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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

mit der Freiheit, vollends ins reine zu bringen. Seit Lotze neigen die idealistischen
Philosophen der Auffassung zu, daß die Elemente der Welt: Atome, Monaden oder
wie immer man sie nennen mag, ein zweifaches Dasein haben: ein äußerliches,
räumliches, das die Körperwelt bildet, und ein innerliches, das sich im Menschen
zum Geiste steigert. Laßwitz verwirft diese Scheidung in zwei Erscheinungsformen.
Mit einer gewissen Heftigkeit bekämpft er im Anschluß um Goethes Gedicht "Aller¬
dings" ("Ins Innere der Natur" -- o du Philister! usw.) die Auffassung, daß die
Natur ein geheimnisvolles, unerforschliches Innere berge. Wir selbst seien Natur,
Natur und erkennender Geist sei eins" das eine nicht denkbar ohne das andre.
Hinter dem, was wir von der Natur erkennen, stecke nichts mehr; nur insofern sei
unsre Naturerkenntnis Stückwerk, als wir eben nur Stücke, nicht das Ganze über¬
schauen, aber das erkannte Stück durchschauen wir nach Laßwitz ohne Rest. Der
äußere Gegenstand ist nicht ein Haufen qualitätsloser Atome, deren Schwingungen
in unserm Innern in Farben und Töne umgesetzt würden, sondern der geschaute
Mond z. B. und der wirkliche Mond sind ein und dasselbe. Nicht zwischen Jnnern
und Äußern liegt die Grenze, die die Welt in zwei ganz verschiedne Hälften
scheidet, sondern zwischen der Nnturerkenntnis und den Werturteilen, die auf einem
Gefühl beruhen, zwischen dem Gebiet der Notwendigkeit, zu dem unser individuelles
Ich gehört, und dem überindividuellen Gebiet der Freiheit. Unsers Erachtens ist
es Laßwitz ebensowenig wie seinen Vorgängern gelungen, diese Kantische Auffassung
vollkommen klar zu machen und ihre Richtigkeit überzeugend nachzuweisen, und wenn
es Laßwitz nicht gelingt, der überall sonst die Klarheit selbst und ein Meister der
Darstellung ist, so wird die Aufgabe wohl unlösbar sein. Oder liegts am Stumpfsinn
des Rezensenten? Vielleicht bekommen die Leser Lust, selbst zu prüfen, wenn wir
ihnen ein paar Stellen vorlegen, die man wohl als Leitsätze bezeichnen darf. "Was
uns in der täglichen Erfahrung entgegentritt, wird ans dem naiven, unwissenschaft¬
lichen Standpunkte der Weltbetrachtung einfach für das Wahre, Wirkliche, Seiende,
für die Dinge selbst gehalten. Aber es ist keineswegs das Ursprüngliche, es ist
vielmehr schon ein Produkt .der Arbeit des Bewußtseins, der Abstraktion und Kom¬
bination <S. 84). Was das Seiende ohne unser Bewußtsein ist, bleibt eine Frage,
die man offenbar nicht beantworten kann (S. 85). Wenn es gelänge, die Gerüche
ans mathematische Gesetze zu bringen, so würde offenbar ein neues Naturgebiet
geschaffen werden, von dem man jetzt nicht sagen kann, welche neuen Verkehrsmittel
für die Subjekte es darbieten würde. In diesem Sinne ist Natur niemals etwas
Abgeschlossenes, sondern entwickelt sich mit der Erkenntnis und unter fortwährender
Korrektur durch die Erkenntnis zu einem System, das als eine gesetzliche Verbindung
vou Erscheinungen sich immer deutlicher von den Vorgängen sondert, die wir in
den individuellen Systemen der menschlichen Leiber erleben. Diese lösen sich da¬
durch nicht von der Natur, sondern lassen die Art ihrer Verbindung mit dieser
um so genauer erkennen, je strenger die von ihnen unabhängigen Erscheinungen
gesetzlich bestimmt werden als das System des objektiven Naturgeschehens. Die
Natur als Produkt der Erkenntnis auffassen, heißt keineswegs an der Realität der
Naturerscheinungen rütteln. Deal Erkenntnis ist ja gerade der Vorgang, wodurch
objektive, allgemein giltige Thatsachen festgelegt werden. Aber diese idealistische
Auffassung des Seins ermöglicht ein Verständnis für die Realität der Objekte,
wonach nun die subjektive Realität der Vvrstellungswelt in gleiche Linie mit ihnen
gestellt werden kann, indem sich beide als ein notwendiger Zusammenhang derselben
gesetzlichen Entwicklung ergeben, nicht als ein Übergang zweier verschiedner Arten
des Seins in einander. Ein Körper ist nämlich nichts andres als eine gesetzliche
Bestimmung, daß sich gewisse Veränderungen im Raume vollzieh,! müssen, die wir
als Wechselwirkung mit andern Körpern oder -- mit dein modernen naturwissen¬
schaftlichen Ausdruck -- als Energienmwandlungen bezeichnen. Zu dieser Bestimmung


Maßgebliches und Unmaßgebliches

mit der Freiheit, vollends ins reine zu bringen. Seit Lotze neigen die idealistischen
Philosophen der Auffassung zu, daß die Elemente der Welt: Atome, Monaden oder
wie immer man sie nennen mag, ein zweifaches Dasein haben: ein äußerliches,
räumliches, das die Körperwelt bildet, und ein innerliches, das sich im Menschen
zum Geiste steigert. Laßwitz verwirft diese Scheidung in zwei Erscheinungsformen.
