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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Reformen der amtlichen Statistik

oder nicht, würde sich Mi,; nach ihrem Inhalt richten. Soweit er nicht
Statistik ist, und so weit für diese Statistik nicht das Statistische Amt die
Verantwortung übernehmen kann, sollte es nicht damit belastet werden. Das
gilt unsers Erachtens auch für die Herausgabe von Blättern, wie die jetzt im
Neichsamt des Innern zusammengestellten "Nachrichten für Handel und In¬
dustrie,"

So natürlich das Verlangen beim amtlichen Statistiker sein mag, die eigne
Wissenschaft -- die der Masse der Professoren-, Interessen- und Ressvrtstatistik
gegenüber die bessere sein soll -- recht weiten Kreisen kund zu thun, so liegt
doch in einer allzu weit ausgedehnten Neröffentlichungsthätigkeit der amtliche"
Statistik auch eine gewisse Gefahr, Allzuleicht wird dann amtlich Partei ge¬
nommen mich in Fragen, die mit der Feststellung der Wahrheit auf statistischein
Wege wenig zu thun habe". Die Schreibseligkeit einiger Landesämter in
Deutschland hat in letzter Zeit darin schon sehr beträchtliches geleistet. Die
Hauptsache ist, daß das Statistische Amt den Verantwortlicher Vertretern der
Staatsgewalt immer und rücksichtslos die Wahrheit sagt. Seine hohe, unab¬
hängige Hauptaufgabe ist deshalb sozusagen eine "interne." Erst in zweiter
Reihe kommt die Publizität, In ihr aber muß die amtliche Statistik immer
von der Staatsverwaltung, der sie dient, abhängig bleiben. Es geht nicht an,
daß sie aus eigner Machtvollkommenheit an die Öffentlichkeit appelliert, wenn
die Regierung die Wahrheit nicht hören will, Nur so weit das Gesetz sie vor¬
schreibt, können Veröffentlichungen der amtlichen Statistik von der Regierung
unabhängig sein.

Man wird auf das, was wir bisher gesagt haben, vielleicht antworten,
wir wollten das Statistische Amt zu einer automatischen Rechenmaschine der
Reichsregierung gestempelt haben, die ohne selbständiges Nachdenken, ohne
eignes wissenschaftliches Forschen nur die Exempel richtig zu rechnen hat, die
ihm die "vorgesetzte" Behörde oder deren Mitglieder und Hilfsarbeiter auf¬
zugeben für gut halten. Gerade das Gegenteil von dieser Subalternisierung
der amtlichen Statistik des Reichs, zu der vielleicht hier und da eine gewisse
Neigung vorhanden sein kann, ist das, was wir wollen. Ebensowenig, wie
der Oberrechnungshof des Deutschen Reichs deshalb eine subalterne Thätigkeit
hat, weil er nicht aktiv an der Verwnltnng teil nimmt, keine Initiative auf
den Gebieten, die seine Kontrolle berührt, zu entwickeln hat, ebensowenig, ja
noch viel weniger darf die Thätigkeit der statistischen Zentralstelle des Reichs
als subaltern, gedankenlos, unwissenschaftlich behandelt werden. Was wir oben
aus der Dienstinstruktion von 1872, aus den Schriften Scheels und Rümelins
angeführt haben, beweist das so klar, daß jedes weitere Wort darüber unnötig
ist. Der Beruf der Leiter und der Mitglieder eines solchen Amts verlangt
ein ganz außergewöhnliches Maß staatswissenschaftlicher Bildung neben der
besondern Fcichrvutine in der zweckmäßigen, reibungsfreien Ausbildung, Hand¬
habung und Erhaltung des großen, ganz eigentümlich organisierten Apparats
des Bureaupersouals. Es handelt sich eben um das Unikum einer bureau-


Reformen der amtlichen Statistik

oder nicht, würde sich Mi,; nach ihrem Inhalt richten. Soweit er nicht
Statistik ist, und so weit für diese Statistik nicht das Statistische Amt die
Verantwortung übernehmen kann, sollte es nicht damit belastet werden. Das
gilt unsers Erachtens auch für die Herausgabe von Blättern, wie die jetzt im
Neichsamt des Innern zusammengestellten „Nachrichten für Handel und In¬
dustrie,"

So natürlich das Verlangen beim amtlichen Statistiker sein mag, die eigne
Wissenschaft — die der Masse der Professoren-, Interessen- und Ressvrtstatistik
gegenüber die bessere sein soll — recht weiten Kreisen kund zu thun, so liegt
doch in einer allzu weit ausgedehnten Neröffentlichungsthätigkeit der amtliche»
Statistik auch eine gewisse Gefahr, Allzuleicht wird dann amtlich Partei ge¬
nommen mich in Fragen, die mit der Feststellung der Wahrheit auf statistischein
Wege wenig zu thun habe». Die Schreibseligkeit einiger Landesämter in
Deutschland hat in letzter Zeit darin schon sehr beträchtliches geleistet. Die
Hauptsache ist, daß das Statistische Amt den Verantwortlicher Vertretern der
Staatsgewalt immer und rücksichtslos die Wahrheit sagt. Seine hohe, unab¬
hängige Hauptaufgabe ist deshalb sozusagen eine „interne." Erst in zweiter
Reihe kommt die Publizität, In ihr aber muß die amtliche Statistik immer
von der Staatsverwaltung, der sie dient, abhängig bleiben. Es geht nicht an,
daß sie aus eigner Machtvollkommenheit an die Öffentlichkeit appelliert, wenn
die Regierung die Wahrheit nicht hören will, Nur so weit das Gesetz sie vor¬
schreibt, können Veröffentlichungen der amtlichen Statistik von der Regierung
unabhängig sein.

Man wird auf das, was wir bisher gesagt haben, vielleicht antworten,
wir wollten das Statistische Amt zu einer automatischen Rechenmaschine der
Reichsregierung gestempelt haben, die ohne selbständiges Nachdenken, ohne
eignes wissenschaftliches Forschen nur die Exempel richtig zu rechnen hat, die
ihm die „vorgesetzte" Behörde oder deren Mitglieder und Hilfsarbeiter auf¬
zugeben für gut halten. Gerade das Gegenteil von dieser Subalternisierung
der amtlichen Statistik des Reichs, zu der vielleicht hier und da eine gewisse
Neigung vorhanden sein kann, ist das, was wir wollen. Ebensowenig, wie
der Oberrechnungshof des Deutschen Reichs deshalb eine subalterne Thätigkeit
hat, weil er nicht aktiv an der Verwnltnng teil nimmt, keine Initiative auf
den Gebieten, die seine Kontrolle berührt, zu entwickeln hat, ebensowenig, ja
noch viel weniger darf die Thätigkeit der statistischen Zentralstelle des Reichs
als subaltern, gedankenlos, unwissenschaftlich behandelt werden. Was wir oben
aus der Dienstinstruktion von 1872, aus den Schriften Scheels und Rümelins
angeführt haben, beweist das so klar, daß jedes weitere Wort darüber unnötig
ist. Der Beruf der Leiter und der Mitglieder eines solchen Amts verlangt
ein ganz außergewöhnliches Maß staatswissenschaftlicher Bildung neben der
besondern Fcichrvutine in der zweckmäßigen, reibungsfreien Ausbildung, Hand¬
habung und Erhaltung des großen, ganz eigentümlich organisierten Apparats
des Bureaupersouals. Es handelt sich eben um das Unikum einer bureau-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/118>, abgerufen am 26.06.2024.