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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Lin Notschrei aus Bosnien und der Herzegowina

gehalten werden müsse, daß sie jedenfalls durch die eignen Einnahmen gedeckt
werde; ja man hoffte sogar, die erforderlichen militärischen Organisationen
würden dnrch die Landeseiukünfte gedeckt werden können und erwartete, man
werde von den Einkünften noch so viele Mittel erübrigen, daß man damit unter
Ausnützung der technischen Truppen die bleibende Herstellung der Kommuni¬
kationen betreiben könnte.

Während der Herzog so beim Neichsfinanzministcrium auf die äußerste
Kargheit stieß, fand er mit seinen Straßen- und Bahnentwürfen nicht einmal
beim Neichskriegsministerium llnterstütznng. Erst im Laufe langer Jahre
wurde wenigstens ein Teil von Herzog Wilhelms Forderungen erfüllt, nach¬
dem inzwischen ganz unverhältnismäßige Summen für die Verpflegung der
Truppen in dein kommnnikationslosen Land verbraucht worden sind, und auch
heute ist die militärisch und handelspolitisch gleich wichtige Bahnverbindung
von Bosnien mit der Küste nur erst auf der Linie Metkvvitsch-Mostar-Sarajevv
erreicht, die Verbindung der Nordgruppe der dalmatinischen Häfen Sebcnieo-
Tran-Spalato mit dem böhmischen Hinterland aber immer noch ebensowenig
hergestellt als die Bahnvcrbindnng mit deren Südgrnppc, mit Gravosa und
den Boeche ti Cattaro, einem der größten und bedeutendsten natürlichen Kriegs-
und Haudelshüfen, die die Welt überhaupt kennt.

Auf den stärksten Widerstand stieß Herzog Wilhelm in Wien jedoch bei
seinen Bestrebungen, das Schulwesen auf interkonfessioueller Grundlage zu
heben. Offenbar wirkte ihm hier uicht nur der lokale Fanatismus der Muham-
mednner und namentlich der Griechisch-Orthodoxen entgegen, sondern auch die
uicht minder verbohrte römisch-katholische Unduldsamkeit im Zentrum des Reichs.
Immerhin gelang es dem Herzog, mit der im ganzen Lande eingeführten
Katastralvermcssnng die Basis zu schassen, die Besitzverhältnisse genan fest¬
zustellen, die Steuerkraft in rationeller Weise zu heben und zu regeln, die
Grundlage zur Heranziehung von Arbeitskräften und Knlturelementen dnrch
Kolonisation zu gewinnen; dazu kamen die Anbahnung der topographischen Auf¬
nahme des Landes, eine Volks- und Viehzählung und eingehende Nnch-
forschuugeu nach den. schon im Altertum teilweise bekannte" reichen Erzlager¬
stätten des Landes. So war schon im Jahre 1879 eine Wandlung auf allen
Gebieten des öffentlichen Lebens angebahnt oder in vollem Zuge. Überall
reges, thatkräftiges Leben, zukunftsreiche Plane und Entwürfe, mit deren Aus¬
führung nicht gezögert wurde, solange es Geld in den Kassen gab!

Während aber der Herzog wie alle schöpferischen Geister zunächst fast nur
Undank bei der Bevölkerung erntete, sodaß er zu der verstimmten Äußerung
kam, "das System unparteiischer Gerechtigkeit mache schließlich unbeliebt bei
allen Teilen der Bevölkerung," mußte er sich schon 1880 überzeugen, daß es
ganz unmöglich sei, die gestellte Aufgabe mit den vorhandnen Mitteln und Kräften
zu bewältigen. Aus des Herzogs hinterlassenen Papieren geht klar hervor,
wie er einerseits mit dem Mangel einer sichern, einheitlichen und verständnis¬
vollen Zentralleitnng zu kämpfen hatte, andrerseits damit, daß nicht mir die


Lin Notschrei aus Bosnien und der Herzegowina

gehalten werden müsse, daß sie jedenfalls durch die eignen Einnahmen gedeckt
werde; ja man hoffte sogar, die erforderlichen militärischen Organisationen
würden dnrch die Landeseiukünfte gedeckt werden können und erwartete, man
werde von den Einkünften noch so viele Mittel erübrigen, daß man damit unter
Ausnützung der technischen Truppen die bleibende Herstellung der Kommuni¬
kationen betreiben könnte.