Mit einer gewissen Heftigkeit bekämpft er im Anschluß um Goethes Gedicht „Aller¬
dings" („Ins Innere der Natur" — o du Philister! usw.) die Auffassung, daß die
Natur ein geheimnisvolles, unerforschliches Innere berge. Wir selbst seien Natur,
Natur und erkennender Geist sei eins» das eine nicht denkbar ohne das andre.
Hinter dem, was wir von der Natur erkennen, stecke nichts mehr; nur insofern sei
unsre Naturerkenntnis Stückwerk, als wir eben nur Stücke, nicht das Ganze über¬
schauen, aber das erkannte Stück durchschauen wir nach Laßwitz ohne Rest. Der
äußere Gegenstand ist nicht ein Haufen qualitätsloser Atome, deren Schwingungen
in unserm Innern in Farben und Töne umgesetzt würden, sondern der geschaute
Mond z. B. und der wirkliche Mond sind ein und dasselbe. Nicht zwischen Jnnern
und Äußern liegt die Grenze, die die Welt in zwei ganz verschiedne Hälften
scheidet, sondern zwischen der Nnturerkenntnis und den Werturteilen, die auf einem
Gefühl beruhen, zwischen dem Gebiet der Notwendigkeit, zu dem unser individuelles
Ich gehört, und dem überindividuellen Gebiet der Freiheit. Unsers Erachtens ist
es Laßwitz ebensowenig wie seinen Vorgängern gelungen, diese Kantische Auffassung
vollkommen klar zu machen und ihre Richtigkeit überzeugend nachzuweisen, und wenn
es Laßwitz nicht gelingt, der überall sonst die Klarheit selbst und ein Meister der
Darstellung ist, so wird die Aufgabe wohl unlösbar sein. Oder liegts am Stumpfsinn
des Rezensenten? Vielleicht bekommen die Leser Lust, selbst zu prüfen, wenn wir
ihnen ein paar Stellen vorlegen, die man wohl als Leitsätze bezeichnen darf. „Was
uns in der täglichen Erfahrung entgegentritt, wird ans dem naiven, unwissenschaft¬
lichen Standpunkte der Weltbetrachtung einfach für das Wahre, Wirkliche, Seiende,
für die Dinge selbst gehalten. Aber es ist keineswegs das Ursprüngliche, es ist
vielmehr schon ein Produkt .der Arbeit des Bewußtseins, der Abstraktion und Kom¬
bination <S. 84). Was das Seiende ohne unser Bewußtsein ist, bleibt eine Frage,
die man offenbar nicht beantworten kann (S. 85). Wenn es gelänge, die Gerüche
ans mathematische Gesetze zu bringen, so würde offenbar ein neues Naturgebiet
geschaffen werden, von dem man jetzt nicht sagen kann, welche neuen Verkehrsmittel
für die Subjekte es darbieten würde. In diesem Sinne ist Natur niemals etwas
Abgeschlossenes, sondern entwickelt sich mit der Erkenntnis und unter fortwährender
Korrektur durch die Erkenntnis zu einem System, das als eine gesetzliche Verbindung
vou Erscheinungen sich immer deutlicher von den Vorgängen sondert, die wir in
den individuellen Systemen der menschlichen Leiber erleben. Diese lösen sich da¬
durch nicht von der Natur, sondern lassen die Art ihrer Verbindung mit dieser
um so genauer erkennen, je strenger die von ihnen unabhängigen Erscheinungen
gesetzlich bestimmt werden als das System des objektiven Naturgeschehens. Die
Natur als Produkt der Erkenntnis auffassen, heißt keineswegs an der Realität der
Naturerscheinungen rütteln. Deal Erkenntnis ist ja gerade der Vorgang, wodurch
objektive, allgemein giltige Thatsachen festgelegt werden. Aber diese idealistische
Auffassung des Seins ermöglicht ein Verständnis für die Realität der Objekte,
wonach nun die subjektive Realität der Vvrstellungswelt in gleiche Linie mit ihnen
gestellt werden kann, indem sich beide als ein notwendiger Zusammenhang derselben
gesetzlichen Entwicklung ergeben, nicht als ein Übergang zweier verschiedner Arten
des Seins in einander. Ein Körper ist nämlich nichts andres als eine gesetzliche
Bestimmung, daß sich gewisse Veränderungen im Raume vollzieh,! müssen, die wir
als Wechselwirkung mit andern Körpern oder — mit dein modernen naturwissen¬
schaftlichen Ausdruck — als Energienmwandlungen bezeichnen. Zu dieser Bestimmung


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[0438] Maßgebliches und Unmaßgebliches mit der Freiheit, vollends ins reine zu bringen. Seit Lotze neigen die idealistischen Philosophen der Auffassung zu, daß die Elemente der Welt: Atome, Monaden oder wie immer man sie nennen mag, ein zweifaches Dasein haben: ein äußerliches, räumliches, das die Körperwelt bildet, und ein innerliches, das sich im Menschen zum Geiste steigert. Laßwitz verwirft diese Scheidung in zwei Erscheinungsformen. Mit einer gewissen Heftigkeit bekämpft er im Anschluß um Goethes Gedicht „Aller¬ dings" („Ins Innere der Natur" — o du Philister! usw.) die Auffassung, daß die Natur ein geheimnisvolles, unerforschliches Innere berge. Wir selbst seien Natur, Natur und erkennender Geist sei eins» das eine nicht denkbar ohne das andre. Hinter dem, was wir von der Natur erkennen, stecke nichts mehr; nur insofern sei unsre Naturerkenntnis Stückwerk, als wir eben nur Stücke, nicht das Ganze über¬ schauen, aber das erkannte Stück durchschauen wir nach Laßwitz ohne Rest. Der äußere Gegenstand ist nicht ein Haufen qualitätsloser Atome, deren Schwingungen in unserm Innern in Farben und Töne umgesetzt würden, sondern der geschaute Mond z. B. und der wirkliche Mond sind ein und dasselbe. Nicht zwischen Jnnern und Äußern liegt die Grenze, die die Welt in zwei ganz verschiedne Hälften scheidet, sondern zwischen der Nnturerkenntnis und den Werturteilen, die auf einem Gefühl beruhen, zwischen dem Gebiet der Notwendigkeit, zu dem unser individuelles Ich gehört, und dem überindividuellen Gebiet der Freiheit. Unsers Erachtens ist es Laßwitz ebensowenig wie seinen Vorgängern gelungen, diese Kantische Auffassung vollkommen klar zu machen und ihre Richtigkeit überzeugend nachzuweisen, und wenn es Laßwitz nicht gelingt, der überall sonst die Klarheit selbst und ein Meister der Darstellung ist, so wird die Aufgabe wohl unlösbar sein. Oder liegts am Stumpfsinn des Rezensenten? Vielleicht bekommen die Leser Lust, selbst zu prüfen, wenn wir ihnen ein paar Stellen vorlegen, die man wohl als Leitsätze bezeichnen darf. „Was uns in der täglichen Erfahrung entgegentritt, wird ans dem naiven, unwissenschaft¬ lichen Standpunkte der Weltbetrachtung einfach für das Wahre, Wirkliche, Seiende, für die Dinge selbst gehalten. Aber es ist keineswegs das Ursprüngliche, es ist vielmehr schon ein Produkt .der Arbeit des Bewußtseins, der Abstraktion und Kom¬ bination <S. 84). Was das Seiende ohne unser Bewußtsein ist, bleibt eine Frage, die man offenbar nicht beantworten kann (S. 85). Wenn es gelänge, die Gerüche ans mathematische Gesetze zu bringen, so würde offenbar ein neues Naturgebiet geschaffen werden, von dem man jetzt nicht sagen kann, welche neuen Verkehrsmittel für die Subjekte es darbieten würde. In diesem Sinne ist Natur niemals etwas Abgeschlossenes, sondern entwickelt sich mit der Erkenntnis und unter fortwährender Korrektur durch die Erkenntnis zu einem System, das als eine gesetzliche Verbindung vou Erscheinungen sich immer deutlicher von den Vorgängen sondert, die wir in den individuellen Systemen der menschlichen Leiber erleben. Diese lösen sich da¬ durch nicht von der Natur, sondern lassen die Art ihrer Verbindung mit dieser um so genauer erkennen, je strenger die von ihnen unabhängigen Erscheinungen gesetzlich bestimmt werden als das System des objektiven Naturgeschehens. Die Natur als Produkt der Erkenntnis auffassen, heißt keineswegs an der Realität der Naturerscheinungen rütteln. Deal Erkenntnis ist ja gerade der Vorgang, wodurch objektive, allgemein giltige Thatsachen festgelegt werden. Aber diese idealistische Auffassung des Seins ermöglicht ein Verständnis für die Realität der Objekte, wonach nun die subjektive Realität der Vvrstellungswelt in gleiche Linie mit ihnen gestellt werden kann, indem sich beide als ein notwendiger Zusammenhang derselben gesetzlichen Entwicklung ergeben, nicht als ein Übergang zweier verschiedner Arten des Seins in einander. Ein Körper ist nämlich nichts andres als eine gesetzliche Bestimmung, daß sich gewisse Veränderungen im Raume vollzieh,! müssen, die wir als Wechselwirkung mit andern Körpern oder — mit dein modernen naturwissen¬ schaftlichen Ausdruck — als Energienmwandlungen bezeichnen. Zu dieser Bestimmung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/438>, abgerufen am 01.07.2024.