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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Altes und Neues aus der Normandie

werden müssen, kann man ans dein Prnnkbau schließen, den die Gesellschaft nach
dem Brande im Jahre 1892 hat aufführen lassen. Er ist verschwenderisch orna-
mentiert, aber kaum mit Geschmack. Mir sind die viel einfacher gehnltnen Schlösser
des normannischen Adels aus der Renaissancezeit lieber. Doch ich war ja nicht
nach Fecamp gekommen, um 1-r Lsnöäietino zu bewundern. Ich wollte ja nur Er¬
innerungen auffrischen und die landschaftlichen Schönheiten der Küste genießen.

Von Valmont war ich im Februar 1871 nach Fecamp gekommen, Valmont
galt deshalb auch mein erster Ausflug. Zu der Hoffnung, daß der Waffenstillstand
zum Frieden führen werde, gesellte sich damals das erste Erwachen der Nutnr.
Nebel und Reif waren von der Sonne verjagt, ungezügelt rauschte der Bach, die
ersten Knospen erschienen an Baum und Strauch, und bläulicher Frühlingsduft
lagerte auf Wald und Feld. Es war, als sollte die Natur im nächsten Augenblick
alle Bande sprengen und laut aufjauchzen. Ich kam zu dem Notar des Städtchens
ins Quartier. Er war ein enrngierter Franzose, aber ein liebenswürdiger Wirt
und angenehmer Gesellschafter. Sein Beruf als Jurist hatte ihn genügend geschult,
daß er bei unsern Unterhaltungen meine Anschauungen mit Ruhe prüfen konnte.
Im übrigen behielt er sich alle Rechte ans Revanche vor. In sieben Jahren, hoffte
er, werde Frankreich zu neuer Kraft gelangt sein, und dann erwarte er, daß, wenn
auch er nach Deutschland mitzöge, ich ihn ebenso entgegenkommend aufnehmen würde,
wie er es mit mir gethan habe. Ich erwiderte ihm, daß die Höflichkeit mir, dem
Jüngern, die Verpflichtung auferlege, ihm mindestens bis zur Grenze entgegen zu
kommen. Seine Frau war eine Pariserin, offen und natürlich wie eine Deutsche;
mit ihren feinen gesellschaftlichen Formen wußte sie deu Unterhaltungen zwischen
ihrem Manne und mir jede Schärfe zu nehmen.

Das Haus des Notars lag dicht an dem Eingang zu dem Abteigarten. Auch
Valmont hatte einst eine berühmte Benediktinerabtei, und wie Se. Wandrille, Jumieges
und Fecamp war die Besitzung von der Revolution eingezogen und verkauft worden.
Auch hier war die Kirche als Steinbruch benützt worden, und außer den einsam
stehenden Säulen war nur die Marienkapelle übrig geblieben. Was war es schon, unter
den uralten Bäumen zu wandeln und den Wind durch den Epheu rauschen zu hören,
der die spärlichen Mauerreste und Säulen umsponnen hatte! Als ich jetzt wieder¬
kam, war es Spätsommer; mit ihrem dichten Blätterdach bannten die alten Nüstern
und Linden die Hitze, die draußen herrschte; in tiefem Frieden lag die Ruine. Die
Pförtnerin schloß mir die Marienkapelle ans. Da lag noch der Ritter von Val¬
mont, der die Abtei im zwölften Jahrhundert gestiftet hatte, in Stein gehalten auf
seinein Grabdenkmal; er hatte den Wandel von siebenhundert Jahren überdauert.
Die zum Gebet gefalteten Hände hatten ihm die Sanscnlvttes bei der Plünderung
der Kirche zwar abgeschlagen, mehr hatten sie ihm aber nicht anthun können oder
wollen. Auch die herrlichen alten Glnsgemä'lde der Kapellenfenster waren unver¬
sehrt und strahlten förmlich im Glanz ihrer unvertilgbaren Farbenpracht. Was sind
solchen Zeiträumen gegenüber dreißig Jahre? Von der Pförtnerin hörte ich, daß
mein Notar und seine Frau schon gestorben seien. Ob es ihm. dem feurigen Fran¬
zosen, als er Abschied von der Erde nahm, wohl leid gethan hat, daß seine Hoff¬
nung auf Revanche nicht in Erfüllung gegangen war?

Vor dem ehemaligen Klostergebäude, dem jetzigen Wohnhause, saß der Besitzer
der Abtei mit einigen Herren. Die Pförtnerin fragte mich beim Abschied, ob sie
Monsieur erzählen solle, daß ich vor dreißig Jahren als feindlicher Offizier da¬
gewesen sei. Ich hatte nichts dagegen. Wie überrascht wird Monsieur ge¬
wesen sein!

