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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Glossen zu den Reichstagsverhandluugen über das musikalische Urheberrecht

arbeitet, weil das Abschreiben von Noten freigegeben war, nud geschriebne
Noten den gedruckten bei weitem vorgezogen wurden, mit durchschnittlich großen
Schwierigkeiten, Nur wenige vom Glück begünstigte, besonders tüchtige Häuser
hielten sich länger. Daß sich die Verleger unter diesen Umständen nicht mit
großen Ausgaben an die Komponisten beschweren konnten, läßt sich begreifen,
sie übernahmen den Verlag großer Werke in der Regel nnr, wenn der Kom¬
ponist selbst soviel Subskribenten zusammengebracht hatte, daß die Herstellungs-
kosten gedeckt waren. In dieser Zeit entstand der Panschalvertrng: der Kom¬
ponist wurde ein für allemal mit einer Summe abgefunden, von der Zahl der
Auflagen, von ihrer Höhe hatte er keine Vorteile und erfuhr er nichts. Die
Verleger schafften die Jahreszahlen auf den Titeln ub. Dieser ehemals ver¬
nünftige Zustand hat aufgehört, recht und billig zu sein, seit das Gesetz
die Vervielfältigung von Musikalien verbietet, und es ist seitdem kein aus¬
reichender Grund mehr vorhanden, im Musikverlag anders zu verfahren als
im Bnchv erlag.

Den ausländischen Komponisten ist das früher klar geworden als den
deutsche", ja unsre für das Konzert schreibenden Musiker Hütten vielleicht noch
lange nicht an einen materiellen Ertrag ihrer Arbeit gedacht, wenn nicht für
ihre Kollegen von der Oper Tantiemen eingeführt worden wären. Die Fran¬
zosen zuerst haben Kampfgcnossenschaften gegründet, die den Verlegern Be¬
dingungen stellen, unter ihnen auch die Forderung einer Aufführuiigssteuer.
Das Aufführungsrecht war zuerst hauptsächlich als ein Mittel gedacht, sich die
Qualität von Neuaufführungcn zu sicher", es hat sich aber auch finanziell als
nützlich erwiesen. Durch diesen Erfolg veranlaßt hat es Deutschland vor Jahr¬
zehnten als fakultativ zugelassen; die Komponisten, die davon Gebrauch machten,
mußten es auf dem Titel bemerken. Der Verleger Simrock in Berlin machte
diesen Vermerk zur Regel, seine Komponisten standen sich dabei gut, und auf
diesem Weg ist das Verlangen nach obligatorischer Aufführungssteiler durch
die ganze deutsche Komponistenwelt gedrungen, in die Regierungsvorlage ge¬
kommen und schließlich, allerdings verstümmelt, Gesetz geworden. Daß es von
den Komponisten nnr denen nützen wird, die ihren Verlegern befehlen können,
scheint so lange gewiß, als die Gesetzgebung das musikalische Verlagsrecht nicht
mit dein im Buchhandel üblichen in Einklang bringt, so laiige der Musikverleger
mit oder ohne einmaliges Honorar nicht bloß das Manuskript, sondern anch
alle Urheberrechte, mit Einschluß von Schutzfrist und Aufführungssteiler, halb
oder ganz an sich bringen, Neuauflagen ohne Befragen und ohne Entschädigung
des Autors veranstalten darf. Wie den Schriftstellern muß auch den Komponisten
ein Anteil am Absatz gesichert werden. Daß das ganz wohl ohne Schaden für
Volksbildung und Mnsikpflcge durchgesetzt werden kann, beweist das Ausland.
Die höchsten Vorteile vom Absatz hat der Komponist in England. Arthur
Sullivan ist durch ein einziges Lied ?luz lost vllvrcl ein vermögender Mann
geworden. Hat der Komponist von den verkauften Exemplaren Prozente, dann
kann er viel eher ans eine Aufführungssteuer seiner Lieder verzichten. Sie ist


