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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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und reichlich. Besonders die Buren in der Nähe Kapstadts versorgten uns
mit Lebensmitteln, darunter waren die herrlichsten Früchte, auch köstliche
Trauben. Auch aus Holland kamen zunächst diele Sendungen an, sodciß wir
keinerlei Mangel litten. Ich selbst hatte mich neu ausstaffiert. Auf der
Station Krankuil war ich von einem Angestellten meines frühern Chefs unter
den Gefangnen erkannt worden, und dieser hatte mir ein schönes Sümmchen
ins Lager geschickt, von dem ich mir Ober- und Unterkleider, Schuhe und Hut
und sonstige nötige Gegenstände kaufen konnte. So lebte ich mich ins Lager-
leben ein, als die Nachricht von der Übergabe Crvnjes eintraf. Das war für
uns alle ein Schlag. Traurig überließen wir uus unsern Gedanken, allein,
oder wir tauschten sie aus und besprachen hier und dort das Ereignis. Draußen
vor dem Lager spielte"? die Kapellen, die Schisse in der Simvnsbai flaggten
und feuerten Viktoria. Bald trafen die ersten Gefangnentransporte ein, und
wir erhielten genauere Nachricht über das Schicksal der Armee Crvnjes.

An dieser Stelle mag eingeschaltet sein, was ich damals und zum Teil
auch noch später aus Se. Helena über die Borgänge bei Crouje seit dem Tage
meiner Gefangennahme von glaubwürdigen Personen erfahren habe. Die Be¬
schießung war acht Tage lang fortgesetzt worden, aber Jnsanterieangriffe waren
nicht mehr erfolgt. Noch am 20. Februar kam von außerhalb ein Karren
de Wels ins Lager, um Lebensmittel und Munition für die außen Kämpfenden
zu holen. Bei dieser Gelegenheit wurde Cronje aufgefordert, einen Durchbruch
zu versuchen; die geeignetste Seite wurde ihm dabei bezeichnet. Der Karren
ging mit Erfolg und beladen zu de Wet zurück. Crouje folgte ihm nicht.
Andre Auswege stauben ihm sogar später noch frei. Zwischen den haushohen
Flußufern des Modder, zwischen den vielen und gewundnen trocknen Flu߬
rinnen konnte er durchkommen, wenn er sich zur Zurücklassung des Lagers
entschloß. Was war an diesem noch gelegen? Die Ochsen waren tot, die
Wagen zum größten Teile verbrannt. Es ist mir bis heute ganz unver¬
ständlich, auf welche Macht Cronje baute, als er starr an dem Gedanken fest¬
hielt, gerade in dieser Stellung werde er die Engländer schlagen. Einzelne
sprachen von Verrat. Ich glaubte mit der großen Mehrheit der Gefangnen
nicht daran. Viel wahrscheinlicher ist, daß der Einfluß seiner Frau für seine
Handlungsweise mitbestimmend gewesen ist. Die Hauptursache der Katastrophe
liegt meines Ernchteus in der Verschlossenheit der Natur Crvnjes, seinein Starr¬
sinn und der Geringschätzung der Uitlander, der Engländer sowohl wie der im
Lager auf Burenseite wirkenden ausländischen Offiziere. Wären die Ratschläge
dieser Offiziere berücksichtigt worden, so würde das Ergebnis des Rückzugs,
ja vielleicht des ganzen Feldzugs anders geworden sein. Auch verließ sich
Cronje wohl zuviel auf die ihm versprochne Hilfe von außen. Schließlich war
Cronje uur ein guter Kommandant, kein Feldherr. Er litt schwer unter seinem
Schicksal; denn ans Se. Helena verfiel er der allgemeinen Verachtung, die sich
darin äußerte, daß jedermann ihn mied. Man sprach mit ihm nur das Not¬
wendigste.


und reichlich. Besonders die Buren in der Nähe Kapstadts versorgten uns
mit Lebensmitteln, darunter waren die herrlichsten Früchte, auch köstliche
Trauben. Auch aus Holland kamen zunächst diele Sendungen an, sodciß wir
keinerlei Mangel litten. Ich selbst hatte mich neu ausstaffiert. Auf der
Station Krankuil war ich von einem Angestellten meines frühern Chefs unter
den Gefangnen erkannt worden, und dieser hatte mir ein schönes Sümmchen
ins Lager geschickt, von dem ich mir Ober- und Unterkleider, Schuhe und Hut
und sonstige nötige Gegenstände kaufen konnte. So lebte ich mich ins Lager-
leben ein, als die Nachricht von der Übergabe Crvnjes eintraf. Das war für
uns alle ein Schlag. Traurig überließen wir uus unsern Gedanken, allein,
oder wir tauschten sie aus und besprachen hier und dort das Ereignis. Draußen
vor dem Lager spielte»? die Kapellen, die Schisse in der Simvnsbai flaggten
und feuerten Viktoria. Bald trafen die ersten Gefangnentransporte ein, und
wir erhielten genauere Nachricht über das Schicksal der Armee Crvnjes.

An dieser Stelle mag eingeschaltet sein, was ich damals und zum Teil
auch noch später aus Se. Helena über die Borgänge bei Crouje seit dem Tage
meiner Gefangennahme von glaubwürdigen Personen erfahren habe. Die Be¬
schießung war acht Tage lang fortgesetzt worden, aber Jnsanterieangriffe waren
nicht mehr erfolgt. Noch am 20. Februar kam von außerhalb ein Karren
de Wels ins Lager, um Lebensmittel und Munition für die außen Kämpfenden
zu holen. Bei dieser Gelegenheit wurde Cronje aufgefordert, einen Durchbruch
zu versuchen; die geeignetste Seite wurde ihm dabei bezeichnet. Der Karren
ging mit Erfolg und beladen zu de Wet zurück. Crouje folgte ihm nicht.
Andre Auswege stauben ihm sogar später noch frei. Zwischen den haushohen
Flußufern des Modder, zwischen den vielen und gewundnen trocknen Flu߬
rinnen konnte er durchkommen, wenn er sich zur Zurücklassung des Lagers
entschloß. Was war an diesem noch gelegen? Die Ochsen waren tot, die
Wagen zum größten Teile verbrannt. Es ist mir bis heute ganz unver¬
ständlich, auf welche Macht Cronje baute, als er starr an dem Gedanken fest¬
hielt, gerade in dieser Stellung werde er die Engländer schlagen. Einzelne
sprachen von Verrat. Ich glaubte mit der großen Mehrheit der Gefangnen
nicht daran. Viel wahrscheinlicher ist, daß der Einfluß seiner Frau für seine
Handlungsweise mitbestimmend gewesen ist. Die Hauptursache der Katastrophe
liegt meines Ernchteus in der Verschlossenheit der Natur Crvnjes, seinein Starr¬
sinn und der Geringschätzung der Uitlander, der Engländer sowohl wie der im
Lager auf Burenseite wirkenden ausländischen Offiziere. Wären die Ratschläge
dieser Offiziere berücksichtigt worden, so würde das Ergebnis des Rückzugs,
ja vielleicht des ganzen Feldzugs anders geworden sein. Auch verließ sich
Cronje wohl zuviel auf die ihm versprochne Hilfe von außen. Schließlich war
Cronje uur ein guter Kommandant, kein Feldherr. Er litt schwer unter seinem
Schicksal; denn ans Se. Helena verfiel er der allgemeinen Verachtung, die sich
darin äußerte, daß jedermann ihn mied. Man sprach mit ihm nur das Not¬
wendigste.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/335>, abgerufen am 22.07.2024.