Ich stieg zum Schloß hinauf, einer interessanten Gebäudemasse aus dem elften,
fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert. In den Freistunden hatte ich hier ehe-


Altes und Neues aus der Normandie

werden müssen, kann man ans dein Prnnkbau schließen, den die Gesellschaft nach
dem Brande im Jahre 1892 hat aufführen lassen. Er ist verschwenderisch orna-
mentiert, aber kaum mit Geschmack. Mir sind die viel einfacher gehnltnen Schlösser
des normannischen Adels aus der Renaissancezeit lieber. Doch ich war ja nicht
nach Fecamp gekommen, um 1-r Lsnöäietino zu bewundern. Ich wollte ja nur Er¬
innerungen auffrischen und die landschaftlichen Schönheiten der Küste genießen.

Von Valmont war ich im Februar 1871 nach Fecamp gekommen, Valmont
galt deshalb auch mein erster Ausflug. Zu der Hoffnung, daß der Waffenstillstand
zum Frieden führen werde, gesellte sich damals das erste Erwachen der Nutnr.
Nebel und Reif waren von der Sonne verjagt, ungezügelt rauschte der Bach, die
ersten Knospen erschienen an Baum und Strauch, und bläulicher Frühlingsduft
lagerte auf Wald und Feld. Es war, als sollte die Natur im nächsten Augenblick
alle Bande sprengen und laut aufjauchzen. Ich kam zu dem Notar des Städtchens
ins Quartier. Er war ein enrngierter Franzose, aber ein liebenswürdiger Wirt
und angenehmer Gesellschafter. Sein Beruf als Jurist hatte ihn genügend geschult,
daß er bei unsern Unterhaltungen meine Anschauungen mit Ruhe prüfen konnte.
Im übrigen behielt er sich alle Rechte ans Revanche vor. In sieben Jahren, hoffte
er, werde Frankreich zu neuer Kraft gelangt sein, und dann erwarte er, daß, wenn
auch er nach Deutschland mitzöge, ich ihn ebenso entgegenkommend aufnehmen würde,
wie er es mit mir gethan habe. Ich erwiderte ihm, daß die Höflichkeit mir, dem
Jüngern, die Verpflichtung auferlege, ihm mindestens bis zur Grenze entgegen zu
kommen. Seine Frau war eine Pariserin, offen und natürlich wie eine Deutsche;
mit ihren feinen gesellschaftlichen Formen wußte sie deu Unterhaltungen zwischen
ihrem Manne und mir jede Schärfe zu nehmen.

Das Haus des Notars lag dicht an dem Eingang zu dem Abteigarten. Auch
Valmont hatte einst eine berühmte Benediktinerabtei, und wie Se. Wandrille, Jumieges
und Fecamp war die Besitzung von der Revolution eingezogen und verkauft worden.
Auch hier war die Kirche als Steinbruch benützt worden, und außer den einsam
stehenden Säulen war nur die Marienkapelle übrig geblieben. Was war es schon, unter
den uralten Bäumen zu wandeln und den Wind durch den Epheu rauschen zu hören,
der die spärlichen Mauerreste und Säulen umsponnen hatte! Als ich jetzt wieder¬
kam, war es Spätsommer; mit ihrem dichten Blätterdach bannten die alten Nüstern
und Linden die Hitze, die draußen herrschte; in tiefem Frieden lag die Ruine. Die
Pförtnerin schloß mir die Marienkapelle ans. Da lag noch der Ritter von Val¬
mont, der die Abtei im zwölften Jahrhundert gestiftet hatte, in Stein gehalten auf
seinein Grabdenkmal; er hatte den Wandel von siebenhundert Jahren überdauert.
Die zum Gebet gefalteten Hände hatten ihm die Sanscnlvttes bei der Plünderung
der Kirche zwar abgeschlagen, mehr hatten sie ihm aber nicht anthun können oder
wollen. Auch die herrlichen alten Glnsgemä'lde der Kapellenfenster waren unver¬
sehrt und strahlten förmlich im Glanz ihrer unvertilgbaren Farbenpracht. Was sind
solchen Zeiträumen gegenüber dreißig Jahre? Von der Pförtnerin hörte ich, daß
mein Notar und seine Frau schon gestorben seien. Ob es ihm. dem feurigen Fran¬
zosen, als er Abschied von der Erde nahm, wohl leid gethan hat, daß seine Hoff¬
nung auf Revanche nicht in Erfüllung gegangen war?

Vor dem ehemaligen Klostergebäude, dem jetzigen Wohnhause, saß der Besitzer
der Abtei mit einigen Herren. Die Pförtnerin fragte mich beim Abschied, ob sie
Monsieur erzählen solle, daß ich vor dreißig Jahren als feindlicher Offizier da¬
gewesen sei. Ich hatte nichts dagegen. Wie überrascht wird Monsieur ge¬
wesen sein!

