Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.Das klassische Altertum im Wandel der Geschichts¬ auffassung ir studieren die Vergangenheit, um ans ihr heraus die Gegen¬ Was Null heute die Wissenschaft vom klassischen Altertum, die klassische Der Humanismus, der in das,dämmernde Dunkel mittelalterlich-kirchlicher Grenzboten II 1901 1
Das klassische Altertum im Wandel der Geschichts¬ auffassung ir studieren die Vergangenheit, um ans ihr heraus die Gegen¬ Was Null heute die Wissenschaft vom klassischen Altertum, die klassische Der Humanismus, der in das,dämmernde Dunkel mittelalterlich-kirchlicher Grenzboten II 1901 1
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0009" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234539"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341873_234529/figures/grenzboten_341873_234529_234539_000.jpg"/><lb/> </div> </div> </div> <div n="1"> <head> Das klassische Altertum im Wandel der Geschichts¬<lb/> auffassung</head><lb/> <p xml:id="ID_9"> ir studieren die Vergangenheit, um ans ihr heraus die Gegen¬<lb/> wart zu verstehn. Aber ebenso bedeutend ist der Einfluß, den<lb/> die Erfahrungen unsrer eignen Zeit auf die Auffassung der Ver¬<lb/> gangenheit ausüben. Den richtigen Standpunkt für die Beurteilung<lb/> der deutscheu Geschichte haben wir erst seit der Erneuerung des<lb/> Reichs gewonnen, unsre mittelalterliche Kaiserzeit ist uns erst durch die neue<lb/> deutsche Weltpolitik ganz verständlich geworden. Aber auch die Erkenntnis des<lb/> klassischen Altertums ist von den Wandlungen der deutschen Geschicke viel ab¬<lb/> hängiger, als es zunächst scheint. Sogar die Aufgabe, die hier der Wissenschaft<lb/> gestellt wird, ist erst sehr allmählich erkannt worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_10"> Was Null heute die Wissenschaft vom klassischen Altertum, die klassische<lb/> Philologie im weitesten Sinne? Sie will die griechisch-römische Welt, die Kultur,<lb/> die alle Mittelmeerlünder mit einem guten Teile Vorderasiens und des euro¬<lb/> päischen Binnenlandes zu einer geistigen und schließlich auch zu einer politischen<lb/> Einheit verband, eine großartige Erscheinung, die niemals wieder ihres gleichen<lb/> gehabt hat, in allen ihren Lebensäußerungen und mit allen wissenschaftlichen<lb/> Mitteln als eine Einheit historisch begreifen. Das erscheint so selbstverständlich,<lb/> so einfach, und ist doch erst das mühsame Ergebnis vornehmlich der deutschen<lb/> Forschungsarbeit des neunzehnten Jahrhunderts. Vollends die Erweiterung<lb/> und Vertiefung des historischen Verständnisses vom klassischen Altertum steht<lb/> unter der fortgesetzten Einwirkung der Zeitwährungen, derart, daß sie der<lb/> eignen, besonders der politischen Entwicklung der modernen Welt, und namentlich<lb/> Deutschlands, geradezu parallel läuft.</p><lb/> <p xml:id="ID_11" next="#ID_12"> Der Humanismus, der in das,dämmernde Dunkel mittelalterlich-kirchlicher<lb/> Bildung zuerst einen frischen Luftzug und einen Strahl hellen Tageslichts<lb/> hineinbrachte, in den Deutschen zuerst eine Ahnung erweckte von einer Welt<lb/> edler Schönheit und geistiger Freiheit, sah in den alten Schriftstellern nur<lb/> Muster für die eigne Darstellung oder wissenschaftliche Lehrschriften, in den</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1901 1</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0009]
[Abbildung]
Das klassische Altertum im Wandel der Geschichts¬
auffassung
ir studieren die Vergangenheit, um ans ihr heraus die Gegen¬
wart zu verstehn. Aber ebenso bedeutend ist der Einfluß, den
die Erfahrungen unsrer eignen Zeit auf die Auffassung der Ver¬
gangenheit ausüben. Den richtigen Standpunkt für die Beurteilung
der deutscheu Geschichte haben wir erst seit der Erneuerung des
Reichs gewonnen, unsre mittelalterliche Kaiserzeit ist uns erst durch die neue
deutsche Weltpolitik ganz verständlich geworden. Aber auch die Erkenntnis des
klassischen Altertums ist von den Wandlungen der deutschen Geschicke viel ab¬
hängiger, als es zunächst scheint. Sogar die Aufgabe, die hier der Wissenschaft
gestellt wird, ist erst sehr allmählich erkannt worden.
Was Null heute die Wissenschaft vom klassischen Altertum, die klassische
Philologie im weitesten Sinne? Sie will die griechisch-römische Welt, die Kultur,
die alle Mittelmeerlünder mit einem guten Teile Vorderasiens und des euro¬
päischen Binnenlandes zu einer geistigen und schließlich auch zu einer politischen
Einheit verband, eine großartige Erscheinung, die niemals wieder ihres gleichen
gehabt hat, in allen ihren Lebensäußerungen und mit allen wissenschaftlichen
Mitteln als eine Einheit historisch begreifen. Das erscheint so selbstverständlich,
so einfach, und ist doch erst das mühsame Ergebnis vornehmlich der deutschen
Forschungsarbeit des neunzehnten Jahrhunderts. Vollends die Erweiterung
und Vertiefung des historischen Verständnisses vom klassischen Altertum steht
unter der fortgesetzten Einwirkung der Zeitwährungen, derart, daß sie der
eignen, besonders der politischen Entwicklung der modernen Welt, und namentlich
Deutschlands, geradezu parallel läuft.
Der Humanismus, der in das,dämmernde Dunkel mittelalterlich-kirchlicher
Bildung zuerst einen frischen Luftzug und einen Strahl hellen Tageslichts
hineinbrachte, in den Deutschen zuerst eine Ahnung erweckte von einer Welt
edler Schönheit und geistiger Freiheit, sah in den alten Schriftstellern nur
Muster für die eigne Darstellung oder wissenschaftliche Lehrschriften, in den
Grenzboten II 1901 1
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |