Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.mit großem Erfolge thätig gewesen. Wenn man nun aber auch den fortgesetzten Unter türkischer Herrschaft mußte der christliche Bauer außer der Militür- Grenzbote" II. 1901 50
mit großem Erfolge thätig gewesen. Wenn man nun aber auch den fortgesetzten Unter türkischer Herrschaft mußte der christliche Bauer außer der Militür- Grenzbote» II. 1901 50
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0401" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234931"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1179" prev="#ID_1178"> mit großem Erfolge thätig gewesen. Wenn man nun aber auch den fortgesetzten<lb/> gehässigen Angriffen von Nikaschinowitsch auf den Minister von Kallay kein<lb/> allzugroßes Gewicht beilegen wird, und sich eines abschließenden Urteils ent¬<lb/> halten wird, bevor mau das von der Landesregierung 1899 zu Sarajevo<lb/> heransgegebne Werk „Die Volkswirtschaft in Bosnien und der Herzegowina"<lb/> gesehen hat, so bleibt es doch auffallend, daß Treuber seine angeführten scharfen<lb/> Äußerungen über den Routinier einer Parlaments- und Budgetregierung nicht<lb/> etwa auf den unmittelbaren Nachfolger des Barons Hofmnnn, Slavy, beschränkt<lb/> hat, und daß er nirgends von einer Erfüllung der Aufgabe spricht, die Herzog<lb/> Wilhelm einer das wirkliche Wohl der okkupierten Länder mit Ernst betreibenden<lb/> Regierung in seiner Schlußdenkschrift gestellt hat. So wird man auch den<lb/> Einwendungen, die Nikaschinowitsch gegen die Landesregierung von Bosnien<lb/> und der Herzegowina unter Kallay erhebt, immerhin Beachtung schenken dürfen.<lb/> Freilich den Mißgriffen bei der Einführung von Musterwirtschaften, beim<lb/> Zuckerrübenbau und bei den Versuchen, die Rindviehzucht zu heben, über die<lb/> sich Nikaschinowitsch umständlich verbreitet und lustig macht, wird man keine<lb/> nllzugroßc Bedeutuug zumessen, auch wenn die Versehen in dem angeführten<lb/> Umfang gemacht worden wären. Es scheint aber sowohl ans der Jmmediatein-<lb/> gabe böhmischer Bauern von 1897 als aus den Darlegungen Nikaschinowitschens<lb/> über die Agrarfrage in den Okkupationsgebieten hervorzugehn, daß dieses wichtigste<lb/> Problem in keiner befriedigenden Weise gelöst worden ist. Im Gegenteil, allem<lb/> Anschein nach hat sich die Lage der böhmischen Bauern unter österreichischer<lb/> Regierung wenigsteus teilweise verschlechtert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1180" next="#ID_1181"> Unter türkischer Herrschaft mußte der christliche Bauer außer der Militür-<lb/> stener und der Hutweideabgabe ein den Staat oder an den Steuerpächter in rmwra,<lb/> deu Fruchtzehnten abliefern; außerdem mußte er um den gleichfalls muham-<lb/> medanischen Gutsherrn ein Drittel der Ernte abgeben, jedoch erst nach Abzug<lb/> des zur Aussaat erforderlichen Getreides. Dafür aber dürfte er von der<lb/> Scholle nicht entfernt werden, außer bei einer durch gerichtliches Erkenntnis<lb/> festgestellten Vernachlässigung der Arbeit. Während aber schon bei der An¬<lb/> legung der Kataster durch Ungenauigkeiten, die natürlich mehr die unwissende<lb/> Masse der Schollenbanern als die Gutsherren trafen, namentlich die Weide¬<lb/> rechte verkürzt wurden, verschlimmerte sich die Lage der Bauern, die nun<lb/> kurzerhand als Pächter bezeichnet wurden und damit von der Scholle viel<lb/> leichter entfernt werden konnten, besonders dadurch, daß der Zehnte nunmehr<lb/> dor Abzug der erforderliche« Saatfrucht in Geld statt in imwrg, entrichtet<lb/> werden muß, und zwar statt in vier Jahresraten in einer einzigen in den<lb/> Monaten Oktober bis Dezember, wo der Frnchtprcis am niedrigsten steht, daß<lb/> ferner die Schätzung auf dem Halm erfolgt und vou einer Kommission vor¬<lb/> genommen wird, in der nicht mir der Vaner in der Minderheit ist, sondern<lb/> in der die Mehrheit an einer möglichst hohen Schätzung direkt interessiert ist.<lb/> Doppelt und dreifach empfindlich ist dies dadurch, daß nach dem für deu<lb/> Staat geschätzte» Zehnten das an den Gutsherrn zu liefernde Drittel bemessen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbote» II. 1901 50</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0401]
