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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Fürst Vismarcks englische Politik

s ist Brauch geworden im deutschen Land, Bismarcks Autorität
gegen die leitenden Minister auszuspielen, und insbesondre thun
das Leute, die der Überzeugungskraft ihrer eignen Gedanken nicht
trauen und ihnen deshalb listigerweise einen falschen Stempel
geben. Sonderbarerweise wird gerade von dem Teil der deutschen
Presse, der ganz besonders stark in Engländerhaß macht, Fürst Bismarck als
Eideshelfer in Anspruch genommen. Da ist es ganz nützlich, sich wieder einmal
zu vergegenwärtigen, was Fürst Bismarck über England und die deutsch¬
englischen Beziehungen gesagt hat.

An Theodor Mommsen schrieb er: "Ans die Frage, ob ich russisch oder
westeuropäisch gesinnt sei. habe ich immer geantwortet, das; ich ein Preuße
bin. Was fremde Länder betrifft, so habe ich einzig Sympathie für England
und seine Bewohner gefühlt; und selbst jetzt bin ich zu Zeiten nicht frei davon;
aber sie wollen es uns nicht erlauben, sie zu lieben," Diese Sympathie des
Fürsten für die Engländer als Personen wird zwar die verschnupfen, die im
Engländer den Ausbund aller Schlechtigkeit sehen. Aber wer sich bemüht hat,
den Charakter des englischen Volks zu versteh", der wird es begreifen, das?
gerade der "Mann von Blut und Eisen" ihm seine Neigung widmete. Die
gesunde, kräftige und große Auffassung von privatem und öffentlichem Leben,
die Willenskraft, der Unternehmungsgeist und die praktischen Fähigkeiten der
Engländer mußten gerade dem Schöpfer des dentschen Selbstbewußtseins, dem
harten Realpolitiker sympathisch sein, der unablässig bemüht war, diese Charakter,
züge mich dem dentschen Michel von neuem anznerzieyn. Aber persönliche
Sympathien gelten nicht in der Politik, es sei denn, daß sie von den persön¬
lichen Interessen zu innigem Bunde herangezogen werden können, lind diese
persönlichen gemeinsamen Interessen des deutscheu und des englischen Volks
sind so groß -- wenn wir dem Altreichskanzler Glauben schenken können
daß man mir wünschen sollte, auch die persönlichen Sympathien möchten sich


Hrcnzboten N 1901


Fürst Vismarcks englische Politik

s ist Brauch geworden im deutschen Land, Bismarcks Autorität
gegen die leitenden Minister auszuspielen, und insbesondre thun
das Leute, die der Überzeugungskraft ihrer eignen Gedanken nicht
trauen und ihnen deshalb listigerweise einen falschen Stempel
geben. Sonderbarerweise wird gerade von dem Teil der deutschen
Presse, der ganz besonders stark in Engländerhaß macht, Fürst Bismarck als
Eideshelfer in Anspruch genommen. Da ist es ganz nützlich, sich wieder einmal
zu vergegenwärtigen, was Fürst Bismarck über England und die deutsch¬
englischen Beziehungen gesagt hat.

An Theodor Mommsen schrieb er: „Ans die Frage, ob ich russisch oder
westeuropäisch gesinnt sei. habe ich immer geantwortet, das; ich ein Preuße
bin. Was fremde Länder betrifft, so habe ich einzig Sympathie für England
und seine Bewohner gefühlt; und selbst jetzt bin ich zu Zeiten nicht frei davon;
aber sie wollen es uns nicht erlauben, sie zu lieben," Diese Sympathie des
Fürsten für die Engländer als Personen wird zwar die verschnupfen, die im
Engländer den Ausbund aller Schlechtigkeit sehen. Aber wer sich bemüht hat,
den Charakter des englischen Volks zu versteh», der wird es begreifen, das?
gerade der „Mann von Blut und Eisen" ihm seine Neigung widmete. Die
gesunde, kräftige und große Auffassung von privatem und öffentlichem Leben,
die Willenskraft, der Unternehmungsgeist und die praktischen Fähigkeiten der
Engländer mußten gerade dem Schöpfer des dentschen Selbstbewußtseins, dem
harten Realpolitiker sympathisch sein, der unablässig bemüht war, diese Charakter,
züge mich dem dentschen Michel von neuem anznerzieyn. Aber persönliche
Sympathien gelten nicht in der Politik, es sei denn, daß sie von den persön¬
lichen Interessen zu innigem Bunde herangezogen werden können, lind diese
persönlichen gemeinsamen Interessen des deutscheu und des englischen Volks
sind so groß — wenn wir dem Altreichskanzler Glauben schenken können
daß man mir wünschen sollte, auch die persönlichen Sympathien möchten sich


Hrcnzboten N 1901
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[0153] [Abbildung] Fürst Vismarcks englische Politik s ist Brauch geworden im deutschen Land, Bismarcks Autorität gegen die leitenden Minister auszuspielen, und insbesondre thun das Leute, die der Überzeugungskraft ihrer eignen Gedanken nicht trauen und ihnen deshalb listigerweise einen falschen Stempel geben. Sonderbarerweise wird gerade von dem Teil der deutschen Presse, der ganz besonders stark in Engländerhaß macht, Fürst Bismarck als Eideshelfer in Anspruch genommen. Da ist es ganz nützlich, sich wieder einmal zu vergegenwärtigen, was Fürst Bismarck über England und die deutsch¬ englischen Beziehungen gesagt hat. An Theodor Mommsen schrieb er: „Ans die Frage, ob ich russisch oder westeuropäisch gesinnt sei. habe ich immer geantwortet, das; ich ein Preuße bin. Was fremde Länder betrifft, so habe ich einzig Sympathie für England und seine Bewohner gefühlt; und selbst jetzt bin ich zu Zeiten nicht frei davon; aber sie wollen es uns nicht erlauben, sie zu lieben," Diese Sympathie des Fürsten für die Engländer als Personen wird zwar die verschnupfen, die im Engländer den Ausbund aller Schlechtigkeit sehen. Aber wer sich bemüht hat, den Charakter des englischen Volks zu versteh», der wird es begreifen, das? gerade der „Mann von Blut und Eisen" ihm seine Neigung widmete. Die gesunde, kräftige und große Auffassung von privatem und öffentlichem Leben, die Willenskraft, der Unternehmungsgeist und die praktischen Fähigkeiten der Engländer mußten gerade dem Schöpfer des dentschen Selbstbewußtseins, dem harten Realpolitiker sympathisch sein, der unablässig bemüht war, diese Charakter, züge mich dem dentschen Michel von neuem anznerzieyn. Aber persönliche Sympathien gelten nicht in der Politik, es sei denn, daß sie von den persön¬ lichen Interessen zu innigem Bunde herangezogen werden können, lind diese persönlichen gemeinsamen Interessen des deutscheu und des englischen Volks sind so groß — wenn wir dem Altreichskanzler Glauben schenken können daß man mir wünschen sollte, auch die persönlichen Sympathien möchten sich Hrcnzboten N 1901

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/153>, abgerufen am 03.07.2024.