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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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schaftskassen in Neisse und die Genossenschaftszentralkasse des Bundes der
Landwirte, die zum Teil mit der Preußischen Zentralgeuossenschaftskasse in
Verbindung stehn, mit der wir uus im folgenden näher beschäftigen wollen.

Das Fehlen der Verbindung mit einem großen Geldinstitut war schon
lange von den Genossenschaftsverbänden als ein schwerer Mangel empfunden
worden. Der Neuwieder Verband hatte eine Zentralkasse, die seinen geringer,?
Ansprüchen genügte. Aber der wirtschaftlich stärkere Allgemeine Verband
empfand diesen Mangel um so schwerer. Man hatte einen Geldausgleich
zwischen den verschiednen Zentralkasscn durch regelmäßige Mitteilungen des
Geldstandes bei den Kassen einzuführen gesucht, aber eine einheitliche Regelung
der Verhältnisse war nicht möglich gewesen, und so kam es oft vor, daß eine
Kasse 100000 bis 200000 Mark kaum zu 2 Prozent unterbrachte, während
eine andre denselben Betrag mit 5 bis 0 Prozent aufnehmen mußte. Die lei¬
tenden Männer der Bewegung hatten versucht, mit der Neichslmnk Fühlung
zu bekommen; aber alle diese Versuche scheiterte" daran, daß der Darlehus-
zinsfuß der Reichsbank zu hoch und sprunghaft war, und die Frist nur drei
Monate dauerte. Auch war der Ncichsbankpmsident Dr. Koch persönlich nicht
gerade entgegenkommend, und das mit vollem Recht. Er hatte die Interessen
seiner Bank zu vertreten, und diese deckten sich ganz und gar nicht mit denen
der agrarischen Genossenschaften. Etwas mehr entgegenkommend war die See¬
handlung und die Ritterschaftliche Darlehnstasse für Brandenburg, aber der
Verkehr mit diesen beiden Banken war umständlich. Die Regierung wollte
das Genossenschaftswesen lurterstützen, und da sich die Reichsbank den Genossen¬
schaftskredit nicht aufbürden ließ, so mußte die Negierung selber die Gründung
einer Zentralkasse in die Wege leiten. Die Freikonservativen betrieben die
Gründung mit allein Eifer, und der Finanzminister von Miquel sprach sich
ebenfalls für das Projekt aus. Hier seine Worte: "Wir müssen dahin kommen,
daß wir im großen und ganzen eine Genossenschaft in jeder Gemeinde der
ganzen Monarchie haben,"

Am 1. Oktober 1895 konnte die neue Kasse, die den Namen Preußische
Zentralgenossenschaftskasse erhielt, ins Leben treten. Sie wurde zuerst mit
einem Kapital von 5 Millionen Mark ausgestattet, das bald auf 20 und
schließlich auf 50 Millionen erhöht wurde. Das Kapital, mit dem sie arbeitet,
ist ausschließlich vom Staate zur Verfügung gestellt worden, von einer Kapital¬
beteiligung der Genossenschaften wurde sonderbarerweise abgesehen. Rechtlich
nimmt die Kasse durch das Gesetz vom 31. Juli 1895 und 8. Juli 1896 eine
Sonderstellung ein, steht aber dennoch unter dem Handelsrecht. Ein großer
Teil ihres Kapitals ist nicht flüssig, besteht ans Konsols und dient gleichsam
als Reservefonds. Dies hat seinen Grund darin, daß die Kasse ihre Gelder
weit fester legt, als andre Banken zu thun pflegen. Deshalb kann sie plötzlich
an sie herantretenden Geldansprüchen nur dadurch gerecht werdeu, daß sie
teilweise ihr Grundkapital liquidiert. Die Genossenschaftsverbandskassen, die
mit der Zentralkasse in Geschäftsverkehr stehn, haben an ihrer Geschäftsführung


schaftskassen in Neisse und die Genossenschaftszentralkasse des Bundes der
Landwirte, die zum Teil mit der Preußischen Zentralgeuossenschaftskasse in
Verbindung stehn, mit der wir uus im folgenden näher beschäftigen wollen.

