Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Gisenbahngemeinschaft und Zollverein

enden die großem deutschen Staaten, die überhaupt Eisenbahnen
besitzen, zum Stantseisenbahnsystem übergegangen sind, hat sich
das wirre Durcheinander privater und staatlicher Verwaltungen,
das früher der getreue Ausdruck unsrer politischen Zerfahrenheit
war, wesentlich abgeklärt, sodaß heute uur uoch acht größere
oder kleinere selbständige staatliche Verwaltungen, freilich sehr ungleichen Um¬
fangs, nebeneinanderstehn (Preußen, Sachsen, Bayern, Württemberg, Baden,
Elsaß-Lothringen, Oldenburg, Mecklenburg). Um so größer ist freilich auch
der Wert dieses Besitzes für die Staaten geworden, aber um so stärker macht
sich auch das ungeheure Übergewicht der preußischen Staatsbahnen, die ja
auch die angrenzenden oder von preußischem Gebiet umschlossenen Klein¬
staaten beherrschen, mit ihrem Netz von mehr als 31000 Kilometern Länge
fühlbar, wie es Fürst Bismarck 1876 vorausgesagt hat. Denn dn natürlich
jeder Staat in dem selbstverständlichen Staatsegoismus seine Eisenbahn¬
interessen voranstellt, so drückt der stärkste, also Preußen, mit schwerer
Wucht auf seine Nachbarn, und auf keinen mehr als auf Sachsen, das
ans zwei Seiten, im Norden und Westen, von preußischen Linien um¬
klammert wird. Mau klagt deshalb dort oft, daß Preußen den Verkehr auf
seinen eignen Linien, auch wenn diese länger sind, an Sachsen vorüberleite
und so namentlich Leipzig, die größte Handelsstadt Mitteldeutschlands, benach¬
teilige. Aber solche Klagen sind nicht ganz gerecht, und man sollte hier nicht
von "unlnuterm Wettbewerb" oder mangelnder "Bundesfreundlichkeit" reden.
Denn "bundesfrenudlich" war es doch Wohl auch nicht, wenn die Mittel-
stnaten 1875 die von Preußen vorgeschlagne mächtige Reichszentralstelle für
olle deutschen Bahnen und dann 1876 das Reichseisenbahnprojekt doch nicht
um des Reichs willen, sondern im Interesse ihrer Souveränität verwarfen.

Jetzt treten die Folgen eines durch das machtlose Neichseisenbaynamt kaum
gemilderten Nebeneinander^ souveräner, mir das einzelstaatliche Interesse ver-


GrenMtcn II 1901 in


Gisenbahngemeinschaft und Zollverein

enden die großem deutschen Staaten, die überhaupt Eisenbahnen
besitzen, zum Stantseisenbahnsystem übergegangen sind, hat sich
das wirre Durcheinander privater und staatlicher Verwaltungen,
das früher der getreue Ausdruck unsrer politischen Zerfahrenheit
war, wesentlich abgeklärt, sodaß heute uur uoch acht größere
oder kleinere selbständige staatliche Verwaltungen, freilich sehr ungleichen Um¬
fangs, nebeneinanderstehn (Preußen, Sachsen, Bayern, Württemberg, Baden,
Elsaß-Lothringen, Oldenburg, Mecklenburg). Um so größer ist freilich auch
der Wert dieses Besitzes für die Staaten geworden, aber um so stärker macht
sich auch das ungeheure Übergewicht der preußischen Staatsbahnen, die ja
auch die angrenzenden oder von preußischem Gebiet umschlossenen Klein¬
staaten beherrschen, mit ihrem Netz von mehr als 31000 Kilometern Länge
fühlbar, wie es Fürst Bismarck 1876 vorausgesagt hat. Denn dn natürlich
jeder Staat in dem selbstverständlichen Staatsegoismus seine Eisenbahn¬
interessen voranstellt, so drückt der stärkste, also Preußen, mit schwerer
Wucht auf seine Nachbarn, und auf keinen mehr als auf Sachsen, das
ans zwei Seiten, im Norden und Westen, von preußischen Linien um¬
klammert wird. Mau klagt deshalb dort oft, daß Preußen den Verkehr auf
seinen eignen Linien, auch wenn diese länger sind, an Sachsen vorüberleite
und so namentlich Leipzig, die größte Handelsstadt Mitteldeutschlands, benach¬
teilige. Aber solche Klagen sind nicht ganz gerecht, und man sollte hier nicht
von „unlnuterm Wettbewerb" oder mangelnder „Bundesfreundlichkeit" reden.
Denn „bundesfrenudlich" war es doch Wohl auch nicht, wenn die Mittel-
stnaten 1875 die von Preußen vorgeschlagne mächtige Reichszentralstelle für
olle deutschen Bahnen und dann 1876 das Reichseisenbahnprojekt doch nicht
um des Reichs willen, sondern im Interesse ihrer Souveränität verwarfen.

