Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.solle, daß ihre Einrichtungen über jeden Tadel erhaben wären, aber welchen Dem letzten Abschnitt seines Buches, der von der Einrichtung und Ver¬ Genauer gesagt, daß es in Deutschland geschulte Bibliothekare, die die Grenzboten II 1901 46
solle, daß ihre Einrichtungen über jeden Tadel erhaben wären, aber welchen Dem letzten Abschnitt seines Buches, der von der Einrichtung und Ver¬ Genauer gesagt, daß es in Deutschland geschulte Bibliothekare, die die Grenzboten II 1901 46
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0369" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234899"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1081" prev="#ID_1080"> solle, daß ihre Einrichtungen über jeden Tadel erhaben wären, aber welchen<lb/> Zweck z. B. die Stadtbibliothek von Breslau hätte, das vermöge er nicht zu<lb/> ergründen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1082"> Dem letzten Abschnitt seines Buches, der von der Einrichtung und Ver¬<lb/> waltung der Bibliotheken handelt, stellt der Verfasser drei schone Model voran:<lb/> ?lis dost rvsMnA, lor tbs lar^ost, numi>or, g,t Uio lsg.8t oost sWahlsprnch der<lb/> American Library Association). Der Bibliothekar ist die Hauptsache bei einer<lb/> Bibliothek, mit ihm steht und fällt sie. (Nörrenberg, eine Autorität in der<lb/> Bibliothetlvisscnschaft.) Das Gängelband gehört nicht in deinen Umgang mit<lb/> Männern, und wenn du ihnen gegenüber ein Riese an Kenntnissen wärest<lb/> (F. A, Lange). Das Technische werden ja wohl alle, die sich von' Amts<lb/> wegen oder freiwillig mit Bibliotheken befassen, in Schultzes Buche studieren.<lb/> Hier wollen wir uur ein paar seiner Bemerkungen zusammenstellen, die die<lb/> drei Wahlspruche zu beleuchten bestimmt sind. Der erste bedarf keiner Recht¬<lb/> fertigung, sondern nnr einer Anweisung, wie er ausgeführt werden soll. Um<lb/> jeder Bibliothek zum beste» Lesestoff zu verhelfen, wäre ein Musterkatalog er¬<lb/> forderlich. Einen solchen giebt eS leider in Deutschland noch nicht und wird<lb/> es wohl auch so bald nicht geben, weil Nur Deutschen nicht allein reicher an<lb/> Schriftwerken, sondern auch reicher an anseinnnderstrebenden geistigen Rich¬<lb/> tungen sind als irgend ein andres Volk. Dazu sind denn doch auch die Ver¬<lb/> hältnisse, auf die man bei der Zusammenstellung der Bibliothek Rücksicht zu<lb/> nehmen hat, sehr verschieden in Stadt und Land, in großen und kleinen<lb/> Städten, in Agrar- und Industriebezirken. Für ländliche Bibliotheken hat<lb/> Wilhelm Bube einen Katalog von neunhundert Nummern angefertigt, den<lb/> Schultze als brauchbar bezeichnet. Nur tadelt dieser, daß Bube einige gegen<lb/> die Sozialdemokratie gerichtete Schriften politischen Charakters aufgenommen<lb/> habe; Volksbildungsanstalten müßten jeden Versuch politischer Beeinflussung<lb/> grundsätzlich ausschließen. Ausschließen solle mau auch Schriften, die eine auf¬<lb/> dringliche religiöse Tendenz verraten, uicht aber Belletristik und Jugendschriften.<lb/> Gute Belletristik sei sehr nützlich, zunächst ein Labsal für den in der Berufs¬<lb/> arbeit Abgerackerten, das dem Volke zu mißgönnen geradezu grausam sein<lb/> würde, dann doch auch voll Belehrung und heilsamer Auregung, und endlich<lb/> für den gemeinen Manu die Vorstufe zu wirklichen Studien. Der geistig wenig<lb/> Geschulte und im Lesen Ungeübte müsse sich erst an unterhaltenden Büchern<lb/> Heranslesen, ehe er Fachwissenschaft verdauen könne. Und wenn die schreckliche<lb/> Nataly von Eschstruth die gelesenste Novcllistin sei, so sei eben der Bibliothekar<lb/> daran schuld.</p><lb/> <p xml:id="ID_1083" next="#ID_1084"> Genauer gesagt, daß es in Deutschland geschulte Bibliothekare, die die<lb/> Leser beraten könnten und wollten und Zeit dazu Hütten, gar noch nicht giebt.<lb/> Eine andre Autorität im Bibliothekfach, R. Januasch, schreibt: „Es genügt<lb/> nicht, einen Bibliothekar anzustellen, der an einigen Wochenabenden mechanisch<lb/> Bücher ausgiebt, sondern es müssen sehr vielseitig gebildete und erfahrne</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1901 46</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0369]
solle, daß ihre Einrichtungen über jeden Tadel erhaben wären, aber welchen
Zweck z. B. die Stadtbibliothek von Breslau hätte, das vermöge er nicht zu
ergründen.
