Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.daß die Einbringung der Kaualvvrlage duzn führen würde, daß die auf höhere Ans die Personen der znrnckgetrctnen Minister oder gar ans die der kommenden daß die Einbringung der Kaualvvrlage duzn führen würde, daß die auf höhere Ans die Personen der znrnckgetrctnen Minister oder gar ans die der kommenden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0294" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234824"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_878" prev="#ID_877"> daß die Einbringung der Kaualvvrlage duzn führen würde, daß die auf höhere<lb/> Agrarzvllc und namentlich auf ihre vorzeitige Festlegung im Generaltnrif gerichtete<lb/> parteiagrarische Agitation noch mehr belebt werden N'urbe, und das ist ja much<lb/> reichlich eingetroffen. Trotz aller Versicherungen, daß die Kanal- und die Korn¬<lb/> zollfrage ganz voneinander getrennt werden sollten, sind sie thatsächlich agrnrischer-<lb/> seits in den engsten Zusammenhang gebracht worden, wie das namentlich aus den<lb/> jüngsten Auslassungen in den „Preußischen Jahrbüchern" hervorging. Der Reichs¬<lb/> kanzler wird jedenfalls jetzt einen lästigen Druck los sein, wenn er ihn überhaupt<lb/> empfunden hat. Vor allem aber kann der Wegfall des in der Kannlfragc ver¬<lb/> meintlich gebolneu Druck- und Agitatiousmittcls dazu beitragen, die agrarischen<lb/> Heißsporne zu der so dringend notwendigen Mäßigung ihrer Zollforderuugeu zu<lb/> veranlassen. Ob dieser Erfolg eintreten wird, liegt zum guten Teil in der Hand<lb/> des Reichskanzlers. Daß er mit aller Offenheit und Festigkeit gerade jetzt der<lb/> Agrarzvllpartei jeden Zweifel darüber nehmen wird, daß die Fortführung und Er¬<lb/> gänzung einer unsrer wirtschaftlichen Expansion förderlichen Haudelsvertragspolitil<lb/> unter keinen Umständen durch das Übermaß im Generaltnrif festzulegender Minimnl-<lb/> zölle in Frage gestellt werden darf, ist um so mehr zu erwarten, als von den<lb/> Intriganten der Fronde erst kürzlich versucht morden ist, ihn in dieser Frage gleich¬<lb/> sam gegen den Kaiser selbst scharf zu macheu. Es ist natürlich ausgeschlossen, daß<lb/> Graf Bülow für diese Versuche der „Hamburger Nachrichten" eine andre Em¬<lb/> pfindung hegt als Verachtung, von wem sie mich ausgegangen sein mögen. Aber<lb/> anch jeder Schein, als ob er geneigt wäre, die ihm von dieser Seite angetragne<lb/> Siegespalme anzunehmen, würde dazu beitragen, die Einflüsse der von der Fronde<lb/> geleiteten ostelbischen Agrardemagogie und ihrer Bundesgenossen im sogenannten<lb/> städtischen Mittelstande zu erhalten und zu kräftigen, die die patriotischen, monar¬<lb/> chischen, gut konservativen Gefühle der altpreußischen Landbevölkerung seit Jahren<lb/> unterwühlen. Wir haben von vornherein unsre Überzeugung dahin ausgesprochen, daß<lb/> wenn Graf Bülow von amtlicher Stelle aus der deutschen Landwirtschaft einen ge¬<lb/> sicherten, angemessenen und zwar höhern Zvllschutz zugesagt hat, er das in voller Über¬<lb/> einstimmung mit seinem kaiserlichen Herrn gethan habe, und wir haben deshalb jeden<lb/> Zweifel an der Einlösung dieses Versprechens als eines preußische» Konservativen<lb/> unwürdig zurückgewiesen. Wir können uns nicht denken, und können es am wenigsten<lb/> als in der notwendigen Machtbefugnis eines Reichskanzlers liegend anerkennen, daß<lb/> er solche Versprechungen ohne die Gewißheit vollen Einverständnisses mit dem .Kaiser<lb/> abgeben könnte, wie das die Hintermänner der „Hamburger Nnchrichteu" dem Grafen<lb/> Bülow unter der Maske fürsorglicher Freundschaft für seine Stellung suggerieren<lb/> möchten. Der Kaiser wird am wenigsten dulden, daß der Reichskanzler den Land¬<lb/> wirten sein gegebnes Wort bricht, ebenso wenig wie er an der Zusage des Reichs¬<lb/> kanzlers, daß die Handelsvertragspolitik mit langfristigen Tarifverträgen fortgesetzt<lb/> werden solle, wird rütteln lassen. Wie der Kaiser nicht mir das Recht, sondern die<lb/> Pflicht hat, indem er über den Parteien und Interessengruppen steht, die parla¬<lb/> mentarische Mehrheit an egoistischen Vergewaltigungen der Minderheit zu hindern,<lb/> ebenso hat der Neichsknuzler dieses Recht und diese Pflicht, und wenn ein Kanzler<lb/> das nicht erkennen und danach handeln wollte, so würde freilich der Kaiser — was<lb/> ihm doch sehr zu wünschen ist — nicht aufhören können, sein eigner Kanzler zu sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_879" next="#ID_880"> Ans die Personen der znrnckgetrctnen Minister oder gar ans die der kommenden<lb/> hier einzugehn, versage» wir uns. Es kommt dabei nichts heraus- Wir wünschen<lb/> dem Grafen Bülow, daß er treue und tüchtige Gehilfen findet sobald als möglich,<lb/> in Preußen wie im Reiche, und daß es ihm vor allen Dingen bald gelingen wird,<lb/> die Einheitlichkeit im Regieruugsapparat herzustellen, an der es seit einem Jahrzehnt<lb/> vielfach sehr gefehlt hat. Diese Aufgabe war 1890 sehr schwer, und sie ist heute</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0294]
