibetriebs.

Niemals darf bei der Beurteilung der Organisation und der Arbeiten des
Statistischen Amts des Reichs und der auf ihre Erweiterung gerichteten Wünsche
die große und uuabhüugige Bedeutung der amtlichen Statistik der einzelnen
Vnndesstaateu vergessen werden. Es ist nicht angezeigt und wohl auch von
niemand beabsichtigt, das befriedigende Zusammenarbeiten der Reichs- und
Lnudcsstatistik, wie es bisher möglich gewesen ist, durch weitgehende Reform¬
projekte im Sinne eiuer größer» Zentrnlisation zu stören, Wenn Nur hier
zum Schluß noch kurz einen Wunsch i» Bezug auf die preußische Statistik
anfügen wollen, so betrifft er eine rein preußische Frage und geht auf
Dezentralisation, nicht auf Zentralisation. Preußen mit einer einzige» fach¬
statistischen Amtsstelle, dem Königlichen preußischen statistischen Bureau in
Berlin, erscheint schon bei einem flüchtige» Blick auf die Karte im Vergleich
mit den andern deutscheu Staate» sehr stiefmütterlich versorgt. Zieht man
in Betracht, daß gerade Preuße» Provinzen mit so ganz verschiedner Ent¬
wicklung der wirtschnftlicheu und der sozialen Verhältnisse umfaßt, so wird
man sich der Berechtigung des Wunsches nicht verschließen können, daß wenig¬
stens für jede der heutige» Proviuze» eine statistische, von Fachstatistikern
geleitete Zentralstelle eingerichtet werden möge. Wenn man glaubte, sich des¬
halb, weil ja die sogenannten Jntercsseuvertretnngskörperschaften in den ein¬
zelnen Provinzen ihre eigne Statistik machen können und schon vielfach recht
ausgiebig machen, dieser Einrichtung entschlagen zu dürfen, so würde das auf
eiuer vollständige» Verkennung des Wesens und der Anfgnbe der amtlichen
Statistik und auf einer geradezu verhängnisvollen Überschätzung der organi¬
sierten Produktion von Jnteressenstatistik beruhen. Die wirtschaftlichen und die
sozialen Juteresseugegeusätze zwischen Laud und Stadt, zwischen Industrie und
Landwirtschaft, zwischen Unternehmertum und Arbeiterschaft spitzen sich in den
preußischen Provinzen in sehr verschiedner Weise zu und drängen zu mehr
oder weniger el»greife»den verschiedenartige» Reformen. Die Jnteressenstatistik,
die man jetzt in den Provinzen macht und in den Interessenvertretungen nach
ihrer Zusammensetzung immer machen wird, kaun nur ein einseitiges, unrich-
tiges Bild der örtlichen Gesamtlage geben, die der Staat kennen muß, wenn


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[0120] Reformen der amtliche» Statistik in seinem Beruf und Wesen begründet. Wo sollte es auch hinführen? Ein Privat und Amatenrstatistiker pflegt schon hundertmal mehr zu fragen, als hundert amtliche Statistiker beantworten können; was würde der große Haufe der Großkaufleutc und der Großindustriellen erst alles vom Statistischen Amt verlangen! Um sich über die Tagcsbedürfuisse von Handel, Industrie und Landwirtschaft, und was sonst im Reich noch rechnet, schreibt und schreit, um Statistik auf dem Laufende» zu erhalten, stehn dem Amt einmal Zeitungen und Zeitschriften in Menge zur Verfügung, und außerdem könnte, worauf Zcchu in sehr dankenswerter Weise aufmerksam macht, durch die Schaffung eines aus Praktikern, Professoren usw, gebildeten ,.Beirath" dem Bedürfnis, soweit es fühlbar sein sollte, doch besser entsprochen werden, als durch die ganz unbe¬ rechenbare Last eines solchen Ausknnftcibetriebs. Niemals darf bei der Beurteilung der Organisation und der Arbeiten des Statistischen Amts des Reichs und der auf ihre Erweiterung gerichteten Wünsche die große und uuabhüugige Bedeutung der amtlichen Statistik der einzelnen Vnndesstaateu vergessen werden. Es ist nicht angezeigt und wohl auch von niemand beabsichtigt, das befriedigende Zusammenarbeiten der Reichs- und Lnudcsstatistik, wie es bisher möglich gewesen ist, durch weitgehende Reform¬ projekte im Sinne eiuer größer» Zentrnlisation zu stören, Wenn Nur hier zum Schluß noch kurz einen Wunsch i» Bezug auf die preußische Statistik anfügen wollen, so betrifft er eine rein preußische Frage und geht auf Dezentralisation, nicht auf Zentralisation. Preußen mit einer einzige» fach¬ statistischen Amtsstelle, dem Königlichen preußischen statistischen Bureau in Berlin, erscheint schon bei einem flüchtige» Blick auf die Karte im Vergleich mit den andern deutscheu Staate» sehr stiefmütterlich versorgt. Zieht man in Betracht, daß gerade Preuße» Provinzen mit so ganz verschiedner Ent¬ wicklung der wirtschnftlicheu und der sozialen Verhältnisse umfaßt, so wird man sich der Berechtigung des Wunsches nicht verschließen können, daß wenig¬ stens für jede der heutige» Proviuze» eine statistische, von Fachstatistikern geleitete Zentralstelle eingerichtet werden möge. Wenn man glaubte, sich des¬ halb, weil ja die sogenannten Jntercsseuvertretnngskörperschaften in den ein¬ zelnen Provinzen ihre eigne Statistik machen können und schon vielfach recht ausgiebig machen, dieser Einrichtung entschlagen zu dürfen, so würde das auf eiuer vollständige» Verkennung des Wesens und der Anfgnbe der amtlichen Statistik und auf einer geradezu verhängnisvollen Überschätzung der organi¬ sierten Produktion von Jnteressenstatistik beruhen. Die wirtschaftlichen und die sozialen Juteresseugegeusätze zwischen Laud und Stadt, zwischen Industrie und Landwirtschaft, zwischen Unternehmertum und Arbeiterschaft spitzen sich in den preußischen Provinzen in sehr verschiedner Weise zu und drängen zu mehr oder weniger el»greife»den verschiedenartige» Reformen. Die Jnteressenstatistik, die man jetzt in den Provinzen macht und in den Interessenvertretungen nach ihrer Zusammensetzung immer machen wird, kaun nur ein einseitiges, unrich- tiges Bild der örtlichen Gesamtlage geben, die der Staat kennen muß, wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/120>, abgerufen am 22.07.2024.