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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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gewaltigen Chvrsatz: "Nun ist das Heil und die Kraft"; die Hochschule am
nächste" Tage: Präludium 6-aur und Fantasie über "Jesu, meine Freude" für
Orgel, die fünfstimmige Motette "Jesu, meine Freude," die ^-aur-Sonate für
Klavier und Violine, das erste und das zweite Brandenburgische Konzert, zwischen
ihnen die Vaßarie "Mit Verlangen" ans der weltlichen Kantate: "Der Streit
zwischen Phöbus und Pein," die Singakademie am dritten Tage: die (kleine)
Messe in ^-aur, das sechste Brandenburgische Konzert, das Musikdrama: "Der
zufriedengestellte Aotus." Sie beschloß das Fest mit dem ersten Sah aus dem
Gloria der F-elur-Messe. Das sind mit Ausnahme der beiden Messen lauter
vollwertige Werke, nud wem es darauf ankam, überhaupt einmal viel Bach
hintereinander zu hören, der ist bei diesem Programm ans seine Kohle" ge-
kommen. Schweizer nud Wiener Besucher des Festes habe" das auch dankbar
anerkannt und noch ausdrücklich dabei die sichern, teilweise glänzende" Chor-
leistnngen gerühmt, Berliner Berichterstatter dagegen bemängelt, daß ihnen das
Fest mir wenig geboten habe, was sie nicht zu gewöhnlichen Zeiten mich haben
könnten. Wenn sie daraus geschlossen haben, daß die Bachfeste und die Neue
Bachgesellschaft überflüssig seien, kennen sie deren Statuten nicht. Einer der
Herren schien nicht einmal die Festschrift gelesen zu haben, wenigstens hat
er es übersehen, daß dort die von ihm vorwurfsvoll angeregte Einführung
der Bachschen Kantaten in den Gottesdienst, die schon der Schlnßbericht der
Bachausgabe gefordert hat, klar genug wieder verlangt wird. "Sie (die.Kan¬
taten) der .Kirche wieder zuzuführen - heißt es da Seite 20 -- muß eine
Hauptaufgabe der Nacharbeit für die uüchste Generation sein. Einstweilen
zwingt die Not, sie ins Konzert zu stelle"." Derselbe Herr hat gegen die
Gesellschaft auch die leichtfertige Beschuldigung erhoben, daß sie willkürlichen
Kürzungen Bachscher Werke das Wort rede. Leichtfertig nenne" Nur das,
weil der Herr -- es handelt sich um den Berichterstatter der Berliner Neuesten
Nachrichten - - nicht unwissend genug ist, zu glauben, daß Matthäuspassion
und ähnliche Werke jemals haben vollständig, d. h. bei jeder Ausführung mit
allen Arien aufgeführt werden sollen.