Dem letzten Abschnitt seines Buches, der von der Einrichtung und Ver¬
waltung der Bibliotheken handelt, stellt der Verfasser drei schone Model voran:
?lis dost rvsMnA, lor tbs lar^ost, numi>or, g,t Uio lsg.8t oost sWahlsprnch der
American Library Association). Der Bibliothekar ist die Hauptsache bei einer
Bibliothek, mit ihm steht und fällt sie. (Nörrenberg, eine Autorität in der
Bibliothetlvisscnschaft.) Das Gängelband gehört nicht in deinen Umgang mit
Männern, und wenn du ihnen gegenüber ein Riese an Kenntnissen wärest
(F. A, Lange). Das Technische werden ja wohl alle, die sich von' Amts
wegen oder freiwillig mit Bibliotheken befassen, in Schultzes Buche studieren.
Hier wollen wir uur ein paar seiner Bemerkungen zusammenstellen, die die
drei Wahlspruche zu beleuchten bestimmt sind. Der erste bedarf keiner Recht¬
fertigung, sondern nnr einer Anweisung, wie er ausgeführt werden soll. Um
jeder Bibliothek zum beste» Lesestoff zu verhelfen, wäre ein Musterkatalog er¬
forderlich. Einen solchen giebt eS leider in Deutschland noch nicht und wird
es wohl auch so bald nicht geben, weil Nur Deutschen nicht allein reicher an
Schriftwerken, sondern auch reicher an anseinnnderstrebenden geistigen Rich¬
tungen sind als irgend ein andres Volk. Dazu sind denn doch auch die Ver¬
hältnisse, auf die man bei der Zusammenstellung der Bibliothek Rücksicht zu
nehmen hat, sehr verschieden in Stadt und Land, in großen und kleinen
Städten, in Agrar- und Industriebezirken. Für ländliche Bibliotheken hat
Wilhelm Bube einen Katalog von neunhundert Nummern angefertigt, den
Schultze als brauchbar bezeichnet. Nur tadelt dieser, daß Bube einige gegen
die Sozialdemokratie gerichtete Schriften politischen Charakters aufgenommen
habe; Volksbildungsanstalten müßten jeden Versuch politischer Beeinflussung
grundsätzlich ausschließen. Ausschließen solle mau auch Schriften, die eine auf¬
dringliche religiöse Tendenz verraten, uicht aber Belletristik und Jugendschriften.
Gute Belletristik sei sehr nützlich, zunächst ein Labsal für den in der Berufs¬
arbeit Abgerackerten, das dem Volke zu mißgönnen geradezu grausam sein
würde, dann doch auch voll Belehrung und heilsamer Auregung, und endlich
für den gemeinen Manu die Vorstufe zu wirklichen Studien. Der geistig wenig
Geschulte und im Lesen Ungeübte müsse sich erst an unterhaltenden Büchern
Heranslesen, ehe er Fachwissenschaft verdauen könne. Und wenn die schreckliche
Nataly von Eschstruth die gelesenste Novcllistin sei, so sei eben der Bibliothekar
daran schuld.
Genauer gesagt, daß es in Deutschland geschulte Bibliothekare, die die
Leser beraten könnten und wollten und Zeit dazu Hütten, gar noch nicht giebt.
Eine andre Autorität im Bibliothekfach, R. Januasch, schreibt: „Es genügt
nicht, einen Bibliothekar anzustellen, der an einigen Wochenabenden mechanisch
Bücher ausgiebt, sondern es müssen sehr vielseitig gebildete und erfahrne
Grenzboten II 1901 46
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