Während der Herzog so beim Neichsfinanzministcrium auf die äußerste
Kargheit stieß, fand er mit seinen Straßen- und Bahnentwürfen nicht einmal
beim Neichskriegsministerium llnterstütznng. Erst im Laufe langer Jahre
wurde wenigstens ein Teil von Herzog Wilhelms Forderungen erfüllt, nach¬
dem inzwischen ganz unverhältnismäßige Summen für die Verpflegung der
Truppen in dein kommnnikationslosen Land verbraucht worden sind, und auch
heute ist die militärisch und handelspolitisch gleich wichtige Bahnverbindung
von Bosnien mit der Küste nur erst auf der Linie Metkvvitsch-Mostar-Sarajevv
erreicht, die Verbindung der Nordgruppe der dalmatinischen Häfen Sebcnieo-
Tran-Spalato mit dem böhmischen Hinterland aber immer noch ebensowenig
hergestellt als die Bahnvcrbindnng mit deren Südgrnppc, mit Gravosa und
den Boeche ti Cattaro, einem der größten und bedeutendsten natürlichen Kriegs-
und Haudelshüfen, die die Welt überhaupt kennt.

Auf den stärksten Widerstand stieß Herzog Wilhelm in Wien jedoch bei
seinen Bestrebungen, das Schulwesen auf interkonfessioueller Grundlage zu
heben. Offenbar wirkte ihm hier uicht nur der lokale Fanatismus der Muham-
mednner und namentlich der Griechisch-Orthodoxen entgegen, sondern auch die
uicht minder verbohrte römisch-katholische Unduldsamkeit im Zentrum des Reichs.
Immerhin gelang es dem Herzog, mit der im ganzen Lande eingeführten
Katastralvermcssnng die Basis zu schassen, die Besitzverhältnisse genan fest¬
zustellen, die Steuerkraft in rationeller Weise zu heben und zu regeln, die
Grundlage zur Heranziehung von Arbeitskräften und Knlturelementen dnrch
Kolonisation zu gewinnen; dazu kamen die Anbahnung der topographischen Auf¬
nahme des Landes, eine Volks- und Viehzählung und eingehende Nnch-
forschuugeu nach den. schon im Altertum teilweise bekannte» reichen Erzlager¬
stätten des Landes. So war schon im Jahre 1879 eine Wandlung auf allen
Gebieten des öffentlichen Lebens angebahnt oder in vollem Zuge. Überall
reges, thatkräftiges Leben, zukunftsreiche Plane und Entwürfe, mit deren Aus¬
führung nicht gezögert wurde, solange es Geld in den Kassen gab!

Während aber der Herzog wie alle schöpferischen Geister zunächst fast nur
Undank bei der Bevölkerung erntete, sodaß er zu der verstimmten Äußerung
kam, „das System unparteiischer Gerechtigkeit mache schließlich unbeliebt bei
allen Teilen der Bevölkerung," mußte er sich schon 1880 überzeugen, daß es
ganz unmöglich sei, die gestellte Aufgabe mit den vorhandnen Mitteln und Kräften
zu bewältigen. Aus des Herzogs hinterlassenen Papieren geht klar hervor,
wie er einerseits mit dem Mangel einer sichern, einheitlichen und verständnis¬
vollen Zentralleitnng zu kämpfen hatte, andrerseits damit, daß nicht mir die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/397>, abgerufen am 24.08.2024.