Es läßt sich gleichwohl der Bachgesellschaft der Vorwurf nicht ersparen,
daß das Programm des Festes den Zwecken nicht entsprach. Bachaufführungeu
haben wir genng, die Bachfeste sollen belehrend und ergänzend dazwischen
treten, sie werden eines akademischen Z"sah"nes nicht entbehre" können
und ihre Auswahl nach einheitlichen, in die Augen springenden Absichten
gestalten müssen. Die Berliner Programme zeigten die Bachbedentnng der
ausführenden Institute im möglichst günstigen Licht, auf die Bachpropaganda
richteten sie sich erst in zweiter Linie. Sie waren infolgedessen am zweiten und
am dritten Tage etwas bunt, am erstell boten sie nicht el!? einziges von den
unbekannter" Werke", die die Statuten in den Vordergrund stellen. Was sich
aber "ach dieser Richtung hin leisten läßt, das hat der Erfolg des "zufrieden¬
gestellte" Aotus" gezeigt, der, obwohl el" Teil der Arie" ""genügend wieder¬
gegeben wurde, durchschlug. Max Kalbect äußert im Neuen Wiener Tageblatt


gewaltigen Chvrsatz: „Nun ist das Heil und die Kraft"; die Hochschule am
nächste» Tage: Präludium 6-aur und Fantasie über „Jesu, meine Freude" für
Orgel, die fünfstimmige Motette „Jesu, meine Freude," die ^-aur-Sonate für
Klavier und Violine, das erste und das zweite Brandenburgische Konzert, zwischen
ihnen die Vaßarie „Mit Verlangen" ans der weltlichen Kantate: „Der Streit
zwischen Phöbus und Pein," die Singakademie am dritten Tage: die (kleine)
Messe in ^-aur, das sechste Brandenburgische Konzert, das Musikdrama: „Der
zufriedengestellte Aotus." Sie beschloß das Fest mit dem ersten Sah aus dem
Gloria der F-elur-Messe. Das sind mit Ausnahme der beiden Messen lauter
vollwertige Werke, nud wem es darauf ankam, überhaupt einmal viel Bach
hintereinander zu hören, der ist bei diesem Programm ans seine Kohle» ge-
kommen. Schweizer nud Wiener Besucher des Festes habe» das auch dankbar
anerkannt und noch ausdrücklich dabei die sichern, teilweise glänzende» Chor-
leistnngen gerühmt, Berliner Berichterstatter dagegen bemängelt, daß ihnen das
Fest mir wenig geboten habe, was sie nicht zu gewöhnlichen Zeiten mich haben
könnten. Wenn sie daraus geschlossen haben, daß die Bachfeste und die Neue
Bachgesellschaft überflüssig seien, kennen sie deren Statuten nicht. Einer der
Herren schien nicht einmal die Festschrift gelesen zu haben, wenigstens hat
er es übersehen, daß dort die von ihm vorwurfsvoll angeregte Einführung
der Bachschen Kantaten in den Gottesdienst, die schon der Schlnßbericht der
Bachausgabe gefordert hat, klar genug wieder verlangt wird. „Sie (die.Kan¬
taten) der .Kirche wieder zuzuführen - heißt es da Seite 20 — muß eine
Hauptaufgabe der Nacharbeit für die uüchste Generation sein. Einstweilen
zwingt die Not, sie ins Konzert zu stelle»." Derselbe Herr hat gegen die
Gesellschaft auch die leichtfertige Beschuldigung erhoben, daß sie willkürlichen
Kürzungen Bachscher Werke das Wort rede. Leichtfertig nenne» Nur das,
weil der Herr — es handelt sich um den Berichterstatter der Berliner Neuesten
Nachrichten - - nicht unwissend genug ist, zu glauben, daß Matthäuspassion
und ähnliche Werke jemals haben vollständig, d. h. bei jeder Ausführung mit
allen Arien aufgeführt werden sollen.