Das Fehlen der Verbindung mit einem großen Geldinstitut war schon
lange von den Genossenschaftsverbänden als ein schwerer Mangel empfunden
worden. Der Neuwieder Verband hatte eine Zentralkasse, die seinen geringer,?
Ansprüchen genügte. Aber der wirtschaftlich stärkere Allgemeine Verband
empfand diesen Mangel um so schwerer. Man hatte einen Geldausgleich
zwischen den verschiednen Zentralkasscn durch regelmäßige Mitteilungen des
Geldstandes bei den Kassen einzuführen gesucht, aber eine einheitliche Regelung
der Verhältnisse war nicht möglich gewesen, und so kam es oft vor, daß eine
Kasse 100000 bis 200000 Mark kaum zu 2 Prozent unterbrachte, während
eine andre denselben Betrag mit 5 bis 0 Prozent aufnehmen mußte. Die lei¬
tenden Männer der Bewegung hatten versucht, mit der Neichslmnk Fühlung
zu bekommen; aber alle diese Versuche scheiterte» daran, daß der Darlehus-
zinsfuß der Reichsbank zu hoch und sprunghaft war, und die Frist nur drei
Monate dauerte. Auch war der Ncichsbankpmsident Dr. Koch persönlich nicht
gerade entgegenkommend, und das mit vollem Recht. Er hatte die Interessen
seiner Bank zu vertreten, und diese deckten sich ganz und gar nicht mit denen
der agrarischen Genossenschaften. Etwas mehr entgegenkommend war die See¬
handlung und die Ritterschaftliche Darlehnstasse für Brandenburg, aber der
Verkehr mit diesen beiden Banken war umständlich. Die Regierung wollte
das Genossenschaftswesen lurterstützen, und da sich die Reichsbank den Genossen¬
schaftskredit nicht aufbürden ließ, so mußte die Negierung selber die Gründung
einer Zentralkasse in die Wege leiten. Die Freikonservativen betrieben die
Gründung mit allein Eifer, und der Finanzminister von Miquel sprach sich
ebenfalls für das Projekt aus. Hier seine Worte: „Wir müssen dahin kommen,
daß wir im großen und ganzen eine Genossenschaft in jeder Gemeinde der
ganzen Monarchie haben,"

Am 1. Oktober 1895 konnte die neue Kasse, die den Namen Preußische
Zentralgenossenschaftskasse erhielt, ins Leben treten. Sie wurde zuerst mit
einem Kapital von 5 Millionen Mark ausgestattet, das bald auf 20 und
schließlich auf 50 Millionen erhöht wurde. Das Kapital, mit dem sie arbeitet,
ist ausschließlich vom Staate zur Verfügung gestellt worden, von einer Kapital¬
beteiligung der Genossenschaften wurde sonderbarerweise abgesehen. Rechtlich
nimmt die Kasse durch das Gesetz vom 31. Juli 1895 und 8. Juli 1896 eine
Sonderstellung ein, steht aber dennoch unter dem Handelsrecht. Ein großer
Teil ihres Kapitals ist nicht flüssig, besteht ans Konsols und dient gleichsam
als Reservefonds. Dies hat seinen Grund darin, daß die Kasse ihre Gelder
weit fester legt, als andre Banken zu thun pflegen. Deshalb kann sie plötzlich
an sie herantretenden Geldansprüchen nur dadurch gerecht werdeu, daß sie
teilweise ihr Grundkapital liquidiert. Die Genossenschaftsverbandskassen, die
mit der Zentralkasse in Geschäftsverkehr stehn, haben an ihrer Geschäftsführung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/506>, abgerufen am 22.07.2024.