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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Thomas Babington Macaulay

Welt berühmt sind wegen der Wunder ihres Reichtums und ihres Gewerb-
fleißes." (specielles, London, 1854. S. 8 u. 9.)

Und ebenso glücklich und treffend sind seine zahlreichen Citate aus den
Dichtungen aller Völker und Zeiten. Vieles hat er aus den orientalischen
Märchen genommen. So vergleicht er die Macht Shakespeares, uns in drei
Stunde" das Aufsteigen und Sinken eines Lebensschicksals mitempfinden zu
lassen, mit der magischen Kraft des Derwisches, der die Ereignisse von sieben
Jahren in den einzigen Augenblick legte, wo der König seinen Kopf nnter
das Wasser tauchte. (Essay über Dryden. ^it>g.vzs LMion 7, 135.) Um
deutlich zu machen, wie es kam, daß Byron, der eben noch der Abgott der
Londoner Gesellschaft war, von verleumderischer Schmähsucht gezwungen wurde,
seinem Vaterlande den Rücken zu kehren, vergleicht er die Neigung der Menge
mit der Liebe der orientalischen Zauberin, die, wenn die vierzig Tage ihrer
Zärtlichkeit vorüber sind, die Liebhaber nicht nur entläßt, sondern auch durch
Verwandlung in häßliche Gestalten dafür bestraft, daß sie ihr einst zu sehr
gefielen. Wollte man eine Liste aufstellen der Dichter, auf die Macciulay an
irgend einer Stelle seiner Werke hingewiesen hat, so würde kaum einer der
Großen fehlen, und gar viele der cui rnmorum Pentium würden ihren Platz
auf ihr finden. Homer und Aristophanes, Dante und Ariost, Spenser und
Shakespeare, Fieldiug und Sterne, Moliere und Pascal, Goethe, Schiller und
Bürger, sie alle tragen dazu bei, der Darstellung Macaulays eine gesteigerte
Wirkung zu geben.

Seine Ansicht über die Wertlosigkeit der Übersetzungen Homers von Pope
und Tickell, die zu gleicher Zeit erschienen, konnte er nicht witziger dar-
thun, als daß er für diese Arbeiten das Wort "Übersetzung" nur in dem
Sinne aufgefaßt haben wollte, wie es im Sommernachtstraum gebraucht ist.
Als Zettel mit einem Eselskopf erscheint, ruft Peter Squenz aus: Liess tllee!
Lottow, blsss tllee! tllon lire, trimslillecl. In diesem Sinne könnten die Leser
von Pope oder Tickell auch sagen: Liess tllee! Homer, tllou g,re translatect
iircleec!. ----- Die Schwäche des Grafen d'Avcmx, des französischen Gesandten, der
Jakob 11. nach Irland begleitet, macht Macciulay deutlich, indem er auf einen
Charakter Molieres hinweist. D'Avaux war bürgerlicher Abkunft und schmachtete
armselig nach höhern Adelsgraden. "So fähig, erfahren und gebildet er auch
war, so stand er doch unter dem Einflüsse dieser geistigen Krankheit und stieg
zuweilen auf die Stufe eines Moliereschen Jourdain hinab; dann belustigte
er boshafte Beobachter mit Szenen, die fast so vielen Lachstoff boten wie die,
in der der ehrliche Tuchmacher zum Mmnamouchi gemacht wird."

Aber gegen ein Buch tritt bei ihm alles zurück, was die Dichter -- und
wäre es ein Shakespeare geschaffen haben, das ist die Bibel. Die englische
Bibel nennt er einmal ein Buch, das, wenn auch alles sonst im Englischen
verloren ginge, allein genügen würde, alle Schönheit und Kraft dieser Sprache
zu zeigen. (Dryden, ^IbMy Milien 7, 133.) Mit der Bibel war er so ver¬
traut, daß er Spanisch, Portugiesisch und später auch Deutsch lernte, indem


Thomas Babington Macaulay

Welt berühmt sind wegen der Wunder ihres Reichtums und ihres Gewerb-
fleißes." (specielles, London, 1854. S. 8 u. 9.)