Es läßt sich gleichwohl der Bachgesellschaft der Vorwurf nicht ersparen,
daß das Programm des Festes den Zwecken nicht entsprach. Bachaufführungeu
haben wir genng, die Bachfeste sollen belehrend und ergänzend dazwischen
treten, sie werden eines akademischen Z»sah»nes nicht entbehre» können
und ihre Auswahl nach einheitlichen, in die Augen springenden Absichten
gestalten müssen. Die Berliner Programme zeigten die Bachbedentnng der
ausführenden Institute im möglichst günstigen Licht, auf die Bachpropaganda
richteten sie sich erst in zweiter Linie. Sie waren infolgedessen am zweiten und
am dritten Tage etwas bunt, am erstell boten sie nicht el!? einziges von den
unbekannter« Werke», die die Statuten in den Vordergrund stellen. Was sich
aber »ach dieser Richtung hin leisten läßt, das hat der Erfolg des „zufrieden¬
gestellte» Aotus" gezeigt, der, obwohl el» Teil der Arie» »»genügend wieder¬
gegeben wurde, durchschlug. Max Kalbect äußert im Neuen Wiener Tageblatt


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[0328] gewaltigen Chvrsatz: „Nun ist das Heil und die Kraft"; die Hochschule am nächste» Tage: Präludium 6-aur und Fantasie über „Jesu, meine Freude" für Orgel, die fünfstimmige Motette „Jesu, meine Freude," die ^-aur-Sonate für Klavier und Violine, das erste und das zweite Brandenburgische Konzert, zwischen ihnen die Vaßarie „Mit Verlangen" ans der weltlichen Kantate: „Der Streit zwischen Phöbus und Pein," die Singakademie am dritten Tage: die (kleine) Messe in ^-aur, das sechste Brandenburgische Konzert, das Musikdrama: „Der zufriedengestellte Aotus." Sie beschloß das Fest mit dem ersten Sah aus dem Gloria der F-elur-Messe. Das sind mit Ausnahme der beiden Messen lauter vollwertige Werke, nud wem es darauf ankam, überhaupt einmal viel Bach hintereinander zu hören, der ist bei diesem Programm ans seine Kohle» ge- kommen. Schweizer nud Wiener Besucher des Festes habe» das auch dankbar anerkannt und noch ausdrücklich dabei die sichern, teilweise glänzende» Chor- leistnngen gerühmt, Berliner Berichterstatter dagegen bemängelt, daß ihnen das Fest mir wenig geboten habe, was sie nicht zu gewöhnlichen Zeiten mich haben könnten. Wenn sie daraus geschlossen haben, daß die Bachfeste und die Neue Bachgesellschaft überflüssig seien, kennen sie deren Statuten nicht. Einer der Herren schien nicht einmal die Festschrift gelesen zu haben, wenigstens hat er es übersehen, daß dort die von ihm vorwurfsvoll angeregte Einführung der Bachschen Kantaten in den Gottesdienst, die schon der Schlnßbericht der Bachausgabe gefordert hat, klar genug wieder verlangt wird. „Sie (die.Kan¬ taten) der .Kirche wieder zuzuführen - heißt es da Seite 20 — muß eine Hauptaufgabe der Nacharbeit für die uüchste Generation sein. Einstweilen zwingt die Not, sie ins Konzert zu stelle»." Derselbe Herr hat gegen die Gesellschaft auch die leichtfertige Beschuldigung erhoben, daß sie willkürlichen Kürzungen Bachscher Werke das Wort rede. Leichtfertig nenne» Nur das, weil der Herr — es handelt sich um den Berichterstatter der Berliner Neuesten Nachrichten - - nicht unwissend genug ist, zu glauben, daß Matthäuspassion und ähnliche Werke jemals haben vollständig, d. h. bei jeder Ausführung mit allen Arien aufgeführt werden sollen. Es läßt sich gleichwohl der Bachgesellschaft der Vorwurf nicht ersparen, daß das Programm des Festes den Zwecken nicht entsprach. Bachaufführungeu haben wir genng, die Bachfeste sollen belehrend und ergänzend dazwischen treten, sie werden eines akademischen Z»sah»nes nicht entbehre» können und ihre Auswahl nach einheitlichen, in die Augen springenden Absichten gestalten müssen. Die Berliner Programme zeigten die Bachbedentnng der ausführenden Institute im möglichst günstigen Licht, auf die Bachpropaganda richteten sie sich erst in zweiter Linie. Sie waren infolgedessen am zweiten und am dritten Tage etwas bunt, am erstell boten sie nicht el!? einziges von den unbekannter« Werke», die die Statuten in den Vordergrund stellen. Was sich aber »ach dieser Richtung hin leisten läßt, das hat der Erfolg des „zufrieden¬ gestellte» Aotus" gezeigt, der, obwohl el» Teil der Arie» »»genügend wieder¬ gegeben wurde, durchschlug. Max Kalbect äußert im Neuen Wiener Tageblatt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/328>, abgerufen am 22.07.2024.