daß die Einbringung der Kaualvvrlage duzn führen würde, daß die auf höhere
Agrarzvllc und namentlich auf ihre vorzeitige Festlegung im Generaltnrif gerichtete
parteiagrarische Agitation noch mehr belebt werden N'urbe, und das ist ja much
reichlich eingetroffen. Trotz aller Versicherungen, daß die Kanal- und die Korn¬
zollfrage ganz voneinander getrennt werden sollten, sind sie thatsächlich agrnrischer-
seits in den engsten Zusammenhang gebracht worden, wie das namentlich aus den
jüngsten Auslassungen in den „Preußischen Jahrbüchern" hervorging. Der Reichs¬
kanzler wird jedenfalls jetzt einen lästigen Druck los sein, wenn er ihn überhaupt
empfunden hat. Vor allem aber kann der Wegfall des in der Kannlfragc ver¬
meintlich gebolneu Druck- und Agitatiousmittcls dazu beitragen, die agrarischen
Heißsporne zu der so dringend notwendigen Mäßigung ihrer Zollforderuugeu zu
veranlassen. Ob dieser Erfolg eintreten wird, liegt zum guten Teil in der Hand
des Reichskanzlers. Daß er mit aller Offenheit und Festigkeit gerade jetzt der
Agrarzvllpartei jeden Zweifel darüber nehmen wird, daß die Fortführung und Er¬
gänzung einer unsrer wirtschaftlichen Expansion förderlichen Haudelsvertragspolitil
unter keinen Umständen durch das Übermaß im Generaltnrif festzulegender Minimnl-
zölle in Frage gestellt werden darf, ist um so mehr zu erwarten, als von den
Intriganten der Fronde erst kürzlich versucht morden ist, ihn in dieser Frage gleich¬
sam gegen den Kaiser selbst scharf zu macheu. Es ist natürlich ausgeschlossen, daß
Graf Bülow für diese Versuche der „Hamburger Nachrichten" eine andre Em¬
pfindung hegt als Verachtung, von wem sie mich ausgegangen sein mögen. Aber
anch jeder Schein, als ob er geneigt wäre, die ihm von dieser Seite angetragne
Siegespalme anzunehmen, würde dazu beitragen, die Einflüsse der von der Fronde
geleiteten ostelbischen Agrardemagogie und ihrer Bundesgenossen im sogenannten
städtischen Mittelstande zu erhalten und zu kräftigen, die die patriotischen, monar¬
chischen, gut konservativen Gefühle der altpreußischen Landbevölkerung seit Jahren
unterwühlen. Wir haben von vornherein unsre Überzeugung dahin ausgesprochen, daß
wenn Graf Bülow von amtlicher Stelle aus der deutschen Landwirtschaft einen ge¬
sicherten, angemessenen und zwar höhern Zvllschutz zugesagt hat, er das in voller Über¬
einstimmung mit seinem kaiserlichen Herrn gethan habe, und wir haben deshalb jeden
Zweifel an der Einlösung dieses Versprechens als eines preußische» Konservativen
unwürdig zurückgewiesen. Wir können uns nicht denken, und können es am wenigsten
als in der notwendigen Machtbefugnis eines Reichskanzlers liegend anerkennen, daß
er solche Versprechungen ohne die Gewißheit vollen Einverständnisses mit dem .Kaiser
abgeben könnte, wie das die Hintermänner der „Hamburger Nnchrichteu" dem Grafen
Bülow unter der Maske fürsorglicher Freundschaft für seine Stellung suggerieren
möchten. Der Kaiser wird am wenigsten dulden, daß der Reichskanzler den Land¬
wirten sein gegebnes Wort bricht, ebenso wenig wie er an der Zusage des Reichs¬
kanzlers, daß die Handelsvertragspolitik mit langfristigen Tarifverträgen fortgesetzt
werden solle, wird rütteln lassen. Wie der Kaiser nicht mir das Recht, sondern die
Pflicht hat, indem er über den Parteien und Interessengruppen steht, die parla¬
mentarische Mehrheit an egoistischen Vergewaltigungen der Minderheit zu hindern,
ebenso hat der Neichsknuzler dieses Recht und diese Pflicht, und wenn ein Kanzler
das nicht erkennen und danach handeln wollte, so würde freilich der Kaiser — was
ihm doch sehr zu wünschen ist — nicht aufhören können, sein eigner Kanzler zu sein.
Ans die Personen der znrnckgetrctnen Minister oder gar ans die der kommenden
hier einzugehn, versage» wir uns. Es kommt dabei nichts heraus- Wir wünschen
dem Grafen Bülow, daß er treue und tüchtige Gehilfen findet sobald als möglich,
in Preußen wie im Reiche, und daß es ihm vor allen Dingen bald gelingen wird,
die Einheitlichkeit im Regieruugsapparat herzustellen, an der es seit einem Jahrzehnt
vielfach sehr gefehlt hat. Diese Aufgabe war 1890 sehr schwer, und sie ist heute
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