mit großem Erfolge thätig gewesen. Wenn man nun aber auch den fortgesetzten
gehässigen Angriffen von Nikaschinowitsch auf den Minister von Kallay kein
allzugroßes Gewicht beilegen wird, und sich eines abschließenden Urteils ent¬
halten wird, bevor mau das von der Landesregierung 1899 zu Sarajevo
heransgegebne Werk „Die Volkswirtschaft in Bosnien und der Herzegowina"
gesehen hat, so bleibt es doch auffallend, daß Treuber seine angeführten scharfen
Äußerungen über den Routinier einer Parlaments- und Budgetregierung nicht
etwa auf den unmittelbaren Nachfolger des Barons Hofmnnn, Slavy, beschränkt
hat, und daß er nirgends von einer Erfüllung der Aufgabe spricht, die Herzog
Wilhelm einer das wirkliche Wohl der okkupierten Länder mit Ernst betreibenden
Regierung in seiner Schlußdenkschrift gestellt hat. So wird man auch den
Einwendungen, die Nikaschinowitsch gegen die Landesregierung von Bosnien
und der Herzegowina unter Kallay erhebt, immerhin Beachtung schenken dürfen.
Freilich den Mißgriffen bei der Einführung von Musterwirtschaften, beim
Zuckerrübenbau und bei den Versuchen, die Rindviehzucht zu heben, über die
sich Nikaschinowitsch umständlich verbreitet und lustig macht, wird man keine
nllzugroßc Bedeutuug zumessen, auch wenn die Versehen in dem angeführten
Umfang gemacht worden wären. Es scheint aber sowohl ans der Jmmediatein-
gabe böhmischer Bauern von 1897 als aus den Darlegungen Nikaschinowitschens
über die Agrarfrage in den Okkupationsgebieten hervorzugehn, daß dieses wichtigste
Problem in keiner befriedigenden Weise gelöst worden ist. Im Gegenteil, allem
Anschein nach hat sich die Lage der böhmischen Bauern unter österreichischer
Regierung wenigsteus teilweise verschlechtert.
Unter türkischer Herrschaft mußte der christliche Bauer außer der Militür-
stener und der Hutweideabgabe ein den Staat oder an den Steuerpächter in rmwra,
deu Fruchtzehnten abliefern; außerdem mußte er um den gleichfalls muham-
medanischen Gutsherrn ein Drittel der Ernte abgeben, jedoch erst nach Abzug
des zur Aussaat erforderlichen Getreides. Dafür aber dürfte er von der
Scholle nicht entfernt werden, außer bei einer durch gerichtliches Erkenntnis
festgestellten Vernachlässigung der Arbeit. Während aber schon bei der An¬
legung der Kataster durch Ungenauigkeiten, die natürlich mehr die unwissende
Masse der Schollenbanern als die Gutsherren trafen, namentlich die Weide¬
rechte verkürzt wurden, verschlimmerte sich die Lage der Bauern, die nun
kurzerhand als Pächter bezeichnet wurden und damit von der Scholle viel
leichter entfernt werden konnten, besonders dadurch, daß der Zehnte nunmehr
dor Abzug der erforderliche« Saatfrucht in Geld statt in imwrg, entrichtet
werden muß, und zwar statt in vier Jahresraten in einer einzigen in den
Monaten Oktober bis Dezember, wo der Frnchtprcis am niedrigsten steht, daß
ferner die Schätzung auf dem Halm erfolgt und vou einer Kommission vor¬
genommen wird, in der nicht mir der Vaner in der Minderheit ist, sondern
in der die Mehrheit an einer möglichst hohen Schätzung direkt interessiert ist.
Doppelt und dreifach empfindlich ist dies dadurch, daß nach dem für deu
Staat geschätzte» Zehnten das an den Gutsherrn zu liefernde Drittel bemessen
Grenzbote» II. 1901 50
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