Jetzt treten die Folgen eines durch das machtlose Neichseisenbaynamt kaum
gemilderten Nebeneinander^ souveräner, mir das einzelstaatliche Interesse ver-


GrenMtcn II 1901 in
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0489" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235019"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341873_234529/figures/grenzboten_341873_234529_235019_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Gisenbahngemeinschaft und Zollverein</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1462"> enden die großem deutschen Staaten, die überhaupt Eisenbahnen<lb/>
besitzen, zum Stantseisenbahnsystem übergegangen sind, hat sich<lb/>
das wirre Durcheinander privater und staatlicher Verwaltungen,<lb/>
das früher der getreue Ausdruck unsrer politischen Zerfahrenheit<lb/>
war, wesentlich abgeklärt, sodaß heute uur uoch acht größere<lb/>
oder kleinere selbständige staatliche Verwaltungen, freilich sehr ungleichen Um¬<lb/>
fangs, nebeneinanderstehn (Preußen, Sachsen, Bayern, Württemberg, Baden,<lb/>
Elsaß-Lothringen, Oldenburg, Mecklenburg). Um so größer ist freilich auch<lb/>
der Wert dieses Besitzes für die Staaten geworden, aber um so stärker macht<lb/>
sich auch das ungeheure Übergewicht der preußischen Staatsbahnen, die ja<lb/>
auch die angrenzenden oder von preußischem Gebiet umschlossenen Klein¬<lb/>
staaten beherrschen, mit ihrem Netz von mehr als 31000 Kilometern Länge<lb/>
fühlbar, wie es Fürst Bismarck 1876 vorausgesagt hat. Denn dn natürlich<lb/>
jeder Staat in dem selbstverständlichen Staatsegoismus seine Eisenbahn¬<lb/>
interessen voranstellt, so drückt der stärkste, also Preußen, mit schwerer<lb/>
Wucht auf seine Nachbarn, und auf keinen mehr als auf Sachsen, das<lb/>
ans zwei Seiten, im Norden und Westen, von preußischen Linien um¬<lb/>
klammert wird. Mau klagt deshalb dort oft, daß Preußen den Verkehr auf<lb/>
seinen eignen Linien, auch wenn diese länger sind, an Sachsen vorüberleite<lb/>
und so namentlich Leipzig, die größte Handelsstadt Mitteldeutschlands, benach¬<lb/>
teilige. Aber solche Klagen sind nicht ganz gerecht, und man sollte hier nicht<lb/>
von &#x201E;unlnuterm Wettbewerb" oder mangelnder &#x201E;Bundesfreundlichkeit" reden.<lb/>
Denn &#x201E;bundesfrenudlich" war es doch Wohl auch nicht, wenn die Mittel-<lb/>
stnaten 1875 die von Preußen vorgeschlagne mächtige Reichszentralstelle für<lb/>
olle deutschen Bahnen und dann 1876 das Reichseisenbahnprojekt doch nicht<lb/>
um des Reichs willen, sondern im Interesse ihrer Souveränität verwarfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1463" next="#ID_1464"> Jetzt treten die Folgen eines durch das machtlose Neichseisenbaynamt kaum<lb/>
gemilderten Nebeneinander^ souveräner, mir das einzelstaatliche Interesse ver-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> GrenMtcn II 1901 in</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0489] [Abbildung] Gisenbahngemeinschaft und Zollverein enden die großem deutschen Staaten, die überhaupt Eisenbahnen besitzen, zum Stantseisenbahnsystem übergegangen sind, hat sich das wirre Durcheinander privater und staatlicher Verwaltungen, das früher der getreue Ausdruck unsrer politischen Zerfahrenheit war, wesentlich abgeklärt, sodaß heute uur uoch acht größere oder kleinere selbständige staatliche Verwaltungen, freilich sehr ungleichen Um¬ fangs, nebeneinanderstehn (Preußen, Sachsen, Bayern, Württemberg, Baden, Elsaß-Lothringen, Oldenburg, Mecklenburg). Um so größer ist freilich auch der Wert dieses Besitzes für die Staaten geworden, aber um so stärker macht sich auch das ungeheure Übergewicht der preußischen Staatsbahnen, die ja auch die angrenzenden oder von preußischem Gebiet umschlossenen Klein¬ staaten beherrschen, mit ihrem Netz von mehr als 31000 Kilometern Länge fühlbar, wie es Fürst Bismarck 1876 vorausgesagt hat. Denn dn natürlich jeder Staat in dem selbstverständlichen Staatsegoismus seine Eisenbahn¬ interessen voranstellt, so drückt der stärkste, also Preußen, mit schwerer Wucht auf seine Nachbarn, und auf keinen mehr als auf Sachsen, das ans zwei Seiten, im Norden und Westen, von preußischen Linien um¬ klammert wird. Mau klagt deshalb dort oft, daß Preußen den Verkehr auf seinen eignen Linien, auch wenn diese länger sind, an Sachsen vorüberleite und so namentlich Leipzig, die größte Handelsstadt Mitteldeutschlands, benach¬ teilige. Aber solche Klagen sind nicht ganz gerecht, und man sollte hier nicht von „unlnuterm Wettbewerb" oder mangelnder „Bundesfreundlichkeit" reden. Denn „bundesfrenudlich" war es doch Wohl auch nicht, wenn die Mittel- stnaten 1875 die von Preußen vorgeschlagne mächtige Reichszentralstelle für olle deutschen Bahnen und dann 1876 das Reichseisenbahnprojekt doch nicht um des Reichs willen, sondern im Interesse ihrer Souveränität verwarfen. Jetzt treten die Folgen eines durch das machtlose Neichseisenbaynamt kaum gemilderten Nebeneinander^ souveräner, mir das einzelstaatliche Interesse ver- GrenMtcn II 1901 in

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/489
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/489>, abgerufen am 03.07.2024.