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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Aber die abgehenden Minister? Nun, die Grenzboten sind keine Tages¬
zeitung. Darum nur soviel davon, daß die Abschiedsgesuche der drei Minister
von Miquel, von Hammerstein und Brefeld zwar zeitlich mit dem Schlüsse
der Landtngssessio" zusammenfallen, daß sie aber thatsächlich durch das Nicht-
zustaudekommen der Kanalvorlage unmöglich veranlaßt sein können. Der
Minister vou Miquel ist im vorigen Jahre beinahe ebensoviele Tage krank
wie arbeitsfähig gewesen. Er hat sich längst nach Ansspnnuung ans dem
drückenden Joche gesehnt. Er ist eine große Kraft. Sein Ausscheiden bedeutet
für den Kaiser und den Grafen Bülow einen großen Verlust. Aber er hat
sich im Dienste des Landes zcrarbeitet. Die Ruhe muß ihm gegönnt werden.
Der Landwirtschaftsmiuister vou Hammerstein ist uoch zwei Jahre alter als
Herr von Miguel. Ganz so warm wie dieser ist er im preußischen Dienste
nicht geworden. Immerhin hat er nach dem Maße seine Kraft geleistet, was
er vermochte. Ein Gehörleiden machte deu mündlichen Verkehr mit ihm in
den letzten Jahren nicht leicht. Daß er die Gelegenheit benntzt, um auf sein
schönes Gut Loxtcn im Osnabrückischen zurückzukehren nud sich dort wohl¬
verdienter Ruhe zu erfreuen, hat nichts Verwunderliches. Der Handelsminister
Brefeld endlich hätte auch ohne Mittellandkanal sein Ressort noch weiter leiten
können. Von ihm läßt sich auch nicht sagen, daß er alt, krank, nrbeitsmüde
sei. Engagiert war er für die Kanalvorlage verhältnismäßig nur wenig, nach
unsrer Auffassung allzuwenig. Wenn auch er den Schluß der Laudtagssession
benutzt hat, sein Entlassungsgesuch einzureichen, so läßt sich dies mir daraus
erklären, daß er sich von den bevorstehenden Verhandlungen über den Abschluß
neuer Handelsverträge keinen Erfolg versprechen zu dürfen glaubt, der völlig
seinen Handelspolitischeu Zielen und Grundsätzen entspräche. Ist das aber der
Grund seines Rücktritts, so muß man die Ehrlichkeit dieses Motivs respektieren.
Alle drei Staatsmänner gehn in allen Ehren. Es ist im modernen Staats¬
leben nicht anders. Die Kräfte werden verbraucht, und neue Männer rücken
allmählich an die Stelle der alten zur Bewältigung der sich unablässig erneuernden
Aufgaben.

Die preußische Regierung hat im modernen Staatsleben eine mehr als
gewöhnliche Bedeutung. In ihr ruht der Schwerpunkt der deutschen Reichs¬
politik. Preußen ist überdies zugleich typisch für das monarchische Königtum
der Neuzeit. Darum sind die Augen der ganzen Kulturwelt nach Berlin ge¬
richtet. Mit den "Augen der ganzen Welt" wird zwar in der heutigen
Publizistik viel Unfug getrieben. Hier aber ist der Ausdruck wahr und keine
leere Phrase. Soweit Menschenaugen reichen, sind wir nnter tapfrer, von
großen Gedanken getragner Führung auf dem rechten Wege. Möge es so
bleiben und fröhlich vorwärts gehn, zum Trotz allen Philistern und Phrasen¬
helden ! ___




Aber die abgehenden Minister? Nun, die Grenzboten sind keine Tages¬
zeitung. Darum nur soviel davon, daß die Abschiedsgesuche der drei Minister
von Miquel, von Hammerstein und Brefeld zwar zeitlich mit dem Schlüsse
der Landtngssessio» zusammenfallen, daß sie aber thatsächlich durch das Nicht-
zustaudekommen der Kanalvorlage unmöglich veranlaßt sein können. Der
Minister vou Miquel ist im vorigen Jahre beinahe ebensoviele Tage krank
wie arbeitsfähig gewesen. Er hat sich längst nach Ansspnnuung ans dem
drückenden Joche gesehnt. Er ist eine große Kraft. Sein Ausscheiden bedeutet
für den Kaiser und den Grafen Bülow einen großen Verlust. Aber er hat
sich im Dienste des Landes zcrarbeitet. Die Ruhe muß ihm gegönnt werden.
Der Landwirtschaftsmiuister vou Hammerstein ist uoch zwei Jahre alter als
Herr von Miguel. Ganz so warm wie dieser ist er im preußischen Dienste
nicht geworden. Immerhin hat er nach dem Maße seine Kraft geleistet, was
er vermochte. Ein Gehörleiden machte deu mündlichen Verkehr mit ihm in
den letzten Jahren nicht leicht. Daß er die Gelegenheit benntzt, um auf sein
schönes Gut Loxtcn im Osnabrückischen zurückzukehren nud sich dort wohl¬
verdienter Ruhe zu erfreuen, hat nichts Verwunderliches. Der Handelsminister
Brefeld endlich hätte auch ohne Mittellandkanal sein Ressort noch weiter leiten
können. Von ihm läßt sich auch nicht sagen, daß er alt, krank, nrbeitsmüde
sei. Engagiert war er für die Kanalvorlage verhältnismäßig nur wenig, nach
unsrer Auffassung allzuwenig. Wenn auch er den Schluß der Laudtagssession
benutzt hat, sein Entlassungsgesuch einzureichen, so läßt sich dies mir daraus
erklären, daß er sich von den bevorstehenden Verhandlungen über den Abschluß
neuer Handelsverträge keinen Erfolg versprechen zu dürfen glaubt, der völlig
seinen Handelspolitischeu Zielen und Grundsätzen entspräche. Ist das aber der
Grund seines Rücktritts, so muß man die Ehrlichkeit dieses Motivs respektieren.
Alle drei Staatsmänner gehn in allen Ehren. Es ist im modernen Staats¬
leben nicht anders. Die Kräfte werden verbraucht, und neue Männer rücken
allmählich an die Stelle der alten zur Bewältigung der sich unablässig erneuernden
Aufgaben.

Die preußische Regierung hat im modernen Staatsleben eine mehr als
gewöhnliche Bedeutung. In ihr ruht der Schwerpunkt der deutschen Reichs¬
politik. Preußen ist überdies zugleich typisch für das monarchische Königtum
der Neuzeit. Darum sind die Augen der ganzen Kulturwelt nach Berlin ge¬
richtet. Mit den „Augen der ganzen Welt" wird zwar in der heutigen
Publizistik viel Unfug getrieben. Hier aber ist der Ausdruck wahr und keine
leere Phrase. Soweit Menschenaugen reichen, sind wir nnter tapfrer, von
großen Gedanken getragner Führung auf dem rechten Wege. Möge es so
bleiben und fröhlich vorwärts gehn, zum Trotz allen Philistern und Phrasen¬
helden ! ___




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/314>, abgerufen am 22.07.2024.