Und ebenso glücklich und treffend sind seine zahlreichen Citate aus den
Dichtungen aller Völker und Zeiten. Vieles hat er aus den orientalischen
Märchen genommen. So vergleicht er die Macht Shakespeares, uns in drei
Stunde» das Aufsteigen und Sinken eines Lebensschicksals mitempfinden zu
lassen, mit der magischen Kraft des Derwisches, der die Ereignisse von sieben
Jahren in den einzigen Augenblick legte, wo der König seinen Kopf nnter
das Wasser tauchte. (Essay über Dryden. ^it>g.vzs LMion 7, 135.) Um
deutlich zu machen, wie es kam, daß Byron, der eben noch der Abgott der
Londoner Gesellschaft war, von verleumderischer Schmähsucht gezwungen wurde,
seinem Vaterlande den Rücken zu kehren, vergleicht er die Neigung der Menge
mit der Liebe der orientalischen Zauberin, die, wenn die vierzig Tage ihrer
Zärtlichkeit vorüber sind, die Liebhaber nicht nur entläßt, sondern auch durch
Verwandlung in häßliche Gestalten dafür bestraft, daß sie ihr einst zu sehr
gefielen. Wollte man eine Liste aufstellen der Dichter, auf die Macciulay an
irgend einer Stelle seiner Werke hingewiesen hat, so würde kaum einer der
Großen fehlen, und gar viele der cui rnmorum Pentium würden ihren Platz
auf ihr finden. Homer und Aristophanes, Dante und Ariost, Spenser und
Shakespeare, Fieldiug und Sterne, Moliere und Pascal, Goethe, Schiller und
Bürger, sie alle tragen dazu bei, der Darstellung Macaulays eine gesteigerte
Wirkung zu geben.

Seine Ansicht über die Wertlosigkeit der Übersetzungen Homers von Pope
und Tickell, die zu gleicher Zeit erschienen, konnte er nicht witziger dar-
thun, als daß er für diese Arbeiten das Wort „Übersetzung" nur in dem
Sinne aufgefaßt haben wollte, wie es im Sommernachtstraum gebraucht ist.
Als Zettel mit einem Eselskopf erscheint, ruft Peter Squenz aus: Liess tllee!
Lottow, blsss tllee! tllon lire, trimslillecl. In diesem Sinne könnten die Leser
von Pope oder Tickell auch sagen: Liess tllee! Homer, tllou g,re translatect
iircleec!. ----- Die Schwäche des Grafen d'Avcmx, des französischen Gesandten, der
Jakob 11. nach Irland begleitet, macht Macciulay deutlich, indem er auf einen
Charakter Molieres hinweist. D'Avaux war bürgerlicher Abkunft und schmachtete
armselig nach höhern Adelsgraden. „So fähig, erfahren und gebildet er auch
war, so stand er doch unter dem Einflüsse dieser geistigen Krankheit und stieg
zuweilen auf die Stufe eines Moliereschen Jourdain hinab; dann belustigte
er boshafte Beobachter mit Szenen, die fast so vielen Lachstoff boten wie die,
in der der ehrliche Tuchmacher zum Mmnamouchi gemacht wird."

Aber gegen ein Buch tritt bei ihm alles zurück, was die Dichter — und
wäre es ein Shakespeare geschaffen haben, das ist die Bibel. Die englische
Bibel nennt er einmal ein Buch, das, wenn auch alles sonst im Englischen
verloren ginge, allein genügen würde, alle Schönheit und Kraft dieser Sprache
zu zeigen. (Dryden, ^IbMy Milien 7, 133.) Mit der Bibel war er so ver¬
traut, daß er Spanisch, Portugiesisch und später auch Deutsch lernte, indem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/88>, abgerufen am 01.07.2024.