Glossen zu den Reichstagsverhandluugen über das musikalische Urheberrecht

arbeitet, weil das Abschreiben von Noten freigegeben war, nud geschriebne
Noten den gedruckten bei weitem vorgezogen wurden, mit durchschnittlich großen
Schwierigkeiten, Nur wenige vom Glück begünstigte, besonders tüchtige Häuser
hielten sich länger. Daß sich die Verleger unter diesen Umständen nicht mit
großen Ausgaben an die Komponisten beschweren konnten, läßt sich begreifen,
sie übernahmen den Verlag großer Werke in der Regel nnr, wenn der Kom¬
ponist selbst soviel Subskribenten zusammengebracht hatte, daß die Herstellungs-
kosten gedeckt waren. In dieser Zeit entstand der Panschalvertrng: der Kom¬
ponist wurde ein für allemal mit einer Summe abgefunden, von der Zahl der
Auflagen, von ihrer Höhe hatte er keine Vorteile und erfuhr er nichts. Die
Verleger schafften die Jahreszahlen auf den Titeln ub. Dieser ehemals ver¬
nünftige Zustand hat aufgehört, recht und billig zu sein, seit das Gesetz
die Vervielfältigung von Musikalien verbietet, und es ist seitdem kein aus¬
reichender Grund mehr vorhanden, im Musikverlag anders zu verfahren als
im Bnchv erlag.

Den ausländischen Komponisten ist das früher klar geworden als den
deutsche», ja unsre für das Konzert schreibenden Musiker Hütten vielleicht noch
lange nicht an einen materiellen Ertrag ihrer Arbeit gedacht, wenn nicht für
ihre Kollegen von der Oper Tantiemen eingeführt worden wären. Die Fran¬
zosen zuerst haben Kampfgcnossenschaften gegründet, die den Verlegern Be¬
dingungen stellen, unter ihnen auch die Forderung einer Aufführuiigssteuer.
Das Aufführungsrecht war zuerst hauptsächlich als ein Mittel gedacht, sich die
Qualität von Neuaufführungcn zu sicher», es hat sich aber auch finanziell als
nützlich erwiesen. Durch diesen Erfolg veranlaßt hat es Deutschland vor Jahr¬
zehnten als fakultativ zugelassen; die Komponisten, die davon Gebrauch machten,
mußten es auf dem Titel bemerken. Der Verleger Simrock in Berlin machte
diesen Vermerk zur Regel, seine Komponisten standen sich dabei gut, und auf
diesem Weg ist das Verlangen nach obligatorischer Aufführungssteiler durch
die ganze deutsche Komponistenwelt gedrungen, in die Regierungsvorlage ge¬
kommen und schließlich, allerdings verstümmelt, Gesetz geworden. Daß es von
den Komponisten nnr denen nützen wird, die ihren Verlegern befehlen können,
scheint so lange gewiß, als die Gesetzgebung das musikalische Verlagsrecht nicht
mit dein im Buchhandel üblichen in Einklang bringt, so laiige der Musikverleger
mit oder ohne einmaliges Honorar nicht bloß das Manuskript, sondern anch
alle Urheberrechte, mit Einschluß von Schutzfrist und Aufführungssteiler, halb
oder ganz an sich bringen, Neuauflagen ohne Befragen und ohne Entschädigung
des Autors veranstalten darf. Wie den Schriftstellern muß auch den Komponisten
ein Anteil am Absatz gesichert werden. Daß das ganz wohl ohne Schaden für
Volksbildung und Mnsikpflcge durchgesetzt werden kann, beweist das Ausland.
Die höchsten Vorteile vom Absatz hat der Komponist in England. Arthur
Sullivan ist durch ein einziges Lied ?luz lost vllvrcl ein vermögender Mann
geworden. Hat der Komponist von den verkauften Exemplaren Prozente, dann
kann er viel eher ans eine Aufführungssteuer seiner Lieder verzichten. Sie ist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/378>, abgerufen am 01.07.2024.