Ich stieg zum Schloß hinauf, einer interessanten Gebäudemasse aus dem elften,
fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert. In den Freistunden hatte ich hier ehe-


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[0287] Altes und Neues aus der Normandie werden müssen, kann man ans dein Prnnkbau schließen, den die Gesellschaft nach dem Brande im Jahre 1892 hat aufführen lassen. Er ist verschwenderisch orna- mentiert, aber kaum mit Geschmack. Mir sind die viel einfacher gehnltnen Schlösser des normannischen Adels aus der Renaissancezeit lieber. Doch ich war ja nicht nach Fecamp gekommen, um 1-r Lsnöäietino zu bewundern. Ich wollte ja nur Er¬ innerungen auffrischen und die landschaftlichen Schönheiten der Küste genießen. Von Valmont war ich im Februar 1871 nach Fecamp gekommen, Valmont galt deshalb auch mein erster Ausflug. Zu der Hoffnung, daß der Waffenstillstand zum Frieden führen werde, gesellte sich damals das erste Erwachen der Nutnr. Nebel und Reif waren von der Sonne verjagt, ungezügelt rauschte der Bach, die ersten Knospen erschienen an Baum und Strauch, und bläulicher Frühlingsduft lagerte auf Wald und Feld. Es war, als sollte die Natur im nächsten Augenblick alle Bande sprengen und laut aufjauchzen. Ich kam zu dem Notar des Städtchens ins Quartier. Er war ein enrngierter Franzose, aber ein liebenswürdiger Wirt und angenehmer Gesellschafter. Sein Beruf als Jurist hatte ihn genügend geschult, daß er bei unsern Unterhaltungen meine Anschauungen mit Ruhe prüfen konnte. Im übrigen behielt er sich alle Rechte ans Revanche vor. In sieben Jahren, hoffte er, werde Frankreich zu neuer Kraft gelangt sein, und dann erwarte er, daß, wenn auch er nach Deutschland mitzöge, ich ihn ebenso entgegenkommend aufnehmen würde, wie er es mit mir gethan habe. Ich erwiderte ihm, daß die Höflichkeit mir, dem Jüngern, die Verpflichtung auferlege, ihm mindestens bis zur Grenze entgegen zu kommen. Seine Frau war eine Pariserin, offen und natürlich wie eine Deutsche; mit ihren feinen gesellschaftlichen Formen wußte sie deu Unterhaltungen zwischen ihrem Manne und mir jede Schärfe zu nehmen. Das Haus des Notars lag dicht an dem Eingang zu dem Abteigarten. Auch Valmont hatte einst eine berühmte Benediktinerabtei, und wie Se. Wandrille, Jumieges und Fecamp war die Besitzung von der Revolution eingezogen und verkauft worden. Auch hier war die Kirche als Steinbruch benützt worden, und außer den einsam stehenden Säulen war nur die Marienkapelle übrig geblieben. Was war es schon, unter den uralten Bäumen zu wandeln und den Wind durch den Epheu rauschen zu hören, der die spärlichen Mauerreste und Säulen umsponnen hatte! Als ich jetzt wieder¬ kam, war es Spätsommer; mit ihrem dichten Blätterdach bannten die alten Nüstern und Linden die Hitze, die draußen herrschte; in tiefem Frieden lag die Ruine. Die Pförtnerin schloß mir die Marienkapelle ans. Da lag noch der Ritter von Val¬ mont, der die Abtei im zwölften Jahrhundert gestiftet hatte, in Stein gehalten auf seinein Grabdenkmal; er hatte den Wandel von siebenhundert Jahren überdauert. Die zum Gebet gefalteten Hände hatten ihm die Sanscnlvttes bei der Plünderung der Kirche zwar abgeschlagen, mehr hatten sie ihm aber nicht anthun können oder wollen. Auch die herrlichen alten Glnsgemä'lde der Kapellenfenster waren unver¬ sehrt und strahlten förmlich im Glanz ihrer unvertilgbaren Farbenpracht. Was sind solchen Zeiträumen gegenüber dreißig Jahre? Von der Pförtnerin hörte ich, daß mein Notar und seine Frau schon gestorben seien. Ob es ihm. dem feurigen Fran¬ zosen, als er Abschied von der Erde nahm, wohl leid gethan hat, daß seine Hoff¬ nung auf Revanche nicht in Erfüllung gegangen war? Vor dem ehemaligen Klostergebäude, dem jetzigen Wohnhause, saß der Besitzer der Abtei mit einigen Herren. Die Pförtnerin fragte mich beim Abschied, ob sie Monsieur erzählen solle, daß ich vor dreißig Jahren als feindlicher Offizier da¬ gewesen sei. Ich hatte nichts dagegen. Wie überrascht wird Monsieur ge¬ wesen sein! Ich stieg zum Schloß hinauf, einer interessanten Gebäudemasse aus dem elften, fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert. In den Freistunden hatte ich hier ehe-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/287>, abgerufen am 01.07.2024.